Et Keldenicher Kapellche






„Droben stehet die Kapelle, schauet still ins Tal hinab!“ So singen wir im Lied und so hatte Josef Barth, von 1864 bis 1886 Pastor in Keldenich und Erbauer der Kapelle, sich das auch vorgestellt.

Auf einer hochliegenden Heidefläche in Richtung Sötenich sollte sie stehen. Aber der Kulturkampf war noch nicht zu Ende und daher das Verhältnis von Staat zur Kirche nicht das Beste. Die Behörde drohte mit der Polizei. Obwohl die Keldenicher mit dem Bau schon begonnen hatten und einige Unkosten entstanden waren, wurde die Aktion gestoppt. Pastor Josef Barth war gezwungen, sich nach einem neuen Standort umzusehen.

Diesen fand er unterhalb von Keldenich in Richtung Kall-Heistert. Das alles ist nun schon weit über 100 Jahre her, also Anlaß genug, etwas in der Geschichte zu kramen. Dabei kann ich in vielen Dingen auf die Pfarrchronik zurückgreifen.

Der eigentliche Anlaß zum Bau von Bildstöcken und Kapellen liegt meistens im Dunkeln. Oft ist es ein Gelübde, das ein einzelner oder eine Gemeinde abgelegt hat. Vielleicht war es im Falle der Keldenicher Kapelle auch so. Eine große Rolle hat aber sicher auch die, nach der Marienerscheinung in Lourdes im Jahre 1858, zunehmende Marienverehrung gespielt.

Nun zum Bau und zur Einweihung der Kapelle ein kurzer Ausschnitt aus der Chronik: „Kapelle am Heisterter Weg betreffend: Im Sommer dieses Jahres 1884 wurde die kapelle gelegen in der Nähe des Heisterter Weges, erbaut. Sie ist der Allerseligsten Jungfrau und Mutter von der immerwährenden Hilfe geweiht. Eingesegnet habe ich sie selber unter sehr großer Beteiligung am 29. Aug. 1884. Bei dieser Gelegenheit habe ich daselbst den Kreuzweg errichtet, wozu mir unter dem 10. August von seiten der geistlichen Behörde die Ermächtigung erteilt worden war. Die Kapelle ist mein Eigentum. Grund und Boden, worauf sie errichtet, habe ich von Witwe Kühl hierselbst gekauft und auch die erforderlichen Baugelder beschafft.“


Ergänzungsfoto woenge.de vom 1. November 2010

Dechant Wolfgarten, de von 1891 bis 1931 Pastor in Keldenich war, hat viel getan, um die damals kleine Kapelle, die feucht war und gar nicht nach einem kirchlichen Haus aussah, in den jetzigen Zustand zu versetzen. Von weitem war nicht zu erkennen, daß man eine Kapelle vor sich hatte. Deshalb ließ er 1892 einen Weg anlagen bis hin zu Kall-Keldenicher Straße.

54 Lindenbäume wurden in Form einer Allee angepflanzt. Das geschah ohne große Unkosten, denn 54 Keldenicher Familien erklärten sich bereit, für einen Baum die Patenschaft zu übernehmen. Jeder Baum kostete 2 Mark. Die Löcher wurden ausgehoben und in einigen Fällen, so wird berichtet, mußte sogar gesprengt werden. Guter Boden wurde angefahren und die Bäume jeden 2. Tag mit Wasser versorgt, das ganze trockene Frühjahr hindurch bis zum Anwachsen.

Nun ab es noch keine Wasserleitung und der nächste Brunnen, der Dronkespötz, war ein gutes Stück entfernt. Aber die Keldenicher nahmen diese Mühe gerne auf sich. Wer ließ sich schon nachsagen, daß sein Baum nicht angewachsen sei. Also klapperten abends, nachdem die Arbeit in Haus und Hof getan war, die Zinkeimer in Richtung Kapellchen. Für die jungen Leute,die auch mal gern unter sich waren, wurde es meistens ein bißchen später. Sie nutzen die Gelegenheit und schlugen zwei Fliegen mit einer Klappe. Na ja, es war ja für einen guten Zweck.

1895 bis 96 wurde die Kapelle erweitert. Hierzu ein Ausschnitt aus der Chronik: „Als die Feuchtigkeit der Kapellenmauer ein Verweilen in der Kapelle etwas verleidete, wurden im Jahre 1895 bis 98 die Mauern der Kapelle bis zum Chörchen beinah bis auf den Boden niedergerissen und durch Asphaltschichten gegen die Feuchtigkeit beim Wiederaufrichten geschützt. Durch die Verlängerung von 1,5 Metern erhielt die Kapelle nun ein kirchliches Aussehen. Die Unkosten waren allerdings ungemein groß: Neuer Dachstuhl, neues Schieferdach statt des früheren, bereits durchlöcherten Zinkdaches, neue Fenster, neue Tür, neues Mosaikbild über dem Eingang. Das alles verursachte mit den neuen 8 Stationsbildern circa 2.800 Mark Unkosten.“

Im Jahre 1909 wurde das Chörchen von einem Grottenbauer in eine Lourdesgrotte umgeändert. Auch die Statue wurde in Lourdes gekauft, dort gesegnet und am Feste Maria Verkündigung im Jahre 1910 in einer Prozession mit großer Feierlichkeit in die Kapelle überführt. Seit Errichtung der Kapelle ziehen die Keldenicher jedes Jahr am 1. Mai, Kirmessonntag und früher, bei guter Witterung, auch auf Kinderkommunion in einer Prozession dorthin.

