Kreuzweingartener Bräuche

Von Dr. Gabriele Rünger


Bräuche und Gebräuche sind und vor allem waren wichtige gesellschaftliche Umgangsformen; sie verbinden einerseits die Menschen einer Dorfgemeinschaft miteinander, andererseits geben sie auch Umgangsformen und Lebensregeln für den Alltag an. Sie sind Ausdruck der Geselligkeit oder der Gemeinsamkeit oder auch nur Formen des alltäglichen Lebens.

Bräuche und Gebräuche ändern sich so, wie unsere Gesellschaft sich verändert. Manche Traditionen sind heute überholt und von den technischen Modernisierungen überrannt worden. Andere werden seit Jahrhunderten gepflegt, auch wenn sie zum Teil ihre ursprüngliche Bedeutung verloren haben.

Durch die Mobilität der Gesellschaft haben sich Bräuche aus unterschiedlichen Regionen vermischt, sowie die Menschen unterschiedlicher Regionen sich verbanden. Es gibt heute Bräuche, die wir uns nicht mehr wegdenken mögen, die wir für traditionell halten, die aber vor einigen Jahrzehnten in unserer Gegend noch unbekannt waren.


Fähndelschwenken vor dem Pfarrhaus (Repro)


Karnevalsumzug 1954 (Repro)


Es ist unmöglich an dieser Stelle ein vollständiges Bild aller Sitten und Bräuche im Dorf aufzuzeichnen. Ihre Anzahl ist einfach zu groß. Man kann für jeden Festtag, für kirchliche und weltliche Feiern im Jahreskreis, für viele Lebenssituationen spezifische Bräuche aufzeigen, eine vollständige Auflistung würde den Umfang dieser Schrift sprengen. Darüberhinaus ist es schwierig, für Kreuzweingarten spezifische Bräuche zu finden, die meisten Bräuche sind typisch für die gesamte Voreifel.

So soll ein Hauptaugenmerk daher auf dem Wandel der Gebräuche und Traditionen in Kreuzweingarten liegen.



1. Bräuche im Jahreskreis


Eine chronologische Darstellung der in Kreuzweingarten bekannten Bräuche bietet sich an. Dabei ist es am einfachsten, diesen Überblick in der Advents- und Weihnachtszeit zu beginnen, die ja reich an Traditionen ist.

Zum Advent gehören für uns heute viele Dinge, die erst seit zwei oder drei Jahrzehnten in unserer Gegend zur Tradition geworden sind, so Adventskränze, -kalender, Türkränze, Lichterketten oder Mistelzweige. All dies sind Bräuche, die aus anderen Ländern oder Gegenden zu uns gekommen sind. Der Adventskranz ist aus unseren Wohnzimmern in der Vorweihnachtszeit kaum wegzudenken. Bekannt ist dieser Brauch allerdings erst seit den 50er Jahren in unserer Gegend. Er stammt ursprünglich aus Norddeutschland, in Köln erschienen die ersten Adventskränze 1925. 1

Ursprünglich war die Adventszeit für die Katholiken eine Buß- und Fastenzeit. Die Süßigkeiten und Geschenke, die man damals am Nikolaustag und am Barbaratag bekam, waren eine Auflockerung des Fastens. Seit langer Zeit bekannt ist auch der Brauch des "Schuheaufstellens" in der Nacht des 4. Dezembers, am Barbaratag. Bevor die Kinder zu Bett gingen, durften sie ihre Schuhe auf die Treppe oder vor ihr Zimmer stellen und hoffen, daß sie am nächsten Morgen mit Süßigkeiten und/oder kleinen Geschenken gefüllt waren. Zwei Tage später, am Nikolausabend durfte man dann noch einmal seine Schuhe oder seinen Teller aufstellen, die Geschenke fielen dann größer aus. Man konnte auch den Nikolaus zu sich ins Haus bestellen. Ein Dorfbewohner kleidete sich dazu im Bischofsornat, holte sich aus dem Pfarrhaus eines der alten (wertvollen) Meßbücher und ging dann zu den Kindern in die Häuser und prüfte nach, ob sie im vergangenen Jahr gut und artig gewesen waren. War dies der Fall, so verteilte er aus seinem Sack Süßigkeiten, Äpfel, Nüsse und "Mäpchen". 2 Mehr gab es vor 50 bis 60 Jahren noch nicht vom "Helije Mann". Am Nikolaustag ging man auch zu Patenonkel, "Patt", und Patentante, "Jött" und holte den "Helije Mann" ab.

