- Petit Jean", der
Geiger aus Luxemburg, war der beliebteste Geiger auf allen
Kirmessen dort zu Lande. Und so kam es, dass er fast jeden
Sonntag auf dem Marsch war. Wer so viel herumkommt unter die
Leute, der kann auch viel erzählen. Aber eine Geschichte hat
er zeitlebens nicht gern erzählt. Wenn er's einmal tat, lief
ihm noch nachträglich ein Schauder den Rücken herunter
und seinen Zuhörern auch.
-
Einmal hatte Petit Jean"
in der Gegend von Diekirch sonntags bei einer Kirmes gespielt. Am
späten Abend brach er auf, um die Nacht durchzuwandern, um
am anderen Morgen zu Hause zu sein. Es war im Herbst, und die
Stürme hatten schon eingesetzt. Es pfiff und sauste um die
Landstrasse, als ob das wilde Heer los sei, und der kleine Geiger
schlug sich den Mantelkragen so hoch, wie's eben ging. Als er
aber so, die Geige in einem Sack unterm Arm, mit flatterndem
Mantel gegen den Sturm ankämpfte und auch noch der Regen
anfing, ins Gesicht zu schlagen, da hörte er dicht hinter
sich das Traben von vielen Pferden und das Rollen einer schweren
Reisekutsche, und eine Stimme schrie ihn an: He, Hallo,
Platz da!.
-
- Da sprang er im letzten
Augenblick auf die Seite, weil er fast unter die Gäule
gekommen wäre. Die Kutsche rollte vorbei, bespannt mit sechs
rabenschwarzen Pferden, vom Sattel aus von drei Kerlen in
rabenschwarzer Uniform gefahren. Am Fenster des prunkvollen
Reisewagens aber war das feine, blasse Gesicht eines noch jungen
Menschen zu sehen, das nach der Mode von einem schmalen,
schwarzen Bartstreifen umrahmt war. Der Geiger, der soviel gerade
im Licht des Mondes sehen konnte, zog seine Mütze und
ärgerte sich, dass der vornehme Herr ohne Laterne fahre und
arme Leute beinahe zu Tode bringe. Aber da klopfte der Fahrgast
heftig an die vordere Scheibe. Die drei Kerle riefen Halt!"
und hielten an. Ein Diener aber, der hinten aufgesessen und auch
in eine pechschwarze Uniform gekleidet war, sprang ab und fragte
an der Tür, was Seine Gnaden zu befehlen geruhten. Der
vornehme Reisende zeigte auf Petit Jean" und winkte,
und der wusste gar nicht wie ihm war, als er vor dem Herrn stand.
Dieser sprach ist er nicht der 'Petit Jean'? Zu
Dienen, Euer Hochwohlgeboren.. Hat er Lust, zehn
Taler zu verdienen?" Und ob, Euer Hochwohlgeboren."
Dann sitze er hinten auf neben dem Diener. Wir fahren auf
mein Schloss, da soll diese Nacht getanzt werden."
Vorwärts!"
-
- Ehe Petit Jean"
sich versah, saß er hinten auf der Kutsche neben dem
Diener, und vorwärts ging's durch die Sturmnacht wie der
Teufel.
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- Wohin es ging, das war dem
Geiger unklar. Er kannte jeden Weg in der Gegend; aber es war
ihm, als ob er diesen Weg zum
-
ersten Male sähe, und er
mochte in der Dunkelheit ganz und gar die Richtung verloren
haben. Zuerst ging's durchs freie Feld, aber bald kamen sie in
den Wald, und da hörte das Sehen überhaupt auf. Petit
Jean" wollte aber gar zu gern wissen, wer der Herr im Wagen
eigentlich war, und er fragte den Diener zaghaft danach. Der
knurrte aber nur eine kurze französische Antwort, von der
Petit Jean" nichts verstand als Graf ..."
Also ein Graf, dachte er, und er hat hierherum ein Schloss.
Merkwürdig, er kannte doch den ganzen Adel der Gegend. Aber
er meinte bei sich, der Graf werde ein Franzose sein, der eines
der Schlösser der Gegend erworben habe; denn der Österreich
treue Adel hatte vielfach Haus und Hof verlassen. Aber der Graf
kannte ihn doch, den Petit Jean", er verstand die
Sache nicht.
