Wie die Euskirchener die Hardtburg eroberten

Noch keine fünf Jahr waren vergangen, seit unter der Geißel Ludwigs XIV. Unsere Gegend geblutet, da kehrten im Jahr 1702 die schrecklichen Tage des dritten französischen Raubkrieges am Rheine wieder. Karl II., König von Spanien und letzter Nachkomme des spanisch-österreichischen Hauses, war ohne Kinder gestorben. Der hierdurch erledigte Thron wurde nun bald der Gegenstand eines Krieges zwischen Frankreich und Oesterreich, der unter dem Namen des spanischen Erbfolgekrieges bekannt ist. Joseph Klemens, Kurfürst von Köln, hatte sich nebst seinem Bruder, dem Kurfürsten von Bayern, mit Frankreich verbündet und nun überschwemmte ein französisches Heer von 16000 Mann von neuem Jülich und Kurköln. Am 8. Oktober 1702, spät am Abend, drang der französische Oberst Lacroy mit etwa 500 Mann in die zum Jülichschen Territorium gehörige Stadt Euskirchen ein, ließ sofort alle Tor, Türme und Mauern besetzen und schlug auf den freien Plätzen sein Lager auf. Am andern Tage zwang er die Einwohner selbst Hand anzulegen bei der Zerstörung der Befestigungen und zog dann wieder ab. Als nun am 16. Nov. der Kommandant, Major von Dannenberg, die zerstörte Stadt betrat, befahl er sogleich, dieselbe wieder in Verteidigungszustand zu versetzen und zu dem Zwecke vornehmlich Pallisaden zu besorgen. Da aber die Stadt angeblich keine Wallungen besaß, um Holz für den Bau der Pallisaden zu bekommen, so kommandierte er die Bürger unter Aufsicht seiner Soldaten, in der benachbarten Hardt, die aber Eigentum des Erzstiftes Köln war, das nötige Holz auf Karren und Wagen zu holen. Am 17., 18. und 20. November geschah dies und jedesmal ging eine Eskorte von 10 bis 20 Dragonern mit. Hier aber im Gebiete des ihnen wegen seines Bündnisses mit dem raublustigen Ludwig XIV. verhaßten kölnischen Kurfürsten ließen die Jülichschen Untertanen, die Bürger von Euskirchen, ihren Unmut an dem Busche in freventlicher Weise los. Der Busch wurde gänzlich verdorben. Am dritten Tage des mutwilligen Treibens ließ der kurkölnische Amtmann Franz von Quentel, ungefähr 20 Pferde der Uebeltäter abspannen und auf die Hardtburg bringen. Am 23. November nahmen dann auf amtlichen Befehl hin Schultheiß Wilhelm Momeßheim, Matthias Eschweiler und Anton Viltz, Scheffen des Dingstuhls in Stotzheim des Amtes Hardt, mit Zuziehung des amtlichen Gerichtsschreibers Everhard Tils eine Aufstellung des von der Euskirchener Bürgerschaft verübten Schadens im Hardter Busch vor. Es fand sich, daß der Schaden an geraubten Bäumen auf rund 1890 Ruthen sich belaufe. Der Hergang der mutwilligen Tat teilte der Amtmann dem Kurfürsten von Köln sogleich mit unter Beilegung des gerichtlichen Attestes. Daraufhin erstattete das Erzstift durch den Dechanten und Kapitular Gerard Rensing dem Kurfürsten von der Pfalz über das Ereignis Bericht unterm 26. November 1702.

Die Bürger von Euskirchen ließen sich jedoch so leichten Kaufes ihre Pferde und ihre Karren vom Amtmann nicht wegnehmen. In der Frühe des 25. Oktober sprengte ein Dragoner von der Euskirchener Garnison vor das Tor der Hardtburg und verlangte die Herausgabe der weggenommenen Bauernpferde, widrigenfalls Gewalt gebraucht würde. Man antwortete ihm , daß solches auf Grund der Instruktion nicht erfolgen könne. Die Antwort war kaum gegeben, als an 50 Bauern sowie auch Dragoner vor der Burg erschienen. Mit Aexten und Gabeln bewaffnet rückten die Bauern mit den Dragonern gegen das Tor und bemächtigten sich desselben. Unter dem Rufe: Wo seid ihr, ihr Räuber und Diebe? Drangen sie mit Gewalt hinein. Nun ging ein wüstes Treiben los. Bald hier, bald dort schlugen sie mit Gabeln und Aexten einen kölnischen Mannen jämmerlich zu Boden. Der am gleichen morgen auf die Burg gekommene Gerichtsschreiber des Amtes entwich glücklicherweise mit dem Buschhüter Jakob den verzweifelten Streichen. Die Bauern nahmen ihre Pferde und Karren; auch Ketten und andere Sachen, die dem Jakob gehörten, nahmen sie weg. Unter großem Geschrei und Scheltworten gings dann wieder hinaus. Der Gerichtsschreiber teilte das Ereignis selbst dem Amtmann mit und schloß seinen Bericht mit den Worten: „Ew, gnaden werden wisse, waß bey dieser sachen weiters zu thuen, vmb somehr, indeme ich für die empfangene harte schläg der gabeln, so sehr scharff herangangen, ein vergnügen prätendire.“




Entnommen: Euskirchener Volksblatt vom 18. März 1950




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