Seit dem Anfang dieses Jahrhunderts gehört der "Chresboom" auch in unserer Gegend zum Weihnachtsfest. Damals waren nur in einigen Häusern des Dorfes Krippen aufgebaut, die die Dorfkinder dann nach Weihnachten besichtigten und dort Weihnachtslieder sangen. Große Krippen standen in der Villa Becker, im Haus des Lehrers Gebertz und in den Gaststätten Wolfgarten und Bohnen. Heute baut die Familie F. Spilles noch eine alte große Krippe in ihrem Wohnzimmer auf. (vgl. Foto)

Bis ca. 1960 begann das Familienfest erst am 1. Weihnachtstag. Undenkbar war eine Bescherung vor Mitternacht. Die Christmetten waren damals in der Nacht, und erst danach oder am nächsten Morgen fand die Bescherung in dem bis dahin abgeschlossenen Wohnzimmer statt. Vor dem 2. Weltkrieg mußten sich die Kinder auch Weihnachten mit einem Teller Süßigkeiten und höchstens einem Spielzeug begnügen, für mehr reichte es in den meisten Kreuzweingartener Familien nicht. 3

Besondere Festessen zu Weihnachten, wie dies in anderen Gegenden die Weihnachtsgans oder der Karpfen sind, waren hier nicht bekannt, dann gab es wohl eher einen Braten und eine große Schüssel Kartoffelsalat.

Das neue Jahr wird in Kreuzweingarten durch 10- bis 15minütiges Glockengeläut angekündigt.

Am Neujahrstag war wieder ein Besuch bei den Paten angesagt, bei denen man sich das "Neujährchen", den Neujahrskranz, abholte. In Kreuzweingarten trafen sich jahrelang die Männer am Neujahrsmorgen im Gasthof "Zum alten Brauhaus" zum "Neujahrskranzauskarten". Man spielte "Sebbeschröm", und für jeden Gewinn gab es einen Kranz.

Der nächste Brauch im Jahreskreis ist der der Sternsinger, die am Vortag des Dreikönigstages von Haustür zu Haustür ziehen, um eine Gabe für einen Missionszweck zu sammeln. Seit 1977 ziehen die Sternsinger auch durch Kreuzweingarten.

Der "Fastelovend", Karneval, wurde früher in Kreuzweingarten in den beiden Gastwirtschaften Wolfgarten und "Zum alten Brauhaus" gefeiert. Da diese beiden Wirtschaften so nah beieinanderlagen, wurde die Hauptstraße zwangsläufig in den Karnevalstrubel miteinbezogen. Im ganzen Umkreis war, besonders nach 1948, der Kreuzweingartener Maskenball am Karnevalsdonnerstag, der Weiberfastnacht, bekannt. Dieser Ball, der bis 1980 im Saal der Gaststätte "Zum alten Brauhaus" stattfand, war bis 1970 die einzige organisierte Karnevalsaktivität im Dorf. In den 70er Jahren wurden dabei auch die besten und originellsten Kostüme prämiert. Seit 1970 veranstaltet die katholische Frauengemeinschaft an Weiberfastnacht eine Dorfsitzung, die es seit Jahren schafft, seriös und ohne verletzende Worte zu unterhalten. Man konnte also in den 70er Jahren ab dem frühen Nachmittag bei der Sitzung im Jugendheim und bis weit nach Mitternacht beim Preismaskenball im Saal der Gaststätte "Zum alten Brauhaus" Weiberfastnacht in Kreuzweingarten feiern. Der Maskenball konnte seit den 80er Jahren wegen der Restaurierungsbedürftigkeit des Saales nicht mehr stattfinden. Im Jahre 1954 versuchte man einen Umzug ins Leben zu rufen, doch nur einmal fand er damals statt. Der zweite Versuch 1989, einen Karnevalszug in Kreuzweingarten einzuführen, wie dies in den meisten umliegenden Dörfern zur Tradition gehört, scheint erfolgversprechender.