-
- Es dauerte nicht lange, da
schimmerte es durch die Stämme des Waldes wie von hundert
Lichtern, und im nächsten Augenblick bogen sie in scharfem
Trabe in eine kurze Allee uralter Bäume ein. Vor ihnen stieg
das Schloss mit erleuchteten Fenstern mächtig aus dem Dunkel
empor. Im Mondschein leuchteten die Weiher, die es umgaben.
silbern auf, als die Kutsche über die Brücke donnerte.
Wohl ein Dutzend Diener in schwarzer Uniform stürzte zum
Portal, die Tür wurde aufgerissen, und der Graf betrat
eilenden Fußes sein Schloss. Aber ehe er die Reihe der sich
tief verneigenden Dienerschaft durchschritten hatte, wandte er
sich um und winkte dem Geiger der auch von seinem Sitz
herabgeklettert war. Dann einige Worte an den Haushofmeister, und
dieser führte den ganz betäubten Petit Jean
eine Seitentreppe hinauf durch Gänge und Türen bis in
eine kleine Kammer, wo ein Tisch mit allerlei Speisen und Wein
gedeckt stand.
-
- Der Haushofmeister bedeutete
dem Geiger, sich daran gütlich zu tun, in einer halben
Stunde hole er ihn ab. Und Petit Jean" ließ sich
das nicht zweimal sagen. Er aß und trank und war so
hungrig, dass er nicht einmal das Tischgebet sprach und auch
vergaß, sich zu bekreuzigen. Während er aß,
rollte drunten ein Wagen nach dem andern vor, und es war ein
Laufen und Rennen und Plaudern und Lachen, dass es klar war, es
müsse eine große Gesellschaft sein. Petit Jean"
überlegte sich schon, welche Tänze er vor den vornehmen
Leuten spielen wolle, und holte seine Geige hervor und stimmte.
-
- Da kam aber auch schon der
Haushofmeister wieder und sprach: Es ist Zeit." Und er
öffnete eine kleine Türe, die führte zu einem
Balkon im großen Tanzsaal, der für die Musik bestimmt
war. Auf ihm aber war Platz für sicher fünfzig
Musikanten, so dass Petit Jean" ganz ängstlich
fragte, ob er allein denn für den großen Saal genüge.
Aber der Haushofmeister sagte nur: Es wird schon gehen."
-
Und es ging; denn als die
Herrschaften drunten eintraten und Petit Jean" den
Bogen zum Walzer ansetzte, da klang seine Geige, wie sie noch nie
geklungen hatte; es musste wohl an der Akustik liegen. Die Paare
drehten sich unten im Tanze und tanzten so anmutig und reizend,
dass Petit Jean" bei sich meinte, das sei etwas
anderes als eine Bauernkirmes. Und er geigte drauflos, dass ihm
der helle Schweiß auf der Stirne stand, und die da unten
tanzten, als ob das Atemholen abgeschafft wäre.
Aber als der kleine Geiger
besonders auf den Grafen achtete, der mit einer wunderschönen,
blassen Dame tanzte, und als er sich bemüht, das Tempo seines
Spiels dem Tanze jenes Paares anzupassen, da stockte ihm auf
einmal das Blut in den Adern. Der Boden des Tanzsaales wurde rot
und immer röter. Es war glühendes Eisen, auf dem die da
tanzten. Er sah die blassen Frauengesichter verzerrt in wachsender
Qual und bemerkte das grauenvolle Lächeln um die Lippen der
dunklen Tänzer, die ihre Opfer nicht mehr freiließen.
- Da riss sein Spiel mit einem
schrillen Missklang ab. Jesus Maria," schrie Petit
Jean , und ein Krach ertönte, als ob die der Wind auf einem
Erde bersten wolle. Um den Geiger sauste hoch der Wind auf einem
dürren Heidehügel, und er saß zusammengekauert
hoch oben auf einem gekreuzten Balken. Als der Mond einen
Lichtschein durch die jagenden Wolken warf, sah Petit
Jean", dass es ein alter, verwitterter Galgen war, auf dem
er saß.
-
- Wie er hinabgekommen ist, das
hat er nie erzählen können, denn er hat's nachher
selbst nicht gewusst. Nur dass er sich am Morgen mehr als drei
Tagereisen von seiner Heimatstadt wiederfand, das wusste er. Was
er in der Nacht erlebt hat, daran haben ihn die grauen Haare
erinnert, die er auf des Teufels Ballfest bekommen hatte.
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