Das geschulte Gehör ist sein Handwerkszeug Nummer eins
Glockensachverständiger Gerhard Hoffs betreut insgesamt 2000 Geläute mit rund 8000 Glocken
Von Dirk Becker

Kreis Euskirchen/Köln. Wenngleich sie für den größten Teil der Bevölkerung in den meisten Fällen nicht sichtbar sind, so können sie jedoch jeden Tag akustisch wahrgenommen werden. Gemeint sind die zahlreichen in den Kirchentürmen hängenden Glocken. Teilweise vor Jahrzehnten oder gar Jahrhunderten in den Glockentürmen aufgehangen, bleiben sie zwar den Blicken der meisten Menschen für immer verborgen, haben aber doch für die Christenheit gerade zum bevorstehenden Weihnachtsfest große Bedeutung als christliches Symbol, ökumenisches Zeichen und Universalinstrument christlicher Botschaft.

Einer der wenigen Menschen, die mit diesen wertvollen Zeugnissen der Geschichte und jahrhundertealter christlicher Tradition sehr oft in Berührung kommen ist der Glockensachverständige Gerhard Hoffs. Der Kölner zählt damit zu dem kleinen Kreis derer, die sich von berufswegen oder nebenamtlich mit Glocken befassen und deren Eigenschaften umfassend beurteilen können. Etwa 40 Sachverständige sind in der Bundesrepublik entweder für die 22 Bistümer der katholischen Kirche oder die 17 evangelischen Landeskirchen tätig.


Mit Hilfe einer Barthelmeschen Spezialstimmgabel stellt der Glockensachverständige Gerhard Hoffs den Klangaufbau der Glocke fest.
Fotos: Decker



Sachverständiger auch für den Glockenbau

Gerhard Hoffs, der nach dem zweiten Weltkrieg mit seinen Eltern für einige Jahre in Euskirchen wohnte, betreut als einziger neben der Erzdiözese Köln auch die Bistümer Aachen und Essen. Dies entspricht der Anzahl von 2000 Geläuten mit rund 8000 Glocken. Aufgrund der Menge der Geläute und der Größe der Bistümer ist der Kölner sehr oft und lange unterwegs.

Die Arbeit des 57jährigen Hoffs ist recht umfassend. So gehört nicht nur die klangliche Beurteilung der Glocke hinsichtlich der Reinheit des Schlagtons, des führenden und beherrschenden Tons im Glockenklang sowie der Nebenschlagtöne zu seinen Aufgaben, sondern auch die Begutachtung der technischen Ausführungen des Glockengießers, also des Gusses. Sollte sich eine Kirchengemeinde entschlossen haben, ein Geläut neu zu beschaffen, wird der Rat eines Glockensachverständigen ebenso herangezogen wie bei der Ergänzung eines Glocken-Altbestandes. Somit zählt auch die Erarbeitung von Gutachten in Zusammenarbeit mit allen beteiligten Seiten zu den Arbeiten des Glockensachverständigen. Dies sind im Fall von Hoffs das erzbischöfliche Bauamt, das rheinische Amt für Denkmalpflege (sofern es sich um die Restaurierung von Denkmalglocken handelt), die Kirchengemeinde, der Architekt, der Statiker, der Glockengießer und die Läutemaschinenfirma.

Hat der Glockensachverständige anhand einer gutachtlichen Stellungnahme das Geläute disponiert - dabei spielen neben der Tonhöhe und der Anschlagfrequenz auch der Durchmesser und das Gewicht der Glocke eine Rolle - unterbreiten die Firmen ihre Angebote und die Kirchengemeinde sowie Generalvikariat beschließen die Anschaffung.


Neben dem Phonmeßgerät, den Spezialstimmgabeln und dem Holzhammer, um sie anzuschlagen, gehört auch ein Taster zum Feststellen der Schlagringstärke zum Handwerkszeug Hoffs.

