Vom Voreifeler Weinbau in alter Zeit!
Auch ein Beitrag zur Wein-Werbe-Woche

Dieser Tage saßen einige treue Volksblattleser beim Patenwein. Da meinte einer von ihnen: „Wenn in der Zeit, als es um Goldschmieds Töchterlein ging, eine Patenweinwoche veranstaltet worden wäre, hätte die Mithauptstadt Euskirchen sich sicher des so viel gerühmten Zülpicher Weines angenommen“. Der Senior der Gesellschaft erwiderte darauf: „Das glaube ich nicht! Denn 1. war Zülpich damals mindestens so bedeutend, wenn nicht bedeutender als Euskirchen, und 2. wurde von unsern Altvordern doch selbst Wein gezogen. Ich erinnere mich noch, daß da, wo es jetzt „Am Bollwerk“ heißt, ein Weinberg war, den der Pütze Jakob versorgte“.

Der Mann hat Recht. Am Bollwerk und am Pützberg, in der Stadtgegend, zu der die Pützstraße führt, lagen die Weingärten der Stadt Euskirchen. Und es wurde lebhaft Wein getrunken in unserer Vaterstadt, namentlich wenn die hohen Herren vom Magistrat zusammenkamen. Peter Simons berichtet davon in „Aus Euskirchens alten Tagen“. Heimatbeilage des Euskirchener Volksblatt, Nr. 23, 1925 wie folgt:

„Nach jeder Sitzung, beim Abschluß eines Vertrages, bei Ablehnung der Stadtrechnung, Verpachtung der Akzisen, Gemeindegründe, Markt- und Wegegelder usw., nie durfte der perlende Reben- und der schäumende Gerstensaft fehlen. Wein war das am meisten begehrte Getränk; für einen guten Tropfen von Rhein, Mosel oder Nahe scheute der Rat kein Opfer, zumal in gesegneten Friedenszeiten, während die selbstgezogenen Marken von Bollwerk und Pützberg den weniger verwöhnten Gaumen vergönnt blieb“.

Simons gibt dann eine Anzahl Proben aus den Ratsprotokollen, aus denen ersichtlich ist, daß unsere Vorfahren einen anständigen Durst gehabt haben und tüchtige Weinkonsumenten waren. Nicht schön war es von ihnen, aber menschlich begreiflich, daß sie das eigene Gewächs minder hoch schützten als die edlen Gewächse von Rhein, Mosel und Nahe.

Damals wuchs in der ganzen Vordereifel noch viel Wein. Der verstorbene Professor Hürten aus Münstereifel hat darüber sehr eingehende Studien gemacht und deren Ergebnis vor einem Vierteljahrhundert veröffentlicht. Vor allen andern nannte er „das Dorf Weingarten, von Cesarius um 1122 in einem Güterverzeichnis der Abtei Prüm „wingarden“ genannt, am Fuße des schönen Hardtwaldes ... Hier und an den gegenüber liegenden Hängen lagen dereinst die Weingärten, nach denen das Dorf benannt ist. Im Jahre 893 gab es nämlich nach dem Prümer Güterverzeichnis in Weingarten zehn Hoflehen und einen Weinberg für neun Karren, Wiesen für sechs Karren, einen Wald für 20 Schweine und zwei Mühlen. Der Weinberg, der neuen Karren Wein lieferte, scheint uns groß zu sein im Verhältnis zu den Wiesen, die sechs Karren Heu brachten. Eine Karre Wein wird an anderer Stelle einem Fuder gleichgestellt“. Wenn der verehrte Pfarrherr von Kreuzweingarten, der ein eifriger Hüter alter Heimatkunde ist, am nordwestlichen Abhange der seinem idyllischen Pfarrort umschließenden Berge einen Weingarten angelegt hat, so ließt er damit also eine alte Tradition aufleben.

