Kriegsverse XLVII.
Von Max v. Mallinckrodt, Haus Broich bei Weingarten, Kreis Euskirchen

Dienst.

Ein jeder dient, ein jeder front und baut,
Und du vermeinst des Schaffens Sinn zu nennen,
Sprichst du von Vaterland, von Glauben, Menschheit,
Vom eignen Wohl und von des Nächsten Glück.
Du könntest hundert Namen noch erfinden,
Und alle wären doch Erscheinungen
Des einen einz'gen riesenhaften Dienens,
Nur Teile jenes immer neuen Müssens,
Das aus dem scheuen, nackten Mann der Urzeit
Den Menschen schuf, der heute lebt und sinnt
Und wiederum aus ihm mit Götterhänden
Die Söhne einer spätern Zeit sich bildet.
Zahllose Sklaven dienen einem Ziel,
Das unerkennbar ist wie Himmelstiefen.
Sie türmen Stein auf Stein, jedoch das Haus,
Daran sie bau'n, sie werden's nicht bewohnen,
Und die dereinst in seinen Mauern sind,
Sie fronen so, wie ihre Ahnen fronten;
Vollendet sieht den Bau kein sterblich Auge.
Geschlechter gehn ins Grab, nie wird des Menschen
Bewußtsein widerspiegeln was er schuf,
Woran er unablässig sich gemüht.
Kein Tag, von dem die Menschheit sagen dürfte:
Das war ein Tag, der ew'ge Werte schuf,
Und dennoch schuf ein jeder ew'g Werte.
Aus jeden Tages Müh' keimt neues Streben,
Und jede Mühe trägt in ihrem Schoße
Schon einer neuen Mühe zarten Keim.
So gleicht die Menschheit einem blinden Knechte,
Der nur erkennt, was er betasten kann.
Was seine müden Hände nicht erreichen,
Bleibt Hoffnung ihm.
Sie aber sendet sehnsuchtsvoll er aus
Weit über Meer und Land wie jene Traube,
Daß sie ihm Trost, daß sie ihm Kunde bringe.
Doch kehrt sie nie zurück und wird zur Wahrheit,
Nie zur Erkenntnis dessen, das da kommt.
Doch hätte nicht der Mensch die will'ge Taube,
Hätt' er die immer rege Hoffnung nicht,
Verschränkte trotzig er die Arme längst
Den Dienst verweigernd, und Vernichtung wäre
Erlösung ihm.




Entnommen: Eifelvereinsblatt 1918, Nr. 7, S. 85, Eifelverein Düren




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