An Karneval heischen heute noch, wie dies seit vielen Jahren in Kreuzweingarten bekannt ist, verkleidete Kinder mit dem folgenden Leiergesang an den Haustüren nach Geld, gebackenen Mutzen oder Süßigkeiten:

"Hu Fastelovend,
schneg me e Stöck vom Broode,
schneg me e Stöck vom joode Speck,
loß mich ens kore wi dat schmeck,
schneg hu,
schneg deef,
schneg en joode fette Greef."

Das Osterfest bringt ebenfalls einen alten Brauch, der in Kreuzweingarten alljährlich durchgeführt wird: Wenn nach dem Gloria am Gründonnerstag die Kirchenglocken schweigen, ersetzen die Kläpperjungen und -mädchen das Geläut. Sie ziehen morgens um 6 Uhr, mittags um 12 Uhr (früher um 11 Uhr) und abends um 6 Uhr mit Holzklappern durch die Straßen des Dorfes. Wenn in der Osternacht die Glocken das Gloria wieder einläuten, ist die Arbeit der Kläpperjungen beendet. Ihren Lohn holen sie dann bei der Dorfbevölkerung in Form von Eiern, Süßigkeiten oder Geld ab. Früher zog der Küster zusammen mit den Meßdienern und einem großen Wäschekorb los, um die Eier abzuholen. Viele Familien hielten sich dabei an den Brauch, die Eier folgendermaßen zu verteilen: fünf Eier für den Pastor, zwei für den Küster und ein Ei für die Meßdiener. Dem Pastor blieb dann oft nichts anderes übrig, als seinen Eierberg auf dem Markt in Euskirchen verkaufen zu lassen.

Auf das Schützenfest im Juni jeden Jahres braucht an dieser Stelle nicht näher eingegangen zu werden. Es wurde von J. Bohnen im Mundartlesebuch ausführlich beschrieben. 4

Erwähnenswert bleibt im Jahreskreis noch das Martinsfest. Bekannt und organisiert ist der Laternenzug am Martinsabend, dem 10. 11., seit ca. 1924 in Kreuzweingarten. Damals waren dabei die Rübenfackeln besonders begehrt, die man heute nur noch selten sieht. Einen solch langen Martinszug wie er heute in Kreuzweingarten und Rheder stattfindet, gab es damals noch nicht. Er beschränkte sich auf Kreuzweingarten. Das Martinsfeuer wurde auf dem damals noch nicht bebauten Schellberg entzündet. Martinswecken gab es traditionell bei jedem Martinszug.



2. Bräuche im Lebenslauf


Einer starken Wandlung haben sich sicherlich die Bräuche um Geburt und Taufe unterzogen. Heute findet eine Kindtaufe in der Regel Wochen, manchmal Monate nach der Geburt des Kindes statt. Bis zu den 60er Jahren, und früher erst recht, erfolgte die Taufe drei bis sechs Tage nach der Geburt des Kindes. Die Mutter des Säuglings war dann oft noch nicht in der Lage, daran teilzunehmen. Die Rolle der Taufpaten wurde dadurch bei der kirchlichen Feier umso wichtiger. Sie trugen das Neugeborene anstelle der Mutter zur Taufe.

Vor 1945 war die Rolle der Taufpaten verpflichtender als heute und mit festen Gewohnheiten verbunden, die sich noch bis in die 60er Jahre gehalten haben.

Der Taufpate übernahm eine Verpflichtung und Verantwortung dem Kinde gegenüber. Diese Verbundenheit zeigte sich bereits in der Namengebung. Im 18. Jh. wurde der Name des Paten zwangsläufig an den Täufling weitergegeben. Durch die Übertragung des Namens auf das Kind ehrte man den Paten in besonderer Weise. 5 Diese direkte Weitergabe des Taufnamens führte natürlich dazu, daß es nicht viele verschiedene Namen im Dorf gab. Katharina, Anna, Maria, Gertrud und Elisabeth bei den Frauen, Johannes und Heinrich bei den Männern waren die häufigsten Namen in Weingarten. 6 Auch zu Beginn des 20. Jh. bestand oft noch der Pate darauf, daß das Neugeborene seinen Vornamen tragen solle, wenn schon nicht als Erstname, so doch wenigstens als zweiten. Namen. Heute ist die Namengebung wesentlich individueller.

