Kriegsverse XIX
Von Max v. Mallinckrodt, Haus Broich, Kreis Euskirchen

Der Regenbogen

Aus des waltenden Herrschers
Urewigen Händen
Gleitet der Sturmwind;
In jauchzendem Lachen,
Froh seiner Freiheit,
Fährt er dahin.
Wild rast er um Dächer
Und rüttelt die Läden,
Daß ängstlich die Sterblichen
Scheu sich verbergen
Vor den Gewalten,
Die zu beherrschen,
So gern sie sich rühmen,
Erst nur dem spielenden
Knaben vergleichbar,
Werdende Kräfte
Zu prüfen, begierig,
Wirft er zu Boden
Altes und Morsches;
Übermütig in alle Lüfte
Streut er der Blätter
Totes Geschlecht.
Dann mit der rasenden
Wildheit des Mannes
Stürmt seine Bahn er
Und will Vernichtung
Und nur Vernichtung
Und wagt sich an Stärkstes
Und fordert sein Recht.
Mit eisigen Schauern
Peitscht er die Fluren,
Krachend zerbricht er
Ragende Kronen
Wie dürres Reisig
Und biegt der Fichten
Schwankende Wipfel
Drohend zur Erde
Vor seines Herrenzornes

Aber die Stunde
Kommt, da die Allmacht,
Die ihn geschaffen,
Wieder gebietet
Dem wütenden Toben.
Grollend gehorcht der
Länderverwüster.
Stöhnend läßt er, zögernd und traurig
Von seinem Raube,
Von seinem Recht.
Doch in den Wolken
Zeichnet des Schöpfers
Segnender Finger
Freundlich den Bogen:
„Eurer Hütten will ich nun schonen.
„Seht meines Willens
„Heiliges Zeichen!
„Ich will gedenken der alten Treue,
„Ich will gedenken des Bund's mit euch.“
Leuchtender hebt sich
Klarer der Bogen,
Sonnenstrahlen
Eilen zur Erde,
Trotzige Wolken
Flüchten nach Osten,
Und in den Tropfen
An jedem Zweige
Schimmert des Wunders
Farbiger Glanz.

Rührender Glaube
Träumender Vorzeit!
Kindlicher Menschen
Tiefstes Vertrauen!
Nicht in den Wolken,
Tief in den Herzen
Wollen wir dich
Gläubig erwarten.
Warten der Stunde,
Daß die Dämonen
Dunkler Zeiten
Von hinnen gehen.
Warten des Bogens,
Warten der Kunde:
„Eures Lebens
„Will ich nun schonen.
„Ich will gedenken der alten Treue,
„Ich will gedenken des Bund's mit euch.“




Entnommen: Eifelvereinsblatt 1916, Nr. 3, S. 34-35, Eifelverein Düren




Zurück zur Indexseite
Max von Mallinckrodt ©
© Copyright woengede