Professor Hürten fuhr dann fort: „Ein größerer Weinberg war vorhanden in dem nicht weit davon entfernten Dorfe Iversheim. Hier war ein Herrengut mit einem Weinertrag für 30 Karren. Der zu dem Gute gehörige Fronhof liegt noch heute mitten im Dorf und wird auch jetzt noch „Prümerhof“ genannt. In Iversheim gabs außerdem 27 Hoflehen. Jeder Dienstpflichtige hatte alljährlich 100 Pfähle für den Weinberg zu liefern, so daß alle Jahre 2700 Pfähle für die Ergänzung und Erneuerung der Weinpfähle zur Verfügung standen. Neben vielen anderen Verpflichtungen hatten die Lehnsleute auch den Weinberg zu bearbeiten, und zwar jährlich 24 Ruten, die Rute zu 15 Fuß. Auch mußte jeder zur Weinernte Handdienste leisten und jährlich eine Anfuhr nach Prüm besorgen „sei es von Getreide, sei es von Wein, und eine andere von der Ahr“. Alle diese Leistungen sind untrügliche Beweise für das Vorhandensein von Weinbergen nahe bei Münstereifel in uralter Zeit. - Doch auch an anderen Stellen des Kreises Rheinbach ist zu jener Zeit Wein gewachsen, zunächst in Rheinbach selbst. In „rembahc“ oder „renbahc“ (so im Verzeichnis!) waren 48 Hoflehen, von denen 18 das Heu, das Getreide und den Weinertrag sammelten. Dasselbe wird erwähnt von fünf Lehen in Münchhausen bei Meckenheim, ebenso von 44 Lehen in Hospelt, acht in Effelsberg. 31 in Vischel, 23 in Lind, sowie noch acht in Enzen, Kreis Euskirchen. Bei anderen in der Nähe von Münstereifel liegenden Ortschaften, die der Abtei Prüm dienstpflichtig waren, wird zwar in dem Güterverzeichnis von Weinbau nichts gesagt, doch ist das noch kein Beweis dafür, daß kein Wein dort gewachsen ist. Vielmehr lassen die in den Gemarkungen dieser Orte noch heutigen Tages vorkommenden Flurnamen „Wingert“ oder „in den Wingertsstöcken“ auf den früheren Weinbau schließen. Solche Dörfer sind Arloff, Kirspenich, Eicherscheid, Schönau u. a. In Satzvey gibts noch heute den Namen „Om Wönget“ und die Wirtschaft Hilger hieß noch vor 50 Jahren „Et Wenges“.

Karl Gissinger hat die Studien des Professors Hürten noch durch einige mit geschichtlichen Beweisen belegte Feststellungen über den Weinbau in unserer Gegend ergänzt. Demnach hat zu den Einkünften des Kollegiatstiftes zu Münstereifel auch der Ertrag eines Weinberges in Billig gehört. Um 1319 erwarb die Abtei Siegburg die Untervogtei des Dorfes Euenheim mit Wald und Weingärten. Unter den Stiftungsländereien des Pfarrers von Frauenberg befanden sich im Jahre 1467 „drei Viertel, das Weingarten zu sein pflegte“. Beim Einkommen des Pfarrers von Schwerfen wurde 1559 genannt: „An Wein 2 Ahmen hunschen Weines“. Bei der Heirat eines Herrn von Bourscheidt mit einem Freifräulein von Hompesch im Jahre 1727 brachte der Bräutigam ein Weingut zu Schwerfen mit in die Ehe. Im Weistum von Sinzenich vom Jahre 1571 wird ein Weinhaus erwähnt. Schließlich bringt Gissinger noch einen Urkundenbeweis über „drei Viertteil weingartz an der Bachpfortzena in der Stadt Zulch (Zülpich)“ und erinnert daran, daß folgende Flurnamen auf früher dort betriebenen Weinbau schließen lassen: In Nemmenich: Weingartsberg, in Lommersum: Weingartsbitze, in Erp: vorm Weingarten, in Ober-Elvenich: Weingartsberg, in Sinzenich: Weingartsgarten.

Zülpich hatte von jeher einen starken Weinbau. Das „Zülpicher Weingewachs“ wurde inbezug auf Steuern und Abgaben viel günstiger gestellt als fremde Weine. Im Jahre 1628 verfügte der Magistrat: „Weil der Wein nicht zeitig geworden, soll den Bierbrauern frei gestellt sein, das Bier über zwei Albus zu brauen“. Noch im Jahre 1836, also vor hundert Jahren, wurde in den Ratsbüchern verzeichnet: „Neuanlage der Weingärten um Zülpich. 3082 Stöcke“.

Professor Hürten besprach in seiner Arbeit auch die Qualität des in unserer Gegend gezogenen Weines. Er gab zu, daß der Moselwein aus dem jahre 900 dem Eifelwein desselben Jahrganges an Wohlgeschmack „über“ war, aber er wehrte sich dagegen, daß es ein „Dreimännerwein“ gewesen sei, bei dessen Genuß zwei Männer den dritten, der trinken sollte, festhalten mußten. Zwar mußten verschiedene Höfe Honig liefern, um den Wein zu versüßen, doch nur, weil Cesarius sagte, „wegen der Festlichkeiten, und der kranken Brüder und der hohen Gäste“.

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Der Weinbau ist aus unserer Gegen verschwunden. Wir haben die köstlichen Tropfen von Rhein und Mosel zur Verfügung. Im Besonderen als Patenwein vortreffliche Schweicher und Valwiger Gewächse. Hoffentlich haben wir in der Weinwoche bewiesen, daß uns wenigstens der Durst unserer Altvorderer geblieben ist, die den Wein als Gottesgabe wohl zu schätzen wußten. War das bisher nicht der Fall, so geben die beiden letzten Tage, heute und morgen, dazu noch ausreichend Gelegenheit.

Kilianus.







Entnommen: Euskirchener Volksblatt Nr. 225 vom 26. September 1936




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