Es gab auch feste Regeln, wann der Pate etwas zu schenken hatte. Nicht an Weihnachten oder zum Geburtstag, sondern Ostern, Nikolaus und am Neujahrstag. Am Neujahrstag mußte beim Paten der Neujahrskranz, das "Neujährchen" abgeholt werden. Die Geschenke mußten immer abgeholt werden, bei dieser Gelegenheit nahm man dem Paten als Dankeschön ein Präsent mit. Die Schenkverpflichtung des Paten hörte in der Regel mit der Erstkommunion auf.

Sowohl Taufe als auch Erstkommunion sind damals wie heute große Familienfeste. Die Erstkommunion wird ausgiebiger gefeiert als eine Taufe. Die Verwandtschaft findet sich den ganzen Tag zum Fest ein. Die engste Familie trifft sich dann am 2. Festtag erneut. Vormittags muß das Kommunionkind einen Rundgang durch die Nachbarschaft machen und zum Nachmittagskaffee einladen. Wie weit die Nachbarschaft einzuladen ist, ist dabei sehr unterschiedlich, es waren ungefähr " drei Häuser rauf und drei Häuser runter". In Kreuzweingarten trennte sich die Nachbarschaft jeweils in Oberdorf und Unterdorf.

Bei Erstkommunion und Hochzeit wird das Festhaus mit einem aus Tannenzweigen gebundenen und mit Papierrosen verzierten Türkranz geschmückt. Diese Kränze wurden früher von der Nachbarschaft gemacht.

Bei den Hochzeitsbräuchen hat sich vieles verändert. Der Polterabend war in dieser Gegend unbekannt, statt dessen wurde Hielich gefeiert.

Beim Hielich verabschiedete sich der Bräutigam aus der Junggesellenvereinigung im eigenen Dorf und mußte seine Braut in ihrer Dorfgemeinschaft, sofern diese nicht identisch war, mit einem „Jelooch auslösen. Wehe dem Bräutigam, der dies vergaß, oder sich beim „Jelooch allzu geizig zeigte. Die Dorfjugend rächte sich dann mit lautstarken Aktivitäten bei der Hochzeit. Am Hochzeitsmorgen wurde dann "Kaaf" gestreut, mit einer Ackerwalze vor dem Haus der Brauteltern polternd auf- und abgefahren und dabei geschrien: "Fangt dat Saudier!"

Zum Hochzeitsfest mußte persönlich eingeladen werden, nur dies zählte als richtige Einladung. Selbstverständlich war es, daß die Brauteltern die Hochzeit ausrichteten. Man traf sich im Elternhaus der Braut, und von dort ging der Hochzeitszug zur Kirche. Der Brautführer leitete die Braut an der Spitze des Zuges, dahinter der Bräutigam mit der Brautjungfer. Voran durften Kinder mit Blumenkörbchen gehen und die Blumen auf den Weg streuen. Verließ das Hochzeitspaar die Kirche, mußte es zunächst eine Sperre passieren. An der Kirchentreppe hielten die Meßdiener ein Seil auf, das erst nach einer Gabe des Bräutigams entfernt wurde.

Die Bräuche bei Sterbefällen und Beerdigungen sind von Dorf zu Dorf unterschiedlich.

In der Kreuzweingartener Gemeinde wird der Tod eines Gemeindemitgliedes durch Glockengeläut bekannt gemacht. Es soll möglichst bald nach dem Sterben geläutet werden, doch natürlich nicht in Nacht oder den späten Abendstunden, dann ertönen die Glocken am nächsten Morgen. Das Totengeläut ist deutlich von anderem Läuten zu unterscheiden: zwei Glocken (die Bruderschafts- und die Friedensglocke), die in ihrem Klang (f-Ton und ges-Ton) nahe beieinander liegen, werden dabei eingesetzt. Zur Beerdigung läutet nur eine Glocke.