Nach Fertigstellung einer Glocke erfolgt dann durch den Glockensachverständigen eine erste Geläuteprobe noch in der Werkstatt des Glockengießers. Nach einer ersten Überprüfung rein durch das Gehör - alle Glockensachverständigen zeichnen sich durch ein außerordentlich geschultes Gehör aus - wird die Glocke mit Hilfe der Barthelmeschen Stimmgabeln, dies sind insgesamt neun Spezialstimmgabeln, auf das Gehörte hin analysiert. Diese erste Geläuteprobe erlaubt auch noch Korrekturen.

Stimmt die Innenharmonie der Glocke, so wird sie zur Glockenweihe freigegeben. Sollte der Glockenguß allerdings mißlungen sein, muß er wiederholt werden. Damit die Glockenprüfung durch den Glockensachverständigen nicht subjektiv und willkürlich erfolgen kann, erarbeitete der Beratungsausschuß für das deutsche Glockenwesen 1951 die „Limburger Richtlinien“. Anhand dieser Richtlinien vollziehen die Glockensachverständigen die klangliche Beurteilung neuer Glocken. Seit ihrer Veröffentlichung haben sich die „Limburger Richtlinien“ in der Praxis bewährt; ihre strengen Anforderungen und die Anstrengungen der Glockengießer hatten zur Folge, daß die Kunst des Glockengusses in Deutschland einen seit dem Mittelalter nicht mehr gekannten hohen Stand erreichte.

Der gelungene Guß der Glocke ist allerdings nicht alleine maßgebend für einen guten Klang. Eine Menge zusätzlicher Faktoren sind für die letztendliche Beurteilung eines Geläutes vonnöten. So müssen neben neuen, veränderten Bauweisen und neuen Baustoffen, statischen und dynamischen Fragen auch die Konstruktion des Glockenstuhls, der aus Gründen des besseren Klangs und einer historisch angepassten Bauweise aus Holz bestehen sollte, beachtet werden. Gleichzeitig ist auch für eine umfassende Beurteilung die Beschaffenheit der Armaturen, wie Lager, Joch, Klöppelform und –aufhängung zu berücksichtigen. Damit die Glocken vom Turm her gut klingen und abstrahlen, ist die Anordnung der Schall-Läden in der Glockenstube als Resonanzraum von großer Bedeutung. Ebenso sind entsprechende Decken über und unter dem Geläut entscheidend. Immissionsschutzgesetzte besagen zudem, daß die umgebende Landschaft nicht zu laut beschallt werden darf.

Deswegen stimmen die Glockensachverständigen das sorgfältige Zusammenspiel mehrerer Glocken eines Geläutes schon bei der Planung aufeinander ab. Dabei ist auch die Angleichung an jegliche benachbarte Geläute ein wichtiger zu beachtender Aspekt. In dieser Hinsicht spricht sich Hoffs auch mit seinem für das Geläut der evangelischen Kirchen zuständigen Kollegen, dem Glockensachverständigen der rheinischen Landeskirche, Ulrich Winkler, ab. „Wiederholungen sollen vermieden werden, damit eine unterschiedliche Glockenlandschaft entsteht“, beschreibt der Kölner Glockensachverständige dieses Anliegen.

Hoffs übernahm das Amt des Glockensachverständigen als nebenberufliche Tätigkeit 1976 von dem im Juli 1980 verstorbenen bekannten Euskirchener Musikdirektor Jakob Schaeben. Nachdem Hoffs schon von 1971 bis 1973 von Schaeben eingearbeitet worden war, hatte er unter dessen Aufsicht bereits ab 1973 erste selbständige Arbeiten in den Glockentürmen vorgenommen. Seit 1979 übt er Glockensachverständigertätigkeit auf vertraglicher Basis mit den Bistümern aus.

Schaeben, der in der ganzen Bundesrepublik den Ruf einer Kapazität als Glockensachverständiger genoß und zu den wenigen Menschen zählte, die das „absolute Gehör“ besitzen, hatte Hoffs, den er Anfang der 50er Jahre in Klavier und Harmonielehre unterrichtet hatte, zur Übernahme dieser Aufgabe angehalten. „Zuerst glaubte ich, diese Aufgabe nicht erfüllen zu können“, beschreibt der Glockensachverständige seine anfänglichen Zweifel, doch schon seit längerem zählt der selber zu den Kapazitäten auf diesem Gebiet.


