- Die Wäscherin der
Sterbehemden ist nicht immer an der gleichen Stelle gewesen. So
kam es, dass viele Leute sie sahen. Am Ufer der Alzette hat sie
gewaschen und an dem der Rur und Warchenne. Es sind unzählige
Bäche und Wasserläufe in der Eifel und in den Ardennen,
an denen sie gewaschen hat.
-
- Von dem vielen, was von ihr
erzählt wird, möge hier nur das genannt sein, was der
Junker von Reuland erlebte. Denn er sah die Wäscherin wohl
deutlicher als alle die anderen, und es wurde dunkel um ihn, weil
er sie sah. Traurig wie der Junker von Reuland, sagten die Leute
damals, wenn sie von einem redeten, für dessen Schmerz es
keine Heilung gab.
-
- Es sei erzählt, was man
von des Junkers Geschichte weiß. Sein Vater war früh
verstorben, und der Sohn lebte in der Burg mit seiner Mutter und
verwaltete das Erbe des Vaters. Es wird erzählt, dass er
brav und fromm gewesen sei von seinen frühen Tagen an, aber
auch fröhlich und sorgenfrei, wie es seiner Jugend zukam.
-
- Das war alles so bis zu dem
Tage, als er die Wäscherin zum ersten Male sah. Er sah sie
damals an einem kleinen Teiche inmitten des Waldes gerade dort,
wo der Bach wieder aus einem Teiche austrat und zwischen moosigen
Steinen zu Tale ging. Und es war ein schwüler Abend gewesen.
Der Junker hatte auf den Bock gejagt, aber es war im Wald so
seltsam still, wie er es noch nie erlebt hatte. Die Vögel
schwiegen in den Zweigen, und das Wild mochte sich wohl in den
Dickungen niedergelassen haben. Es war nichts von ihm zu sehen.
Selbst die Fische im Teiche sprangen nicht, wie es doch sonst an
warmen Abenden geschah. Es war seltsam still.
-
- Der Junker hing die Büchse
über die Schulter und schob Pulverhorn und Jagdtasche zur
Seite und öffnete die Kleider weit über der Brust. So
unerträglich drückend war es. Und er warf sich am Rande
des Teiches ins hohe Gras und träumte. In weiter Ferne aber
begann es zu donnern, doch das Wetter zog nicht herüber. Die
Dämmerung kam, und die Bäume wurden wie Schatten. Da
schickte der Junker von Reuland sich an, heimzukehren. Aber als
er am Rande des Teiches dahinschritt, schlug ein lautes
Plätschern und Klatschen an sein Ohr, und er hörte eine
Frauenstimme, die sang, aber er verstand ihre Worte nicht. Das
Plätschern schallte von dem Bach herüber, der aus dem
Teiche floss, und der Junker wunderte sich, wer hier zu so später
Stunde in der Einsamkeit wasche. Er ging dem Plätschern und
Singen nach ohne Sorge und ohne einen andern Gedanken, als dass
es eine der Frauen des Dorfes sei.
-
Aber als er hinzukam, da kniete
am Rande des Baches auf dem Moos zwischen Farnen und Steinen eine
weißgekleidete Frau, die tauchte die schimmernden Hände
tief in die Wellen und bog sich hinab und wusch schneeweißes
Linnen. Während sie wusch, sang sie mit seltsam klagender
Stimme Worte und Reime wie aus alten Liedern, die das Herz des
Hörers mit leisem Finger anrühren, dass es traurig wird
und weiß nicht warum.
Und der Junker von Reuland ging
lautlos näher und lauschte und spähte, und es schlugen
Worte an sein Ohr, die sich tief in seine Seele eingruben:
- Walle Welle,
fröhliche Welle,
-
Trage talwärts der Sünden
Not!
Walle Welle, fröhliche Welle, Deiner Dienste
begehrt der Tod. Weiß das Linnen und weiß das
Leid, Dunkles Leiden mag niemand tragen. Walle Welle,
wasche mein Kleid! In wenig Tagen -
Wird es gebraucht mit Weinen
und Klagen,
Walle Welle, dann sei es bereit."
-
- Und der Junker von Reuland
starrte auf die Frau vor seinen Augen. Sein Fuß stockte,
und er wollte sie anrufen, aber seine Stimme gehorchte ihm nicht.
Und es war ein linnenes Hemd, wie ein Sterbehemd, das wusch die
einsame Frau. Dann klang ihre Stimme wieder:
-
- Weiß wie der
Schnee und nicht weiß genug,
Was auch dein armes
Herze trug, Weiß wie der Schnee und hell wie der
Tag, Was ich nicht länger waschen mag, Waschen
nur Tränen."
