Maßarbeit mit Fingerspitzengefühl
In Millimeterarbeit wurden die Glocken in den Turm der Kreuzweingartener Pfarrkirche gehoben
Von Dirk Becker

Kreuzweingarten. Äußerstes Fingerspitzengefühl bewies am Dienstagmorgen Kranführer Wolfgang Fisch, als es galt die Friedens- und die Engelglocke in den Kirchturm der Kreuzweingartener Pfarrkirche zu verfrachten. Die beiden vor kurzem durch Weihbischof Dr. Josef Plöger geweihten Glocken (wir berichteten) mußten durch ein etwa zwei mal zweit Meter großes Loch des Turmhelmes der Heilig Kreuz Kirche in den Glockenstuhl gehoben werden.

Da die Kirche am Rande des Münsterberges liegt und der fahrbare 60 Tonnen-Kran nicht unmittelbar neben dem Gotteshaus aufgestellt werden konnte, erwies sich das Aufhängen der Glocken als nicht so einfach. Das große Gefährt mußte daher unterhalb der Kirche, an der wuchtigen rund acht Meter hohen Friedhofsmauer, auf der Antweiler Straße Stellung beziehen. Schon hier verlangte das Ausfahren des Teleskoparms des Krans aufgrund der Enge der Straße die ganze Aufmerksamkeit des Kranführers. Nur Zentimeter fehlten zur Dachrinne eines der umliegenden Häuser.


Pfarrer Dr. Dr. Irrgang (2.v.r.), Architekt Karl-Josef Ernst (rechts) sowie die beiden Mablion-Mitarbeiter Edmund Schneider (links) und Peter Kramp begutachten die Friedensglocke.

Über Sprechfunk von den im Turm stehenden Mitarbeitern der Glockengießerei Mabilon aus Saarburg, die auch für das Aufhängen der Glocken zuständig waren, angewiesen, fuhr Kranführer Fisch den Teleskoparm des Krans auf 35 Meter aus. Anschließend näherte er sich Zentimeter für Zentimeter mit der Glocke am Kranseil dem vier Quadratmeter großen Loch im Turmhelm des 36 Meter hohen Turmes. Auf einem am Turm angebrachten Gerüst und im Glockenstuhl stehend machten sich nun die drei Mitarbeiter der Glockengießerfirma an die Arbeit. Mit mehreren Seilzügen hoben sie erst die größere Friedensglocke in das Turminnere. Nachdem die 680 Kilogramm schwere Glocke auf Balken abgestellt worden war, folgte in erneutem Durchgang die kleinere, 240 Kilogramm schwere Engelglocke.

Beide Glocken nahmen dank der umsichtigen Arbeitsweise des Kranführers und der Mitarbeiter der Glockengießerei keinen Schaden. Wenn für Kranführer Fisch an diesem Punkt die Arbeit beendet war, so fing sie für die Mabilon-Mitarbeiter erst an. Als erstes galt es für Peter Kramp, Alfons Kuborn und Edmund Schneider die Glockenstühle für die beiden Glocken zu bauen. Für die Arbeiter war es dabei selbstverständlich, Eichenholz zu verwenden. „Eine Glocke ist wie ein Musikinstrument, je mehr Holz verwendet wird, desto besser klingt es“, begründete Peter Kramp diese Maßnahme.

Eine Verwendung von Eisen statt Holz für den Glockenstuhlbau wies Kramp im Sinne des besseren Klangbildes sowie einer stilechten und historisch angepassten Bauweise weit von sich. Gleichzeitig mußten die Arbeiter den Glockenstuhl so erstellen, daß er dem dreifachen Gewicht der jeweiligen Glocke, sobald diese in Schwingungen versetzt wird, standhält.

Bevor die Glocken jedoch im Kreuzweingartener Kirchturm aufgehangen werden konnten um ihrer Bestimmung nachzugehen, mußte zumindest die ältere Friedensglocke, die 1649 aus Anlaß des westfälischen Friedens gegossen worden war, eine bewegte Geschichte über sich ergehen lassen (wir berichteten). Durch einen Sturz vom Köln-Poller Kirchturm, in den sie während des Zweiten Weltkrieges gebracht worden war, schwer beschädigt, wurde sie schon mehrfach repariert. Während die ersten Reparaturversuche, direkt nachdem die Glocke nach Kreuzweingarten zurückgeholt worden war, noch recht behelfsmäßig waren und auch ein Versuch, die Glocke zu schweißen Anfang der 60er Jahre scheiterte, gelang es erst der in Nördlingen beheimateten Firma Lachenmeyer in einem sehr aufwendigen Verfahren die Glocke zu restaurieren.


35 Meter mußte der Teleskoparm des Krans ausgefahren werden, um die zwei Glocken in den Turm der Kreuzweingartener Kirche zu heben.

Dabei wurde die Friedensglocke zweimal bis kurz vor Einleitung des Schmelzprozesses erhitzt, um die Risse und Beschädigungen an der Glocke endgültig beseitigen zu können. „Der alte Riß ist nicht mehr zu sehen“, zeigte sich Kreuzweingartens Pfarrer Dr. Dr. Peter Irrgang von einer gelungenen Reparatur zuversichtlich. Endgültige Klarheit über das Klangbild der insgesamt fünf Glocken der Pfarrkirche wird sich erst am kommenden Montag ergeben, wenn die Glocken erstmalig alle fünf zusammen geläutet werden.

Auf alle Fälle wird die Kirche über ein Geläute verfügen, welches in der Erzdiözese und darüber hinaus in der rheinischen Glockenlandschaft nicht noch ein zweites Mal vorhanden ist. Das Geläute wird nach dem Kirchenlied „Freu dich, erlöste Christenheit“ benannt, da die Tonfolge der Glocken unter anderem das Anspielen dieses Liedes ermöglicht.



Artikel-Sammlung Heinrich Veith Kreuzweingarten
Quelle: Kölnische Rundschau vom 17.12.1988

Zeitungsartikel ab 1955 - Sammlung Heinrich Veith

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