Die Phonmessung vor dem Kirchturm gehört mit zu den Aufgaben des Glockensachverständigen.

Der gute Ruf Hoffs als Kapazität im Glockenwesen geht auch weit über die Landesgrenzen hinaus. So gab er schon gutachtliche Stellungnahmen für Türme und Geläute von Kirchen in Bolivien, Argentinien, Nigeria und für eine koptische Kirche in Ägypten ab. Ebenso prüfte der durch zahlreiche Rundfunk- und Fernsehauftritte bekannte Kölner auch die Glocken des liturgischen Institutes von Peter Goldmann in Tokio. Für die griechisch-orthodoxe Metropolie in Bonn-Beuel disponierte Hoffs das Geläut ebenfalls. Im Kreis Euskirchen war der Glockensachverständige in der letzen Zeit in der Michaelskapelle in Mahlberg, den Kirchen in Kreuzweingarten, Eschweiler, Iversheim, Eicherscheid sowie in der Jesuitenkirche in Bad Münstereifel tätig.

„Der Bestand an Denkmalglocken im Kreis Euskirchen kann sich sehen lassen“, bemerkt Hoffs, wenngleich er die Vervollständigung der hiesigen Glockenlandschaft noch in diesem Jahrhundert bezweifelt. „Die Schäden, die die beiden Weltkriege durch die Konfiskation der Glocken hinterlassen haben, sind einfach zu groß“, stellt er fest. In diesem Zusammenhang sieht der Kölner auch auf die Kirchengemeinden des Kreises große Probleme zukommen. „In vielen Türmen hängen Glocken aus den Ostgebieten, die als Leihglocken den hiesigen Kirchengemeinden zur Verfügung gestellt wurden; diese gehen eines Tages an die ursprünglichen Kirchen zurück, dann werden für die hiesigen Kirchen neue Bronzeglocken vonnöten“, beschreibt Hoffs das Problem.

Im Hauptberuf ist Hoffs Kirchenmusiker

Auch in seinem Hauptberuf befaßt sich Hoffs mit der Musik. Nachdem er schon im Kreis Euskirchen, in Roitzheim, und in Hürth-Kendenich als Kirchenmusiker tätig war, verrichtet er diese Tätigkeit nun bereits seit 28 Jahren an der Kirche St. Quirinus in Köln-Mauenheim. Zum hauptberuflichen Kirchenmusiker ausgebildet wurde der Kölner am Gregoriushaus in Aachen und an der staatlichen Hochschule in Köln. Wie sein bekannter Vorgänger Schaeben, der eine der umfassendsten Darstellung der Glockenlandschaft des ehemaligen Landkreises Euskirchen herausgegeben hat, hat auch Hoffs schon zwei Bücher geschrieben, die eine genaue Abhandlung über die Glockenmusik katholischer Kirchen Kölns beziehungsweise Düsseldorf darstellen. Seit rund vier Jahren ist die Kompetenz Hoffs auch an den Hochschulen gefragt. So unterrichtet er als Fachreferent an den staatlichen Hochschulen sowie diversen Musikschulen.



Artikel-Sammlung Heinrich Veith Kreuzweingarten
Quelle:Kölnische Rundschau (?) vom 23.12.1988 *)

*) Anmerkung: Leider fehlen bei manchen Artikeln der Sammlung Heinrich Veith oftmals Quellenangabe und Erscheinungsdatum.
Die fehlenden Werte wurden so gut es ging, nachgearbeitet.
Für Irrtümer wird auf eine spätere Nachbesserung verwiesen; ggf. um Korrekturangaben gebeten.

Zeitungsartikel ab 1955 - Sammlung Heinrich Veith

© Copyright woenge.de 2010
Zur Startseite woenge.de