- Droben in den Eifler Bergen
gibt es seit altersher manch guten Bock und manches Stück
Schwarzwild, und mancher Hase hoppelt dort auch abends aus dem
Walde. Es findet sich aber auch manch ein Fuchs dort oben, und
die schlimmsten Füchse, die haben nur zwei Beine, dafür
aber die Flinte im Arm, und sie sehen sich scheu um, ob der
Förster nicht auf den Wegen ist.
-
- Es gab droben am Rande der
Heide ein Dorf, da war das Wilderen wie eine Krankheit geworden,
das ist nun schon lange her. Jeder Junge, der über fünfzehn
Jahre alt war, wurde von der Krankheit befallen und blieb
befallen, bis er so alt war, dass er kein Gewehr mehr tragen
konnte oder bis es ihm seine Frau verbot. Und es war eine
Ehrensache, dass ein jeder wildern musste. Da ging's dem armen
Wild denn übel in der Flur. Der Förster raufte sich die
Haare, aber es half nicht. Passte er hier auf, knallte es dort
und dort und dort, und machte er lange Beine, um dahin zu kommen,
dann knallte es da, wo er gerade gewesen war. Dabei schossen die
Bauern oft aus bloßem Übermut ihre Flinten ab, wenn
auch gar nichts zu schießen war, nur um den Förster zu
ärgern. Und der ließ sich ärgern, denn - unter
uns gesagt - es war schon ein bisschen alt, so dass die Bauern
gut schießen hatten. Später, als ein junger Förster
dorthin kam, da ging's einem halben Dutzend Wilderer ans Leder,
sie mussten sitzen, und nach einem Jahre fiel dort oben kein
heimlicher Schuss mehr.
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- Aber zu der Zeit, wo die
Geschichte sich zutrug, von der erzählt wird, war der alte
Förster noch im Amt. Alle Dorfburschen gingen zum Wildern,
nur einer nicht, das war das Sebastiänchen und seines
Zeichen war er der Dorfschneider. Dass aber das Sebastiänchen
nicht wildern ging, das lag daran, dass es eine Himmelangst davor
hatte. Als es noch ein kleines Bübchen war, war einmal eine
grausliche Geschichte da droben passiert. Da waren drei Burschen,
und unter ihnen sein Vater, bei tiefem Schnee nächtlicherweile
jagen gegangen. Und der Vater von Sebastiänchen hatte seine
Donnerbüchse, die mit gehacktem Blei und Nägeln geladen
war, auf ein Hauptschwein abgefeuert, das gerade bei ihm aus der
Dickung herauskam.
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- Der grimmig Keiler nahm aber
diesen unfreundlichen Gruß sehr unfreundlich auf, denn er
machte kurz kehrt und fasste sich seinen Mann und, hast du nicht
gesehen, flog der unglückliche Schütze mit
aufgeschlitztem Schenkel in den Graben.
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- Da war denn viel Heulen und
Zähneklappern damals gewesen, und die Mutter von
Sebastiänchen, die eine resolute Frau war, sagte ihrem
Einzigen, dass sie ihn prügeln würde, dass die Lappen
flögen, wenn er sich je einfallen lasse, jagen zu gehen.
Nun, dass Sebastiänchen dachte an den Vater und sein
Abenteuer, auch als der schon lange tot war, und ging nicht zum
Wildern. Aber er hatte viel Spott und Gerede darum mit anzuhören,
dass er oft in Versuchung kam, es doch einmal zu probieren. Aber
die Angst, die Angst! -
Dabei war das Sebastiänchen
nicht zum Helden geboren. Da, wo andere Menschen ihren starken
Rücken haben, hatte ihm die Natur einen richtigen Buckel
wachsen lassen, und das eine Bein war auch so windschief geraten
wie die Birken an der Strasse. die durch die Heide ging. Und
einen Kopf kleiner als alle anderen war das Sebastiänchen
auch. Um so mehr aber wurde er mit seiner Angst geneckt und
gehänselt, und es ärgerte ihn mehr, als er jemals sagen
konnte.
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- Eines Tages war das so arg
geworden, dass er seiner alten Mutter erklärte, jetzt wäre
es genug, jetzt ginge er auch. Es war damals kein Schwarzwild im
Revier; dass machte ihm Mut. Die Mutter keifte und zeterte und
rief alle Heiligen an - egal, das Sebastiänchen blieb bei
seinem Entschluss.