In Kreuzweingarten war der Brauch der sieben Fußfälle bekannt: sieben Jungfrauen, meist junge Mädchen von sechzehn bis achtzehn Jahren trafen sich am 1. Tag nach dem Tode im Haus des Verstorbenen und gingen, um für den Toten Abbitte zu leisten, vom Wohnhaus zur Kirche, wo dann an sieben Stellen gebetet wurde. In dieser Form wurden die sieben Fußfälle in diesem Jahrhundert gebetet. Den alten Stationenweg von Rheder aus zur Kirche in Kreuzweingarten, von dem Pfarrer Reinartz, noch zu berichten weiß, benutzte man nicht mehr. 7 Nach dem Bittgang ging man wieder zurück zum Haus des Verstorbenen, nahm Abschied von dem Toten und wurde zum Kaffee geladen. Dieser Brauch erfüllte in anderen Gegenden den Zweck, einem mit dem Tode ringenden Dorfmitglied das Sterben zu erleichtern. In Kreuzweingarten waren die sieben Fußfälle ein Abbitteleisten für den Verstorbenen. 8 An drei Abenden vor der Beerdigung wird die Totenwache gehalten, bei der in der Kirche für den Toten gebetet wird. Dabei wurde in der Regel vom Kreuzweingartener Küster vorgebetet, in letzter Zeit übernahm der Pfarrer selbst diese Aufgabe. Als die Verstorbenen noch zu Hause aufgebahrt wurden, versammelten sich Verwandte und Nachbarn zur Totenwache und zum Beten im Haus.

Durch den Bau der Friedhofskapelle entfiel die Notwendigkeit, die Toten zu Hause aufzubahren und im Leichenzug zum Friedhof zu begleiten. In Kreuzweingarten trifft man auf dem Friedhof zur Beerdigung zusammen. Der Sarg wird früher wie auch heute, wenn der Verstorbene nicht in einem Verein aktiv war, von Männern aus der Nachbarschaft getragen und zu Grabe gelassen. Erst danach findet die Trauerfeier in der Kirche statt.

Nach dem Begräbnis wird dann mit der Trauerfamilie ein Imbiss genommen. Man trifft sich zu Kaffee, belegten Brötchen und Hefekuchen, um das "Fell des Verstorbe­nen zu versaufen", was durchaus zu einem Trinkgelage werden kann.


3. Mai­ und Kirmesbräuche


Viele Maibräuche sind in Kreuzweingarten bekannt und wurden bis vor kurzem in traditioneller Form gepflegt. Die Aufrechterhaltung der Maibräuche lag immer in der Hand des Junggesellenvereins, der zuerst im Jahre 1913 gegründet wurde; nach dem 2. Weltkrieg tat sich die männliche Jugend aus Kreuzweingarten und Rheder zusammen und aktivierte den Verein wieder bis zum Jahre 1966. 1983 erweckten die Kreuzweingartener Junggesellen den Verein zu neuem Leben.

Der Brauch der Mailehen war in Kreuzweingarten schon im 17. Jh. bekannt, wie aus einem zeitgenössischen Schreiben des Dechanten Everhard Boßhammer hervorgeht:

"Am Vorabend des 1. Mai kommen die Burschen des Dorfes zusammen und wählen sich ihre Mädchen, denen sie das ganze Jahr hindurch huldigen. Diese Mädchen werden mit lautem Geschrei ausgerufen.“ 9 Der Pfarrer beklagte, daß es beim Pfingstfeste, wo sich dann die Jungen und Mädchen zum Tanz treffen, "schamlos" zugehe, und obwohl diese "Unsitte" durch landesherrliche Verordnungen schon oft verboten worden sei, doch immer wieder praktiziert werde.

Gepflegt und organisiert wurde dieser Brauch dann seit der Gründung des Junggesellenvereins im Jahre 1913.

