Bei Prommetaat und Moreflaadem „Lüf on Siel“
Mundarbeitskreis tagte hundertmal, dann war das neue Wörterbuch der „Antweiler Senke“ endlich fertig

Lessenich/Kreuzweingarten. „Dat sen de Richtije, die beim Aise schweeste on bei de Ärebet vriere (vrüüse)“ lautet eine Lebensweisheit in der Mundart der „Antweiler Senke“ (Raum Lessenich, Rißdorf, Wachendorf, Kreuzweingarten). Übersetzt heißt das nichts Anderes als „Das sind die Richtigen, die beim Essen schwitzen und bei der Arbeit frieren“.

Nun: Bei „Prommetaat“ (Pflaumenkuchen) und „Moorefladem“ (Möhrenkuchen) wurde zwar nicht geschwitzt, obwohl es reich gedeckten Kaffeetisch gab, als der Arbeitskreis Mundart, initiiert von Änne Geusen (Lessenich) und pädagogisch betreut von Hermann Josef Kesternich (Kreuzweingarten) jetzt in Lessenich sein Mundartwörterbuch und –lesebuch unter dem Titel „Liif on Siel“ (Leib und Seele) vorstellte, das vom Verein der Geschichts- und Heimatfreunde Euskirchen herausgegeben und als Jahresschrift allen Mitgliedern zugestellt wird. Eine begrenzte Auflage wird auch im Buchhandel (ab Mittwoch) erhältlich sein.


Hermann Josef Kesternich (l.) erläuterte den Gästen, welche Kriterien bei der Erstellung des Buches relevant waren. Man sprach nicht nur von Prommetaat, es gab auch welche. Fotos: Heup

Dr. Reinold Weitz, Vorsitzender des Vereins der Geschichts- und Heimatfreunde Euskirchen, stellte die Bedeutung des Buches heraus. Rund 3500 mundartliche Ausdrücke wurden gesammelt. Wesentlichstes Ziel war, die Worte in den Sinnbereich des Alltagslebens einzuordnen.

Geradezu erstaunlich ist die Vielfalt der Ausdrücke, die beispielsweise die Verhaltensweise oder körperliche Merkmale des Menschen betreffen.

„Mundart wird gern gehört“, sagt Dr. Weitz, aber es gebe kaum noch kompetente Mundartsprecher. Für Dr. Georg Cornelissen vom Amt für rheinische Landeskunde heißt Mundart (oder Platt) keineswegs eine Entfernung vom Hochdeutschen.

Das Buch „Liif on Siel“ sei ungewöhnlich, es sei Wortdokumentation und informatives Lesebuch zugleich.

Dr. Weitz wünscht sich für dieses 180 seiten dickes Buch den „neugierigen Lesen“, der wieder (oder neu) entdeckt, daß mundartliches Sprechen keine verkürzte Schriftsprache ist, sondern die kleine Welt des Alltags deftig, bildstark und direkt einfängt. Und: Das Buch könne dazu beitragen, die Heimat auch als sprachliches Zuhause zu verstehen.


Änni Geusen war die eigentliche Initiatorin des Arbeitskreises für Mundart in Lessenich.

Vor drei Jahren hatte Änni Geusen, die sich sehr um die Mundart ihrer Heimat kümmert, erstmals Kontakt mit den „Mundarthütern“ beim Amt für rheinische Landeskunde. Sie wurde dort zu einer Sammlung mundartlicher Ausdrücke und Worte animiert. Schnell hatte sie weitere Interessenten zusammen. Und schließlich stieß auch Hermann Josef Kesternich dazu, der als Lehrer an der Realschule in Euskirchen ohnehin für sein Mundart-Engagement bekannt ist.

Man bildete einen regelrechten Arbeitskreis, der sich in den dann folgenden drei Jahren hundertmal traf. Das waren neben Kesternich und Änni Geusen noch Adolf Bohnen, Jakob Bohnen, Josef Lützeler (alle Kreuzweingarten), Meta Jansen (Wachendorf), Elisabeth Klose, Margarete Lorre, Willi Lorre, Elfriede Meurer, Hubert Meurer, Margarete Nolden, Anna Vlatten, Aloysia Wolfgarten (alle Lessenich), Gertrud Zinken, Peter Zinken (beide Rißdorf).

Egal, ob nun jemand „Knööf op de Oore“ hat oder „loof me net öme en de Häästere“ ruft, ob „et Pömpche net mii wel“ oder jemand sich „die Bloos verkelt“ hat, alles wurde gesammelt.

Wer nun genau wissen will, weshalb die „Pänts Kadangks vüem Leare han“, aber vielleicht kein Platt beherrscht, der kann das lernen, denn auf den ersten Seiten des Buches gibt es quasi Nachhilfeunterricht, der sich auch auf die Rheinische Dokumenta bezieht, die Lautschrift für rheinische Mundarten.

Der Arbeitskreis um Änni Geusen hat aber noch weiteres getan, nämlich Kurzgeschichten in Mundart verfaßt, die sich mit Festen und dörflichen Begebenheiten befassen. Und abschließend folgt dann eine große Sammlung von Redensarten und Lebensweisheiten in Platt.

Einige Kostproben: „Wea dat jlööf on se Bät vekööf, schlööf op Schtrüü“ oder „Vom Jäve wit me säälich, äve ärem“ - was soviel heißt wie „Wer das glaubt und sein Bett verkauft, schläft auf „Stroh“ und „Vom Geben wird mal selig, aber arm“.



Artikel-Sammlung Heinrich Veith Kreuzweingarten
Quelle: Kölner Stadt-Anzeiger vom 31.5.89

*) Anmerkung: Leider fehlen bei manchen Artikeln der Sammlung Heinrich Veith oftmals Quellenangabe und Erscheinungsdatum.
Die fehlenden Werte wurden so gut es ging, nachgearbeitet.
Für Irrtümer wird auf eine spätere Nachbesserung verwiesen; ggf. um Korrekturangaben gebeten.

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