Kriegsverse XXI.
Von Max v. Mallinckrodt, Haus Broich, Kreis Euskirchen
Die Norne.
Frühlingslieder sangen und
sagten Seliger Kunde tiefstes Verstehen. Aus den Schatten
dunkler Gewalten Rang sich das Leben wieder zum Licht. In
die Tiefe tauchte die Hoffnung, Aus dem Dunkel des öden
Tages, Aus der Nächste schweigender Angst Floh sie
hinab auf Flügeln der Sehnsucht, Lernte vom Frühling,
von dem gewalt'gen Wiedererwecken, dem ururalten, Immer
neuen Wunder der Welt. Pforten erschlossen sich ihrem Bitten,
Quellen strömten ihr stürmisch entgegen, Wie im
Spiele wichen die Zweifel, Wichen die Schatten und wurden zu
nichts. Früchte reiften an kahlen Zweigen, Blumen
entsprossen der toten Erde, Unter des ewigen Schnitters Sense
Blühte ein neuer Frühling empor. - - - - - - - -
- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - Zweifel und immer
neue Zweifel Bietet der Norne welke Hand, Aber die
Hoffnung kränzt ihr mit Blüten Übermütig
das greise Haupt. Aus der stillen Werkstatt des Lebens Trug
empor sie sel'ge Gewißheit, Trug empor sie die
Frühlingskunde Von des Lebens ewigem Sein. - - - - -
- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - Schweige
du dunkle, drohende Norne, Irrtum ist nur dein letztes
Wissen, Künde vom fleißigen Schnitter nicht
mehr. Immer wieder regt sich das Leben, Unbesiegbar,
alles besiegend, Dunkle Norne, dein fleißiger
Schnitter Schwingt nur in fremdem Dienste die Sense,
Dunkle Norne, dein fleißiger Schnitter Ist
nur des siegenden Lebens Knecht. - - - - - - - - - - - -
- - - - - - - - - - - - - - - - - - Aber die Norne senkt den
grauen Scheitel tiefer und flüstert traurig: Alles
Werden und Wachsen und Blühen Sah ich seit
tausendmal tausend Jahren, Sah es vergehen und wieder
werden, Wie es die ewige Satzung befahl. Kränze
mit Blüten nur meinen Scheitel, Schütte mir
Früchte nur in den Schoß. Deiner Jugend kann
ich nicht zürnen, Darf ich nicht zürnen, denn
ich bin du. Blühende Hoffnung und dunkler Zweifel
Beide sind wir des Lebens Kinder, Beide sind
wir das Leben selbst. Blühende Hoffnung und dunkler
Zweifel Reichen sich ewig wieder die Hände, Alle
Lande des Lebens liegen Schwester ja zwischen dir und
mir.
|
|