Kriegsverse XXVII.
Von Max v. Mallinckrodt, Haus Broich, Kreis Euskirchen

Sie hadern und fragen
In währender Not:
Wo ist Gott?
Wo des Vaters allgütige Liebe,
Die überströmend unendliche?
Von der uns gelehrt ward seit Kindertagen,
Die Hiobsfrage, die ururalte,
Tausendfach eilt sie empor
Zum undurchdringlichen Himmel
Und verhallt ohne Antwort.
Und sät Verzweiflung
In die Herzen der Fragenden.
Trotzig wenden die Einen sich ab
Und sprechen:
Es gibt keinen Gott!
Und die Andern ringen
Mit dem Glauben der Kindheit:
Ich lasse dich nicht, du segnest mich denn!
- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -
Und es waltet über den Welten
Der Ratschluß des Richters,
Der Richter nicht ist nur
Dem Menschentreiben.
Dem des Wurmes Leiden
Auch Leiden bedeutet,
Dem Lust ist des taumelnden
Falters Freude *)
Keinen Herrn der Erde erkennt seine Sorge,
Jedem Geschöpfe der Gottheit gilt sie
Und rechtet **) nicht zwischen Kleinem und Kleinstem.
Aber über die Erdentage
Setzt sie als Ziel den Tag der Vollendung,
Von dem die Geschöpfe der Gnade nicht scheidet
Tod und Verderben.
- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -
Deine Augen, o Mensch, wie blind nur sind sie!
Tausendfältig verbirgt das Leben
Seine Wunder vor deinen Sinnen.
Hast auf mühseligem Pfade du
Ein Geheimnis entdeckt, so jubelst
Du wie ein Kind, das den Kern der Nuß
Von der Schale befreite .
Aber unendlich viel mehr noch wartet
Deiner Erkenntnis, und sterbend mußt du
Wiederum werden, der Gottheit Größe
Ganz zu erkennen.
- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -
Doch der Tränen schäme sich keiner
Und keiner schelte die tiefe Trauer,
Die heilige Dir!
Klein vor der Allmacht unendlichem Reichtum,
ist dir doch Größeres nicht gegeben,
Denn sie entstammt dem urewigen Willen,
Liebe zu geben und zu empfangen,
und ist ein Teil des göttlichen Willens,
Und ist ein Teil der sel'gen Verheißung,
Der Gottheit selbst.
Wie auch des Lebens Hand
Dich führt auf Erden,
Ein Herz, das Liebe fand,
Kann arm nie werden.
Hin über Raum und Zeit
Ein Zukunftträumen,
Ein Körnchen Ewigkeit,
Bereit, zu keimen.


*) Denn Luft ist ....?
**) richtet ... ?
Edition woenge.de 10.6.2009






Entnommen: Eifelvereinsblatt 1916, Nr. 11, S. 162-163, Eifelverein Düren




Zurück zur Indexseite
Max von Mallinckrodt ©
© Copyright woengede