Eine Mailehenversteigerung wurde im Protokollbuch des Vereins erstmals 1920 erwähnt: " Ostermontag, den 5.4. nachmittag 4 Uhr, fanden sich sämtliche Mitglieder und viele andere Käuflinge zu dem vorher öffentlich bekanntgegebenen Mailehenverkauf ein. Nachdem denselben die diesbezüglichen Statuten vorgelesen worden waren, wurde zum Verkaufe von 33 Dorfschönen übergeschritten und erzielten dabei den schönen Ertrag von 577 MK.10

Eine solche Mailehenversteigerung ging nach festen Riten vor sich. "Sie war ein hübscher, ziemlich derb oft ablaufender Spaß.“ 11

Alle unverheirateten weiblichen Wesen des Dorfes von sechzehn Jahren aufwärts wurden zum Maikauf angeboten, wobei jedes Mädchen angepriesen und vom Versteigerer beschrieben werden mußte. Die eigentliche Spannung kam auf, wenn die begehrten Mädchen an der Reihe waren. Dies hob man sich dann auch bis zuletzt auf. Um Streit zu vermeiden, durften in den letzten Jahren die auswärtigen Jungen ihre Freundin außer Konkurrenz ersteigern, sie konnten nicht Maikönig werden, waren aber willkommene Kassenfüller.

Es gab natürlich auch Mädchen, für die sich trotz Anpreisung kein Käufer finden wollte, dann wurde ein "Silencium " ausgerufen. Während der Versteigerer weiter dieses Mädchen "anpries", durfte sich niemand rühren und lachen. Wer sich als erster regte, mußte das Mädchen ersteigern. Für all die, die dann immer noch keinen Käufer gefunden hatten, gab es den "Knubbel". Für sie wurde dann der gemeinsame Dorfmaibaum aufgestellt. Das Mädchen, für das das meiste Geld geboten wurde, war die Maikönigin, der Ersteigerer der Maikönig.

Am Ostermontag zogen dann die Junggesellen gemeinsam durch das Dorf, der jeweilige Maijunge stellte sich vor und lud das ersteigerte Mädchen zum Maiball ein. Zum Dank kassierte man Eier (oder Geld für die Vereinskasse).

In der Mainacht wurden dann gemeinsam zuerst der Dorfmai, dann alle anderen Maibäume aufgestellt. In dieser Nacht ging es oft laut zu, Maibäume wurden gestohlen oder von den Dorfjungen des Nachbarortes ausgeliehen, Straßenschilder vertauscht, Gartentörchen ausgehängt und ähnlicher Unfug angestellt.

Der Lohn für das Maistecken war dann der Tanz beim Kirmesball. Mindestens einen Tanz, meist den ersten, mußte das Mädchen dem Maijungen versprechen. Beim Mai und auch beim Karnevalsball gab es früher Tanzgroschen, für jeden Tanz mußte vom Tänzer ein Groschen bezahlt werden. Das Geld kam dann in die Kasse des den Ball ausrichtenden Vereins, in der Zwischenkriegszeit Junggesellen- oder Turnverein. Hatte man eine gute und vor allem schnelle Musikkapelle, dann konnte man in einer halben Stunde viele Tanzgroschen erspielen.

Bei der Maiversteigerung wurde auch eine sogenannte "Maipolizei" gewählt. Sie mußte über die Einhaltung der Maiverpflichtungen wachen. So durfte kein Junge des Vereins im Mai eine Mistgabel oder eine Schaufel über der Schulter tragen. Bei Gewitter durfte man nur im Haus des Maimädchens Unterschlupf suchen. Eine andere Regel lautete, daß man sonntags sich zum Kaffeetrinken bei seinem Mailehen einzufinden hatte. Dies konnte recht abwechslungsreich werden, da die meisten Jungen mehrere Mädchen ersteigert hatten.

Kirmes- und Maiball fanden in Kreuzweingarten lange Zeit zusammen statt. Erst nach dem Krieg hatte der Sportverein das Ausrichten der Kirmes allein übernommen. Der Maiball wurde dann auf Mitte Mai verlegt.

