Friedrich Deml:
Der Maler und das Meer


Aloys Henn-Verlag, Ratingen
1940. 43 S., geb. Mk. 1,40.

Caspar David Friedrich war Maler der Landschaft, die bei ihm ein Doppeltes ist: Natur und Vision zugleich. Seine Kunst stößt ins Unendliche vor, in jene unfaßbaren Gefilde, wo Natur und sich begegnen und durchringen. Auf seinen Bildern lastet die Schwermut der höchsten Tragik, die Stille der Einsamkeit Gottes, die Dämmerung des tiefsten Geheimnisses. So erhebt er die Landschaft ins Mythische; sie geht durch seine Seele, ehe sie Gestalt annimmt.

Diese in ihrem tiefsten Grunde germanisch-nordische Seelenhaltung Friedrichs wird in Demls Novelle mit starker Kraft bildhaft gemacht. Meer und Hochgebirge sind die großen Formen der Natur, die bei Friedrich stets wiederkehren. Aus dem Gebirge zurückkehrend, findet er am Gestade des unendlichen Meeres wieder heim zur Natur, die er bisher außer sich gestellt hatte als eine Schau, und es ist meisterhaft geschildert, wie er sie wieder in sich hineinreißt, wie sie in seiner Seele geschmolzen und umgestaltet, erhoben wird in die Sphäre des Unendlichen. Doppeltes Sinnbild wird das heimkehrende Schiff: gestaltet zum Bild von visionärer Wucht, hineingezogen in den Kreis jener geheimnisvollen Strahlungen, vor denen die Zeit still steht. Mit bewundernswürdiger Einfühlung in die verborgensten seelischen Regungen dieser Künstlerseele wird hier Wandlung und künstlerische Schöpfung zum Erlebnis. Diese Novelle erschüttert, weil sie verborgenste seelische Gründe aufreißt und das zu deuten vermag, was eigentlich unsagbar ist.

Auch die zweite Novelle des Bandes, „Das Opfer“ betitelt, ist aus dem Vermögen Demls, auch das Ungreifbare, Vergehende der menschlichen Seele sinnfällig zu machen, gestaltet und verrät ebenfalls ein starkes Können.

Heinrich Gasch




Entnommen: Euskirchener Volksblatt vom 5. Oktober 1940




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