Aber auch das ganze Jahr hindurch ist sie Anziehungspunkt für viele Beter. Der alte Lehrer Josef Gertz erwähnt in seinen Aufzeichnungen über Keldenich oft die Lourdeskapelle und daß außer den Prozessionen auch immer wieder kleine Gruppen den Weg zur Kapelle fänden, besonders in Notzeiten, z.B. während des 1. Weltkrieges.

Während des 2. Weltkrieges, so weiß man ja noch aus Erfahrung, war es ähnlich. In solchen Zeiten hat die Kapelle sicher mehr Besucher gesehen als heute manche Kirche. Nun spielte die Religion und vor allem die Verehrung der Heiligen früher im Leben der Menschen eine größere Rolle als es heute der Fall sit.

Eine kluge Frau hatte dafür eine einfache Erklärung. Sie sagte: „Der moderne Mensch glaubt, er braucht die Heiligen nicht mehr, weil er sich für und gegen alles versichern lassen kann.“ Demnach sind die Versicherungen heute ein Ersatz für die Heiligen.

Das Keldenicher Kapellchen gehört nicht zu den klassisch sakralen Bauten. Dank der guten Pflege, die es in all den Jahren bis heute erfahren hat, ist es ein sauberer, würdiger Raum, der zum Beten einlädt.


Grafik Bernd Kehren Keldenich

Der 2. Weltkrieg ging auch hier nicht vorbei, ohne Schaden anzurichten. Das Dach mußte repariert werden und die bleiverglasten Fenster wurden notdürftig ausgebessert und 1951 durch neue ersetzt.

Durch Sprengungen in der nahen Kiesgrube entstand einige Jahre später noch mal ein Schaden. Hierzu kamen in den 70er Jahren einige mutwillige Zerstörungen. Die Notdurft wurde hier verrichtet, die Wände beschmiert, ein Feuer entfacht, Fenster eingeschlagen und die Türe zerkratzt. Dies nicht nur einmal, so daß die Leute, die immer wieder für Ordnung sorgten, die Welt nicht mehr verstanden.

1983 wurden die der Zerstörung bisher entkommenen Stationsbilder entfernt, von Frau Hecker gesäubert, restauriert und in der Pfarrkirche aufgehängt. An ihrer Stelle hängte man Kopien, die 1993 auch gestohlen wurden. Der Opferstock existiert heute nicht mehr. Schon manch einer hat in der jüngeren Vergangenheit mit dem Inhalt versucht, sein Taschengeld aufzubessern. Auch das Weihwasserkesselchen hat einem Antiquitätenliebhaber gerade noch in der Sammlung gefehlt.

Das alle hätte in das Weltbild eines Josef Barth und Dechant Wolfgarten nicht hineingepaßt. Ein Glück, daß sie es nicht mehr zu erleben brauchten. Dechant Wolfgarten, den die älteren Keldenicher noch persönlich gekannt und von dem die jüngeren zumindest schon gehört haben, war ein großer Marienverehrer. Er band die Marienkapelle mit in die Fronleichnamsprozesion ein und jedes Mädchen, das zu seiner Zeit getauft wurde, bekam als Zweitnamen den Namen Maria.

Für die Keldenicher war das Kapellchen immer ein beliebtes, gern verehrtes Heiligtum. Viele kennen noch einiges aus seiner Geschichte, sei es aus der Schulzeit, von Erzählungen oder aus dem Bericht, den Herr Hecker vor einigen Jahren aus Anlaß des hundertjährigen Jubiläums veröffentlichte.

Ich möchte das alles noch mal auffrischen und denke dabei ganz besonders an die Neukeldenicher und an die vielen Besucher aus den Nachbarorten, die öfter oder regelmäßig den Weg in die Kapelle finden. Ich denke, es werden von Jahr zu Jahr mehr. Diesen Eindruck hat man jedenfalls, wenn man im Herbst die Prozessionen ansieht, die zu den großen Wallfahrtsorten pilgern.

Ob die Versicherungen doch nicht der richtige Ersatz für die Heiligen sind? Wer nun aus irgendwelchen Gründen die großen Wallfahrten nicht mitmachen kann, wer von den Heiligen nicht viel hält, auch wenn der Heilige Christopherus im Auto hängt, oder wer in den Keller geht zum Beten, weil er sich in der Öffentlichkeit geniert, dem sei gesagt, daß das Keldenicher Kapellchen immer offen ist und daß man ohne Voranmeldung dorthin kommen kann.



Entnommen: Ehe die Erinnerungen verblaßt sind Teil 2, von Josef Hermes, Keldenich Oktober 2000
Grafik: Bernd Kehren Keldenich
Ergänzungsfotos woenge.de vom 1. November 2010





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