Am ersten Samstag im Mai wurde die Kirmes herausgeholt. Dies fand immer am Schellberg statt. Man ließ einen mitgebrachten Knochen fallen, und beim Aufheben galt die Kirmes als eröffnet. Ein Streitgespräch zwischen Kirmes und Dorfbewohnern regelte die Dauer des Festes: Die Dorfjungen erklärten, daß sie ein ganzes Jahr lang Kirmes feiern wollten. Die Kirmes antwortete dann: "Unmöglich, das kostet zu viel Geld", oder "ihr habt Euch im letzten Jahr schlecht benommen." Die Junggesellen schlugen dann vor, 10 Tage lang zu feiern. Die Kirmes billigte ihnen höchstens einen Tag zu. Zuletzt einigte man sich auf althergebrachte drei Tage.


Hahnenköppen 1926 vor dem Hause Schmitz, Hubertusstraße (abgebrochen) (Repro)


Fähndelschwenker Wilhelm Bergrath (Repro)

Hahnenbier-Abend, vor 1924 (Repro)


Traditionell fand am letzten Kirmestage (früher war dies der Dienstag, in den 80er Jahren der Montag) das "Hahneköppen" statt. Der Kreuzweingartener Lehrer Lagier berichtete 1929 anschaulich und ausführlich davon: "Der Scholtes erwirbt einen prachtvollen älteren Hahn. Nachdem er getötet ist, hängt man ihn in einen bodenlosen Korb, so daß der Kopf unten frei heraushängt. Durch die beiden Korbgriffe wird ein langes Seil gezogen und zwischen zwei gegenüberliegenden Fenstern ausgespannt. (...) Gegen 5 Uhr versammeln sich die Schaulustigen. Unter den Klängen einer Kapelle marschiert der Rei heran. Einzeln treten seine Mitglieder vor, bekommen die Augen zugebunden, einen rostigen mordsmäßigen Säbel in die Hand gedrückt und versuchen, den Hahnenkopf vom Rumpfe zu trennen. (...) jeder darf 3 Schläge ausführen. Treten sichere Schläger auf, so zieht der Junge, welcher das freie Ende der Leine in der Hand hat, schnell den Korb hoch. Man tut dies wohl, um dieser Kirmesfreude kein allzu schnelles Ende zu bereiten. Auch zieht man den Korb bei solchen Schlägern hoch, die man nicht gern als Hahnenkönig sieht. Dies sind in der Regel solche Jungens, die nicht in der Lage sind, das Hahnenbier bezahlen zu können.“ 12 (Lagier benutzt die althergebrachten Begriffe "Scholtes" und "Rei". Scholtes wurde jeweils der älteste Bursche oder der Vereinsvorsitzende. Der "Rei" war ursprünglich eine Bezeichnung für einen Reigentanz, übertrug sich dann auf die Tanzgruppe und bedeutete später verallgemeinert die Vereinigung der Burschen einer Gemeinde zwecks Tanzvergnügens. 13

Wird der Hahnenkopf dann endlich abgeschlagen, wird derjenige, dem der entscheidende Schlag gelungen ist, zum Hahnenkönig ausgerufen. Am Abend wurde der Hahnenkönig dann von zu Hause mit einem Festzug abgeholt. Der Vereinsvorsitzende überreichte eine Hahnenfeder und der König bedankte sich mit einer Runde. In der Regel wählte der Hahnenkönig eine Dorfschöne als Hahnenkönigin. Auch sie holte man beim anschließenden Festzug an ihrer Wohnung ab und brachte ihr ein Ständchen. Ein Ehrentanz des Königspaars und Fähndelschwenken auf der Straße vor dem Haus der Hahnenkönigin rundeten das Ständchen ab. Nun zog der Festzug zum Hahnenball. Das Fahnenschwenken war eine schwierige Kunst und erforderte einige Übung und Geschicklichkeit; die Kleidung des Fahnenschwenkers (weite Hose, Samtrock, Barett mit Feder und Schärpe) und die Melodie, nach denen die Fahne geschwenkt wurde, waren vorgeschrieben.

Lehrer Lagier fand es schon 1929 erfreulich, "daß man in einer Zeit, in welcher man für Althergebrachtes vielfach nur noch ein mitleidiges Lächeln hat, hier noch an dieser alten Sitte festgehalten wird."