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- Nun so wollt ich, dass
der Düwel dir jagen hilft, rief die Mutter endlich und
schlug die Türe zu.
-
- Das Sebastiänchen
kratzte sich hinter den Ohren. Der Düwel? Ach wat, der
wird schon nicht kommen." Wie eine Flinte geladen wurde,
hatte er früher oft gesehen. So nahm er die alte verrostete
Flinte seines Vaters selig vom Nagel, nahm Pulverhorn und
Schrotbeutel, die ein Bekannter ihm gefüllt hatte, und hing
sich die gewaltige lederne Jagdtasche des Vaters um. Und eines
schönen Herbstabends zog das Sebastiänchen aus. Der
alte Förster lag krank zu Bett, also war die Luft rein.
Passieren konnte dem Sebastiänchen nichts.
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- Wohlgemut schritt er dem
Walde zu und freute sich, wenn ihn Bekannte sahen und ihrer
Bewunderung Ausdruck gaben: dass sie hinter ihm über das
dahinhinkende Häufchen Elend sich kranklachten, das merkte
er nicht.
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- Der Weg ging ein bisschen
bergan, denn der Wald bedeckte einen Hügelzug, der sich aus
der Heide erhob. Angekommen, sah sich das Sebastiänchen nach
einer geeigneten Stelle am Waldrande um, wo er sich ganz still
hinsetzen und warten wollte, bis etwas käme. Zwischen zwei
Schlehensträuchern schien ihm ein nettes Plätzchen zu
sein. Gedacht, getan, das Sebastiänchen saß zwischen
den Schlehen auf der Lauer. Geladen war die Flinte, auch der
Feuerstein war in Ordnung, nur Pulver musste noch auf die Pfanne
geschüttet werden. Das tat er denn auch mit großer
Vorsicht, legte Pulverhorn und Schrotbeutel neben sich und wartet
der Dinge, die da kommen würden.
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- Es kam aber nichts. Auf einer
Brombeerranke lief nur ein Mäuschen zierlich und eifrig auf
und ab, bis es dem Sebastiänchen zuviel wurde. Scht!"
machte er, da war das Mäuschen verschwunden. Nun aber kam
eine Kohlmeise und zwitscherte und wisperte, als ob sie dem
Sebastiänchen was erzählen wollte. Er aber wollte
nichts hören, er wollte ja etwas schießen, also machte
er wieder: Scht!", da war auch die Meise weg.
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- Inzwischen wurde es später
und später. So ganz langsam, ganz sachte fing die Dämmerung
an. Die Sonne hing wie ein rotglühender Ball am Himmel und
schimmerte durch die Zweige des Waldes und tauchte das Land in
rote Glut. Dem Sebastiänchen war der schönste
Sonnenuntergang ganz und gar egal, er wollte doch etwas schießen.
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- Die Sache fing an, ihm
langweilig zu werden. Er wurde müde vom Sitzen auf der Erde
und fand ganz still bei sich, dass das Jagen ein dummes Vergnügen
sei. Endlich musste er sogar gähnen, und er gähnte so
laut, wie er es daheim gewohnt war. Die Augen fielen ihm beinahe
zu vor Langeweile. Es wurde stiller und stiller ringsum. Die
Feierzeit der Gottesnatur begann. Das war aber dem Sebastiänchen
gleich, er wollte doch etwas schießen.
-
Auf einmal hörte er ein
Geräusch. Eine fürchterliche Angst überkam ihn. Was
mochte es sein? Es raschelte und regte sich neben ihm keine
zwanzig Schritte entfernt. Das Sebastiänchen hielt den Atem
an und lauschte, aber es hörte nichts mehr, nur sein eigenes
Herz klopfte laut wie ein Schmiedehammer. Mit den Blicken
durchbohrte das Sebastiänchen fast das Gebüsch neben
sich. Vergebens. Da blickte er genauer vor sich hin und - beinahe
wäre ihm die Flinte von den Knien gefallen. Gerade vor ihm
hoppelte etwas mit krummen Rücken langsam aus dem Wald
heraus. Ein Hase! Ein gewaltiger Waldhase. Jetzt hieß es
handeln. Dem Sebastiänchen zitterten die Hände so, dass
er die schwere Flinte kaum halten konnte. Der Hase merkte nichts.
Bald mummelte er an der Erde und hoppelte ein paar Schritte, dann
setzte er sich aufrecht und machte ein Männchen. Das war der
Augenblick. Leise, leise schob das Sebastiänchen sein
gefährliches Feuerrohr zwischen den Schlehdornzweigen durch.
