„Jerusalem





Anzeige Euskirchener Volksblatt vom 9. April 1924

Jugendheim der Pfarrer Kreuz-Weingarten
Freitag, den 11. April, Beginn 7 Uhr,
Sonntag, den 13. April, Beginn 6 Uhr
Wiederholung von „Jerusalem“,
Passionsdrama in 6 Akten und 7 lebenden Bildern
von Heinrich Houben.
Kinder zahlen Freitag ermäßigte Preise.
Der Vorstand der Mar. Jünglings-Kongregation

Artikelbeitrag Euskirchener Volksblatt:

„Jerusalem“
Ein neues Passionsspiel von Heinrich Houben.
Zur Aufführung in Kreuz-Weingarten.

Oberammergau und sein Passionsspiel sind weltbekannt. Wer das Glück gehabt hat, daselbst das ergreifende aller Weltgeschehnisse, die große Versöhnungstat des Erlösers der Menschen auf Golgatha in lebendiger Veranschaulichung in die Seele aufzunehmen, wird den Eindruck zeitlebens nicht mehr vergessen. Juden und Freigeister haben anbetend das Haupt vor dem Gottmenschen geneigt. Heilige Tränen sind geflossen aus den Augen treuer Freude des Göttlichen Mittlers, um das Blut und den Geifer abzuwaschen, mit dem die Sünden der Menschen sein anbetungswürdiges Antlitz besudelt hatten. Aber wie mancher der davon gehört hat, muß den Wunsch still im Herzen beschließen. Kein Wunder, daß man das überweltliche, über Raum und Zeit erhobene Geschehen auch anderwärts herzustellen versuchte. So gerade in diesen Tagen, wo in der Festhalle des Messegebäudes Köln-Deutz die große Freiburger Volkspassion von 600 Darstellern gegeben wird. Aber der große Apparat tut's nicht. Es ist vor allem ein tief gläubiger Sinn, heilige Ehrfurcht vor dem Geheimnisse, glühende Begeisterung und selbstlose Hingabe für Christus bei den Spielern und ein gleichgestimmtes Publikum - und das kann sich in der kleinsten Pfarrgemeinde finden, eher finden oft, als auch dem großen Welttheater.

Was ist es, war dem neuen Leidensdrama von Heinrich Houben - Jerusalem, ein Passionsspiel in 6 Akten und 6 Bildern - seine innere Berechtigung und große Bedeutung verleiht. Es ist aus der nämlichen Grundstimmung geschaffen; demütige Erkenntnis menschlicher Unzulänglichkeit gegenüber dem gewaltigen Stoße, keuscher Zurückhaltung, tiefer Scheu etwas zu wagen, was denselben irgendwie herabsetzen könnte. Darüber spricht der Verfasser sich im Vorwort eingehend aus. Bereits am Karfreitag 1919 hatte er den ersten Versuch eines Passionsdramas, das er seinem mit Beifall aufgenommenen in 10. Auflage vorliegenden Weihnachtsspieles „Bethlehem“ folgen lassen wollte, abgeschlossen, aber unter dem allgewaltigen Eindrucke von Oberammergau im Herbste des Jahres wieder beiseite gelegt. Er glaubte die Übersetzung von der Unmöglichkeit einer würdigen Darstellung der Christusrolle auf der Vereins-Dilettantenbühne gewonnen zu haben, obwohl er in jenem ersten Versuche auch die Person Christi nicht weiter tätig eingeführt hatte, als die Handlung unumgänglicher forderte und ihr nur die Worte in den mund gelegt hatte, die nach der Aufzeichnungen der Evangelisten wirklich gesprochen wurden. 12 Jahre lang ruhte das Werk in seinem Schreibtisch. „Bis endlich die Kriegsfolgezeit mit ihren Erschütterungen und traurigen Begleiterscheinungen aller Art mir dasselbe von neuem ins Gedächtnis rief. Mehr und mehr beschäftigte mich der Gedanke, ob nicht trotz allem ein Werk wie dieses dennoch denkbar, seine Aufführung dennoch möglich, zeitgemäß und fruchtbringend sein könnte“. So brachte ein sicheres Taktgefühl den Dichter schließlich dazu den Weg zu finden, nachdem auch nach unserer Meinung es allein möglich ist, die Passion der bessern Vereinsbühne zugänglich zu machen, nämlich die Beschränkung der Christusdarstellung auf sorgfältig ausgewählte und vorbereitete lebende Bilder. Das 100fache betätigte Gestaltungsvermögen des ungemein fruchtbaren Bühnendichters hat dafür gesorgt, daß dadurch der dramatische Fluß der Entwicklung nicht zerrissen wird. Jene Szenen, die nicht in der Handlung gegeben sind, werden durch ergreifende Berichte von Augenzeugen so plastisch vor die Seele des Zuschauers geführt, daß dieser nicht weniger gepackt und erschüttert wird. Ein besonderer Vorzug der Komposition liegt sodann darin, daß der Autor uns die weitesten Ausblicke eröffnet, in der er die ganz Handlung aufbaut, auch der welt- und heilsgeschichtlichen Tatsache der Verwahrung des Messias vor seinem Volke, der Bekehrung des römischen Heidentums und der dadurch bedingte Auserwählung Roms vom Mittelpunkt des Reiches Christi, welches als die Weltbeherrschende Macht der Zukunft am Horizonte aufsteigt.

