Kriegsverse XXXII.
Von Max v. Mallinckrodt, Haus Broich bei Weingarten, Kreis Euskirchen

Freiheit.

Ururaltes zerschlagen wie Tand,
Kronen zertrümmern mit blutigen Händen.
Das soll ein Völkerschicksal wenden,
Das soll heilen ein wundes Land?

Wohl rufen sie Freiheit und bleiben doch Knechte,
In Ketten, sie selbst sei im Haß gefügt,
Ein neuer Despot nur erkämpft sich Rechte,
Bis er dem neusten Despoten erliegt.

Wohl rufen sie Freiheit, doch sie vergessen,
Nie wuchs sie aus wogendem Bruderstreit,
Nie hat der Lärm der Stunde besessen
Das Kleinod der stillen, schaffenden Zeit.

Nie winkte dem rasenden Aufwärtsstürmen
Das friedebringende, heilige Licht,
Und ob sie Ruinen zu Bergen türmen,
Sie finden den Weg zur Freiheit nicht.

Aber es lebt ein stilles Geschehen,
Das wandelt Felsen zu flüchtigem Sand.
Jahre kommen, Jahre vergehen,
Nie ruht die bildende, göttliche Hand.

Welten versinken und Träume zerrinnen,
Kaum mehr versteht der Enkel die Ahnen,
Längst ist Vollendung, was einst war Beginnen,
Längst zieht das Werden auf neuen Bahnen.

Tausend Gedanken wachsen und wandern,
Einer reicht scheidend dem andern die Hand,
Einer lehr und leitet den andern,
Alle umschließt ein einziges Band.

Tage kommen und Tage schwinden,
Nie geht das Wirken und Weben zur Ruh',
und unzählige Quellen winden
Sich dem unendlichen Meere zu.




Entnommen: Eifelvereinsblatt 1917, Nr. 4, S. 50, Eifelverein Düren




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