Die letzte Eroberung der Hardtburg

Im Volksblatt-Verlag erschien ein kleines Büchlein unter dem Titel „Aus der Chronik der Gemeinde Stotzheim - die Ereignisse in den ersten Märztagen des Jahres 1950“, gesammelt und herausgegeben von F. Potthoff *). Es enthält spannende Berichte und tagebuch-artige Aufzeichnungen von Frauen, Mädchen und Männern, die jene schrecklichen Tage, als der Krieg für unsere Heimat zu Ende ging, in Stotzheim erlebten. Wir bringen heute einen Bericht des Försters Olberg zum Abdruck, der die Einnahme der Hardtburg durch die Amerikaner am 5. März 1945 schildert.


Jahrhundertelang Festung des mächtigen Kölne Kurfürsten. Stätte des hochnotpeinlichen Halsgerichts, war die Hardtburg in unseren Kindertagen ein beliebtes Ausflugsziel, um heute einsam und selten besucht, vom Wald umrauscht und von Sagen umsponnen, zu verwittern.

Bild: Dr. P.

Am Montag, dem 5. März, zogen kleiner Abteilungen von Landsern, aus Richtung Stotzheim kommend, durch den Hardtwald. Ein Trupp schob sich durch das Tor in den Burghof. Der Truppführer hatte einen Jagdhund bei sich, den ich bald als Eigentum des Gastwirts Feldgen aus Stotzheim erkannte. Ich behielt den Hund zurück, und die Landser zogen, nachdem sie sich ausgeruht und gestärkt hatten, ihren Weg, der am „Alten Weiher“ entlang führte, weiter. Aus Richtung Stotzheim und Roitzheim war auflebendes MG-Feuer gut bemerkbar. Heute also würde die Front über uns hinwegrollen. Zeitweise flaute der Donner der Geschütze ab, um nachher wieder anzuschwellen. Der Artilleriebeobachter zog über Stotzheim und dem Stadtwald langsamen Fluges seine Kreise. Vereinzelte Schüsse aus Panzergeschützen schlugen in den Wald. Da taucht auf der Lichtung vor der Burg ein Panzer auf. Ein kurzer Feuerstoß aus dem Busch veranlaßte ihn, sich wieder in Richtung Stotzheim zu bewegen. Ich weiß nun, was die Glocke geschlagen hat. Nirgendwo mehr ist ein deutscher Soldat zu sehen. Ich gehe mit dem Lehrling Johann Königsfeld und dem Jagdhunde in den Keller in Deckung. Die Artillerieschüsse tasten sich näher und näher an die Burg heran. Ich höre die Eisenstücke und Steine umherfliegen. Dann gibt es einen ohrenbetäubenden Krach, Steine prasseln durch den Kamin in den Keller, das Feuer des Bunkeröfchens spritzt umher, die Luft ist zum Ersticken. Das Jaulen des Hundes ist so stark, daß es mir fast weher tut als das Pfeifen und Krepieren der Granaten, die in die Burgmauern Löcher hineinreißen oder mit dumpfen Ton sich in den Schlamm des Burgweihers wühlen. Für Augenblicke gehe ich nach oben. Eine eben in den Burghof einschlagende Granate trifft den Jagdhund und reißt ihm ein Loch in den Hüftknochen. Im Keller mache ich den Qualen des Tieres ein Ende. Als es gegen die Morgendämmerung geht, hat das Feuer nachgelassen. Um meinen Geist in dieser Höllennacht mit etwas zu beschäftigen, hatte ich mit monotoner Gleichgültigkeit die Einschläge gezählt, es waren vierhundert. In der Frühe hörte ich Schritte im Hause und begab mich nach oben. Die an der Garderobe hängenden Sachen meiner Försteruniform veranlaßten die Amerikaner zu der immerhin berechtigten Behauptung: „Du bist deutscher Offizier!“ Ich wurde zu der dicken Eiche geführt, wo anscheinend über mein weiteres Schicksal verhandelt wurde. Nach geraumer Zeit wurde ich den Weg hinab nach Stotzheim in die Kirche eskortiert, aus der ich mit der Stotzheimer Bevölkerung gegen Mittag entlassen wurde. Die Schäden, die die Hardtburg, die ja ohnehin schon vorher als romantische Burgruine nur einen ideellen Wert hatte, erlitt, waren wieder zu heilen, wogegen der Wald schweren Schaden davontrug. In einigen Jahrzehnten wird der Schaden durch vermehrten Pappelanbau in etwa behoben sein.




Entnommen: Euskirchener Volksblatt vom 11. März 1950




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