Daß der Wurf gelungen ist und das ein Passionsspiel ernste Beachtung verdient, beweist der schöne Erfolg, der die erste Aufführung desselben am letzten Sonntag im Jugendheim zu Kreuz-Weingarten brachte. Die an großen historischen Stoffen trefflich geschulte Spielerschar der Marianischen Jünglingskongregation, unterstützt von befreundeten Kräften aus der Pfarrgmeinde, hat es in langem mühevollen Ringen mit der gewaltigen Aufgabe verstanden, auch der dekorativ gut angepaßten Bühne eine tiefe nachhaltige Wirkung hervorzubringen, vor allem darum, weil die Grundbedingung tief gläubiger Hingabe bei Spielern und Publikum in gleichem Maße vorhanden war. Sie bekundete sich nicht in lautem Beifall, den hatten sich die Spieler von vornherein verbeten, wohl aber in nie beobachteter lautloser Ergriffenheit, höchster Spannung, herzlicher Rührung, die sich zum Schlusse in einem machtvollen, gemeinsam gesungenen „Wir sind im wahren Christentum“ auslöste. Denn Er war Gott und Er ist unser, das war die frohe Zuversicht, die ein jeder mit nach Hause nahm.

Jahrhunderte alte und auch fast vergessene Überlieferungen, die sich aber in dem schönen Namen Kreuz-Weingarten verdichtet haben, hat die Jungmannschaft der Pfarrgemeinde in ihrem Passionsspiel wieder aufleben lassen. Wovon uns vergilbte Blätter melden, wovon uns hier und da noch halbverklungene kunde zugetragen wird, wovon die altersgraue, so malerisch über dem Orte gelegene, die ehrwürdige einstige Wallfahrtskirche noch immer träumt, von Tagen, wo an den Fastenfreitagen Scharen andächtiger Pilger von Nah und Fern, ja stundenweit zur Verehrung des heiligen Kreuzes auf dem Kalvarienberge bei Weingarten zusammenströmten, um sich dort neuen Mut und Gotteskraft zu holen, wo insbesondere das Fest des heiligen Kreuzes und er schmerzhaften Mutter unter freudiger Anteilnahme der ganzen Umgegend gefeiert wurde. Seit 1922 ist die Gemeinde mit der Restauration der Kirche des hl. Kreuzes beschäftigt, für sie hat die jugend der Pfarrgemeinde den Reinertrag des Passionsspieles bestimmt, und wird jede Gabe dankbar entgegengenommen: aber das ist nicht das einzige nicht einmal als Hauptwirkung der Passionstage von Kreuz-Weingarten beabsichtigt, wenn das Spiel am Schmerzensfreitag und am Palmsonntag (siehe Anzeige) wiederholt stattfindet. Was wir alle brauchen heute wie je, ist etwas was uns empor, was uns höher hebt, was uns aus dem Alltag befreit und uns dem ganzen Jammer und Elend unserer Zustände. Das kann aber nur sein unsere Erneuerung in Christus. An seinem Leiden, an seinen Lehren und an seinem Beispiel wollen wir unsere kleinmütigen Ansichten und unsern Geist mit dem seinen durchtränken, mit dem Geist der Demut, der Liebe, der Selbstopferung, um teilzunehmen an der Erlösungsgnade, die leidend und sterbend er uns erworben . Das soll die schöne, die große, die wahrhaft beglückende Wirkung einer Passions-Wallfahrt nach Kreuz-Weingarten sein.




Entnommen: Euskirchener Volksblatt vom 9. April 1924




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