Hin und her wankte die Mündung. Beide Augen zu und dann -
Bautz!
- Die Flinte flog rechts, das
Sebastiänchen flog links. 0 weh, o weh, o weh, das Feuerrohr
hatte ihm eins ausgewischt, dass ihm
-
alle Zähne im Mund wehtaten.
Im ganzen Leben nicht mehr, das war der einzige Gedanke von
Sebastiänchen, als es sich auf der Erde wiederfand. Langsam,
mit dummem Kopf, stand er auf. Da lag die Flinte. Losgegangen war
sie, aber wie. Mühselig packte Sebastiänchen das
Schießgewehr auf und packte die riesige Jagdtasche auf, das
Pulverhorn und den Schrotbeutel, und dann noch die Kappe, die ihm
vom Kopf geflogen war. Aber was war das? Was lag denn da? Der
Hase, der Hase! Er war getroffen und mausetot geschossen. Der
Meisterschuss hatte ihn nicht verfehlt. So schnell es bei seinem
schiefen Beine ging, war das Sebastiänchen bei dem Erlegten.
Er konnte es noch nicht glauben, und doch war es so. Der Hase lag
da, und was für einer, ein echter Pastorenhase.
Triumphierend hob das Sebastiänchen ihn an den Hinterläufen
in die Höhe. Jetzt sollte noch mal einer über ihn
lachen. Er war ein Jäger. Gleich mit dem ersten Schuss einen
prächtigen Hasen! Hochbefriedigt über dieses Ereignis
schleppte das Sebastiänchen den Hasen zu seinem Platz und
verstaute ihn in der gewaltigen Jagdtasche, nur der Kopf guckte
an der Seite betrüblich heraus. Dann hing er die Jagdtasche
über die linke, Pulverhorn und Schrotbeutel über die
rechte Achsel, schulterte seine mörderische Waffe und ging
freudestrahlend heim.
-
- Der Hase sollte der Mutter
und ihm schmecken, und ärgern würden sich die andern
grün und gelb, wenn er heimkäme. Es war der schönste
Tag in Sebastiänchens Leben.
-
- Inzwischen war es ziemlich
dämmerig geworden, es war Zeit, heimzugehen, sonst konnte es
noch dunkel werden, bis er zu Hause war. Und er wollte doch, dass
die Leute den Hasen noch sehen sollten, so wie er ihn brachte.
Eilig hinkte er am Waldrand entlang, mit einem Male aber blieb er
stehen. Was war denn das? Da war ja noch ein Hase, der saß
draußen und machte ein Männchen und guckte ganz
vergnügt nach dem Sebastiänchen herüber.
Noch
ein Hase! Ob er den auch schießen sollte? Dann musste er
erst laden, und das ging ihm nicht so schnell von der Hand, und
dann der Schuss, den spürte er auch noch im Kopfe. Ach
was," meinte Sebastiänchen, ich kann sie doch
nicht alle auf einmal totschießen. Mit einem ist es genug
heute." Also hinkte er weiter. Aber sieh mal an, der Hase
machte gar keine Miene fortzulaufen! Als das Sebastiänchen
näherkam, hoppelte auch der Hase näher. Ob der in der
Dämmerung das gefährliche Sebastiänchen gar nicht
sah? Noch immer näher hoppelte der Hase und noch näher
und noch näher, und dann machte er wieder ein Männchen
und rief ganz deutlich: Hänschen, wo jeist du hin?",
und der totgeschossene Hase in der großen Jagdtasche gab
Antwort und sagte: Ich jon mit dem Sebastiänchen, dä
hät mich jeschaußen." -
- Marijajosef, dat is der
Düwel!" schrie das Sebastiänchen, und dann ist es
gelaufen, wer weiß wie. Feuerrohr und Pulverhorn und Kappe
und alles hat es verloren. Und die Knie haben ihm gezittert, und
die Zähne haben ihm geklappert, und gebetet hat es im Laufen
alles, was ihm eingefallen ist.
Und daheim hat das
Sebastiänchen alles der Mutter erzählt, und die hat die
Hände überm Kopf zusammengeschlagen und ist hingegangen
und hat es der Frau Schmitz erzählt, und die hat es jedem
erzählt, der ihr begegnet ist. So ist die Sache
herumgekommen, und das Sebastiänchen hat den Spott noch
obendrein gehabt.
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