Martinszug in Kreuzweingarten




Kreuzweingarten, 11. Nov. Auch in diesem Jahre wollte unsere Schule das Fest des Heiligen, dessen das heimische Volkstum sich schon seit alter Zeit bemächtigt hatte, nicht ungefeiert vorüber gehen lassen. Am Vorabend des Namenstages von St. Martin versammelten sich die Kinder mit ihren, teilweise sehr geschmackvollen Fackeln auf dem Schulhofe, um das alte, liebe Kinderfest zu begehen. Nachdem der Zug durch die Mithilfe der Lehrpersonen und der freiwilligen Feuerwehr seine Aufstellung genommen hatte, setzte er sich gegen 6 Uhr in Bewegung. Ihm voran ritt St. Martin, in prachtvolles römisches Soldatenkostüm gekleidet. In froher Begeisterung sang unsere Jugend die eifrig geübten St. Martinslieder, begleitet von der Mandolinenkapelle von Weingarten-Rheder. Vielumjubelt wurde der Gänsewagen, behütet von der getreuen Gänseliesel. Auch die Straßenanwohner ließen es sich nicht nehmen, durch prachtvolle Beleuchtung ihrer Häuser zur fröhlichen Stimmung der Jugend beizutragen. Einen Glanzpunkt in der Beleuchtung bot die Illumination der Pfarrkirche und der Kapelle von Rheder. Beim Verlassen dieses Dorfes flammte das in der Dorfgemarkung bereitgehaltene Martinsfeuer auf. Nachdem der Zug des in allen Farben strahlende Landhaus des Herr Fabrikanten Becker umzogen und seinem Besitzer, auch einem echten Freunde unseres Festzuges, eine kleine Ehrung dargebracht hatte, führte St. Martin seine treue Gefolgschaft durch Kreuzweingarten zum Münsterberge. Im Dorfe ließ St. Martin die Kinderschar vor dem Pfarrhause Aufstellung nehmen, um dort durch Absingen schöner, alter Martinslieder unsern Pfarrherrn, der, wie ja bekannt, in der Pflege und Förderung heimischer Geschichte einen guten Namen hat, zu begrüßen und zu ehren. Sichtlich bewegt dankte er für diesen Gruß aus Kindermund. Auf dem Münsterberge, auf weithin sichtbarem Punkte, brannte ein gewaltiges Martinsfeuer. Dort nahm St. Martin Aufstellung. Singend zogen die Kinder an ihm vorbei, um ihm ihre Huldigung darzubringen. Als der Zug sich dem Dorfe wieder zuwandte, erstrahlte auf dem Burgberg das Kreuz in bengalischer Beleuchtung. In Jubel brachen unsere Kleinen aus, als von dieser Berghöhe prachtvoll sich entfaltende Raketen den dunklen Abendhimmel durchfuhren. Sie wandten ihre Augen von diesem nächtlichen Schauspiel erst ab, als der Martinszug am Jugendheim angelangt war. Die Freude der Kinder sollte hier ihren Höhepunkt erreichen. Strahlenden Auges wurde die von der Gemeinde in anerkennenswerter Weise gestifteten Wecken in Empfang genommen. Auch das Preisrichterkollegium hatte hier seines, in diesem Jahre besonders schweren Amtes zu walten. Galt es doch, unter all den schönen Fackeln zehn herauszusuchen, die mit einem Preise ausgezeichnet werden sollten. So verrauschte das Kinderfest. Aber auch die erwachsenen Pfarreingesessenen sollten zu ihrer Freude kommen. Im Gasthofe Dederichs waren bald alle Zimmer dicht gefüllt und erwarteten spannend den Gang der Verlosung von Martinsgänsen und anderen Ueberraschungen. In seiner Ansprache an die Versammlung dankte Herr Lehrer Lagier allen denen, die zum Gelingen dieses wahren Dorffamilienfestes beigetragen hatten. Er wünschte, daß das Gefühl der Zusammengehörigkeit, der Volksverbundenheit, welches sich so schön gezeigt hatte, dieses Fest überdauern möge, zum Segen der Gemeinde, unserer Heimat und des deutschen Vaterlandes.


Entnommen: Euskirchener Volksblatt Nr. 265 vom 15. November 1927




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