Kriegsverse XXIV.
Von Max v. Mallinckrodt, Haus Broich, Kreis Euskirchen

Vermißt.

Ein Alter sprach zu mir: „Herr, sagt, wann ist
„Das Ding wohl aus?
„Heut Morgen ging's im Dorf von Haus zu Haus,
„Seit gestern wieder zwei von hier vermißt.
„Zwei junge Leute mit Weib und Kind.
„Weiß Gott, wo die nun sind!
„Wenn ich denke an siebzig und Königgrätz,
„Es war auch damals viel Herzeleid,
„Aber so nicht Herr, so nicht wie heut.“
Der Alte ging gebückt das Feld entlang.
Und vor dem Dorfe am Straßenrand
Saß ein blondes Kindchen und schwatzte und sang
Und hielt ein Sträußchen in der Hand.
Ob's einer jener Männer wohl geküßt,
Ans Herz gedrückt, hat als er Abschied nahm,
Als er zum letzten Mal auf Urlaub kam,
Von jenen einer, die man heut vermißt!
Vermißt! Daß heißt, sie fanden sich nicht ein;
Vermißt! O, das kann vieles sein.
Vielleicht gefangen, vielleicht nur versprengt.
Die Hoffnung an jedem Fädchen hängt.
Sie leben sicher, sie sind noch da,
Ob sie nicht ein Kamerad noch sah?
Es hat gewiß schon einer geschrieben,
Erzählt wie es da ging und stand,
Wie jene Beiden in Feindeshand
Gefangen blieben.
Und Tag wird Nacht und immer wieder Tag
Und keiner, der die Wahrheit sagen mag.
Und einer an der langen Reihe Schluß,
Ein letzter kommt doch, der sie sagen muß.
Wenn einst, wenn Frieden ist, sie heimwärts ziehn,
Die grauen Scharen sturm- und sonnenbraun,
Dann stehen arme, gramgebeugte Frau'n
Und warten, warten immer noch auf ihn.
Dann kommt die Stunde, dann fast nicht mehr schwer,
Und spricht: „Weib, geh nach Haus, er kommt nicht mehr“.




Entnommen: Eifelvereinsblatt 1916, Nr. 8, S. 116, Eifelverein Düren




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