Am Dienstagabend wurde dann die Kirmes am Schellberg wieder begraben mit viel Wehklagen und Wimmern. Dabei wurden Klagegesänge angestimmt und bei den angrenzenden Häusern auf den Misthaufen getanzt. 14

Die Kirmes war aber vor allem ein Familienfest. Schon Tage vorher wurden die Kirmesfladen gebacken. Die ganze Verwandtschaft traf sich am Kirmessonntag zu Kaffee und Kuchen, ging über den Kirmesplatz und abends zum Kirmesball. Damals gab es noch einen Kirmesplatz im Dorf hinter der Gastwirtschaft Wolfgarten, dort war Platz für einige Buden, das Karussell wurde auf dem Schulhof aufgestellt. Nachdem Gastwirtschaft und Platz dem Ausbau der Bundesstraße geopfert worden waren, wurde der Kirmesplatz hinter die Gaststätte "Zum alten Brauhaus" verlegt. Doch die Anzahl der Attraktionen wurde immer geringer. Heute erkennt man nur noch an den Fahnen im Dorf, daß Kirmes gefeiert wird. Keiner dieser Bräuche und Traditionen wird heute noch gepflegt.


Anmerkungen


1) Klersch, Joseph, Volkstum und Volksleben in Köln
2) Möpchen bestanden aus süßem Hefeteig, aus dem kleine Nikolausfiguren, Kringel oder Achten gebacken wurden
3) vgl. zu Weihnachtsbräuchen den mundartlichen Text von J. Lützeler, in: H.J. Kesternich, Liif on Siel, S.151
4) H.J. Kesternich, Liif on Siel, S. 149
5) vgl. den Beitrag F. Kuhl, Die Gemeinde Heilig Kreuz, Kap. II b )
6) vgl. den Beitrag F. Kuhl, Die Bevölkerungsliste von 1801
7) N. Reinartz, Der Weingarten des HI. Kreuzes, S. 65
8) A. Wrede, Eifeler Volkskunde, S. 243
9) P. Corsten, Everhard Boßhammer. Ein rheinischer Landdechant
10) Protokollbuch des Junggesellenvereins, 1920
11) Küpper, Heinz, Es wurde doch noch eine Mainacht, S. 135 ff.
12) Lagier, Josef, Wie in Kreuzweingarten der Hahn "geköppt" wird
13) A. Wrede, Eifeler Volkskunde, S. 217
14) vgl. auch "Die Kirmes, das größte ländliche Fest", in: Euskirchener Volkszeitung vom 16.07.1938


Quellen und Literatur


Corsten, Pf.: Everhard Boßhammer. Ein rheinischer Landdechant (1594-1692), in: Geschichtliche Landeskunde Nr. 2, 1929
Dettmann, Rolf/Weber, Matthias: Eifeler Bräuche, Köln 1983
Die Kirmes, das größte ländliche Fest, in: Euskirchener Volkszeitung vom 16.07. 1938
Fragebogen aus den Jahren 1930 und 1933, in: Atlas der Deutschen Volkskunde, Bd. I, S. 22 ff. Kesternich, Hermann-Josef: Liif on Siel, Mundartwörterbuch und -lesebuch aus der Antweiler Senke, Euskirchen 1989
Klersch, Joseph: Volkstum und Volksleben in Köln, Köln 1979
Küpper, Heinz: Es wurde doch noch eine Mainacht, in: Heimatkalender für den Kreis Euskirchen, 1957, S. 135 ff.
Lagier, Josef: Wie in Kreuzweingarten der Hahn "geköppt" wird, in: Zeitschrift des Vereins für rheinische und westfälische Volkskunde Nr. 6, 1929
Protokollbuch des Junggesellenvereins Kreuzweingarten, o.J .
Nikola Reinartz: Der Weingarten des hl. Kreuzes, in: Kreuzweingarten, Rheder und Umgebung, Euskirchen 1977
Schroeder, Paul: Aus heimatlichem Brauchtumsschatz, in: Heimatkalender für den Kreis SchIeiden, Jg. 1965, S.149
Wrede, Adam: Eifeler Volkskunde, Bonn 1960



Pfarrfest in jüngster Zeit


Kläpperjungen um 1959 (Repro)


Aus: „1100 Jahre Wingarden“ - Kreuzweingarten 893-1993 - Mai 1993


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