„Der Mai ist gekommen“
Er kam mit Maibräuten, Fremdenverkehr, Männer- und Nachtigallengesang

Euskirchen. Sagen Sie selbst - war dieser 1. Mai nicht ein „entzückender“ Tag? Er war so absolut termingerecht, Punktum mit dem ersten „Maiglöckchenschlag“ begann jenes Wetter, das man mit Maiwetter bezeichnet. Es begann aber noch viel mehr: die Mailieben, das Entzücken junger Mädchen über den Maibaum und der süße Gesang der Nachtigallen, die wie bestellt, bereits am Vorabend anfingen zu singen.

Wer nicht schon am frühen Morgen „Stadtflucht“ beginn, der erlebte in Euskirchen am Morgen das Maiständchen der Feuerwehrkapelle (“Heverein“) unter Leitung von Sebastian Lambertz. Gegen Mittag schwoll der Strom der Fahrzeuge in Richtung Eifel noch mehr an. Selbst der Stadtwald wurde von Autofahrern als Rastplatz erwählt.

Münstereifel erlebte eine „schwarze Invasion“, Neger, die wie übermütige Kinder Autos anhielten und Händchen gaben, die sich in weißen Strohhütchen vor der alten Stiftskirche fotografieren ließen und alles in der alten Stadt „very nice“ fanden.

Es war, wo man hinfuhr, wirklich alles eitel Freude und Sonnenschein. Einzig die Gastwirte waren, anfänglich begeistert vom schönen Wetter, um die Nachmittagsstunden dem Nervenzusammenbruch nahe. Wo man auch einkehren mochte, die Massen, die um Plätze anstanden, konnten bei dem unerwarteten Ansturm nicht so schnell bedient werden, wie sie gerne wollten. So entwickelte sich in manchen kleineren Gaststätten an diesem Nachmittag eine Art Selbstbedienung. Aeltere Herren holten sich ihr Bier, und Damen in neuen Frühjahrskleidern stöckelten mit Kaffee und Kuchen, beladen ihren Plätzen zu. Den Gästen machte es geradezu Spaß, einmal „Ober“ zu spielen, und der Ober goß die Gläser für seine „Aushilfskollegen“ besonders voll.


Besonders schöne Maibäume fanden sich dieses Jahr in Kreuzweingarten, die Zeugnis geben für ein fest im Volk verwurzeltes Brauchtum, das hoffentlich niemals stirbt. Fotos: Elbern


An der Steinbachtalsperre herrschte Hochbetrieb. Die Kennzeichen der Autos verrieten, daß dieses schöne Fleckchen Erde weit über den Kreis Euskirchen hinaus seine Anziehungskraft ausübt. Die Optimisten hatten bereits ihre Bademoden mitgebracht. Doch die Badeanstalt hatte ihre Pforten noch nicht geschlossen, außerdem wäre zwar die Außentemperatur, aber nicht die Wassertemperatur ausreichend gewesen.

Die Heimkehrer vom frohen Tag erwarteten allenthalben im Euskirchener Land die ersten Maiandachten, wobei die Muttergottes in diesem Jahr wieder einmal auf die Flieder-Maiblumen verzichten mußte, weil das große Blühen sich verspätet hat. Besonders schöner Tagesausklang war danach das Maiansingen im Schillerpark, das der MGV „Sängerkreis“ unter Chordirektor Hansen seinen Zuhörern bot. Ein echtes Stücklein „Mairomantik,: während man im Park „lustwandelte“, während ganz leise irgendwo eine Nachtigall sich scheu bemühte, mit dem Chor zu wetteifern und während der Mond aufzog, sangen die Männer die Mailieder - lieblich war die Maiennacht!

Nach diesem wundervollen Tag, der einen allzu langen Winter zu beenden schien, war die Sommerhoffnung in allen Herzen. Finden Sie nicht auch: „... nun muß sich alles, alles wenden“!? (=kurz militärisch: Kehrt!) R.V.



Artikel-Sammlung Heinrich Veith Kreuzweingarten
Quelle: Kölnische Rundschau vom 3. Mai 1958 *)

*) Anmerkung: Leider fehlen bei manchen Artikeln der Sammlung Heinrich Veith oftmals Quellenangabe und Erscheinungsdatum.
Die fehlenden Werte wurden so gut es ging, nachgearbeitet.
Für Irrtümer wird auf eine spätere Nachbesserung verwiesen; ggf. um Korrekturangaben gebeten.

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