-
- Dann entrang sich dem Junker
lähmende Angst, die seine Zunge im Banne hielt und rief:
Wer bist du?" Die Wäscherin wandte sich zu ihm um
und nickte ihm zu, wie einem alten Freunde, und sah ihn an mit
Augen fern von Glück und Leid, dass es sich auf die Seele
des Junkers legte wie eine leise Hand. Er trat näher zu ihr
hin, da aber schwand die Gestalt vor ihm wie ein Gebilde aus
Nebel und stand am jenseitigen Ufer des Baches und hob die Arme,
wie mit flehentlicher Bitte.
-
Der Junker rief laut, das
Zittern seiner Stimme zu meistern: Wem gehört das
Sterbehemd?" Da aber ging es wie Windeshauch durch den Wald;
die Wipfel der Fichten bogen sich und die weiße Frau legte
die Hände auf ihre Brust und sprach: Dem Weib,
dem du das Liebste bist."
Der Junker von Reuland aber
meinte, keiner Frau Herz zu wissen, das für ihn schlug, und
er beachtete die Rede nicht. Aber ehe er wiederum fragen konnte,
zerrann die Gestalt der einsamen Wäscherin im dämmernden
Wald in Nichts.
Und er schritt heim in tiefem
Sinnen. Als er aber an das Tor der Burg gelangte, ging ein scheues
Flüstern unter den Leuten, wer ihm sagen sollte, dass zur
Stunde seine Mutter gestorben war, als er droben in den Bergen den
Worten der Wäscherin gelauscht hatte.
Von jenem Tage an war bei dem
von Reuland die Schwermut Hausgenossin geworden, und die ihn einst
gekannt hatten, erkannten ihn nicht wieder. Und seine Freunde
überredeten ihn doch, dass er sich eine neue Frau nahm. So
führte er denn ein Mädchen heim auf die Burg seiner
Ahnen, gut und schön und nur des einen Willens, ihm Liebes zu
tun.
Als aber die Stunde nicht mehr
ferne war, inder sie ein Kindleins gebären sollte, da war es,
dass die Wäscherin zum zweiten Male dem Junker von Reuland
erschien.
Es war nicht droben am Teich,
zu dem ihn sein Fuß nie wieder führte, es war in der
Tiefe in den Erlen, drunten zwischen Wiesen und Feldern. Es war
Vollmond, und der Junker kehrte spät heim und freute sich auf
die Heimkehr.
Und zwischen den Erlen am
Bachesrand klang ein Plätschern und Klatschen an sein Ohr
nicht anders als damals, und sein Herz stand still vor Grauen. Er
hörte die Worte und Reime der einsamen Wäscherin wieder
und schrie auf in grenzenloser Qual; denn eine Angst, der er
selbst nicht den Namen zu geben wagte, legte Hand auf sein Herz.
Das stand er vor der Wäscherin
am Ufer zwischen den Erlen, und seine Augen starrten auf das
Totenhemd, das sie wusch, und die Frage glitt von seinen Lippen
und wusste es kaum: Wem gehört das Sterbehemd?
Doch die Wäscherin sah ihn an mit Augen ohne Glück und
Leid, und er las die Antwort von ihren Lippen und stöhnte auf
wie ein weidwundes Tier.
- Dem Weib, dem du das
Liebste bist. Er stürmte heimwärts, dass die
Bauern, die ihn sahen, ihm erschrocken nachblickten. Als er am
Tor ankam, war allenthalben ein Weinen und Klagen, wo ihm der
älteste Diener Meldung machen wollte. Da sprach der Junker
von Reuland: Ich weiß es, mein Weib ist tot."
Und der Greis wischte sich die Augen und sprach: Herr, es
ist so, und ihr Kindlein hat sie mit sich genommen."
-
- Als der von Reuland Weib und
Kind zur ewigen Ruhe gebettet hatte, bestellte er sein Haus und
gab alle Weisung, wer verwalten solle, was er zurücklasse,
denn er wolle in ferne Lande gehen. Aber er ging erst noch auf
den Friedhof. wo seine Liebsten ruhten.
-
- Etliche Bauern die spät
abends erst ihr Heim erreichten, hörten später
wiederholt am Bache drunten ein seltsames Plätschern,
Klatschen und Singen. Als sie nähertraten, war es die
Wäscherin. Sie lauschten ihrem Singen mit Angst und Grauen,
keiner fragte, wem das Sterbehemd gehörte, das die einsame
Frau mit dem schimmernden Händen so sorgsam wusch.
|