Überschwemmungen der oberen Erft

Von Hans Regh


Im Laufe der Jahrhunderte sind durch Überschwemmungen der oberen Erft zahlreiche Unwetterkatastrophen hervorgerufen worden. Hiervon war in erster Linie naturgemäß die Stadt Münstereifel betroffen, weil durch die nahe Bebauung an der Erft und die Stadtmauern von vornherein Engpässe bestanden; aber auch die benachbarten Dörfer hatten immer wieder Menschenleben und schwere Schäden an Häusern, Straßen, Brücken, Äckern usw. zu beklagen. Nachrichten hierüber sind uns überliefert durch:

- Chronika van der hilligen Stat von Coellen 1499,
- Pluntsch, Tilman, Münstereifeler Chronik von 1270 -1450, Handschrift National Bibliothek Luxemburg,
- Hürten Karl, Volkstümliche Geschichte der Stadt Münstereifel, Münstereifel1926,
- von Mering, Geschichte des Rheinlandes, Köln 1836,
- Katzfey, Jakob, Geschichte der Stadt Münstereifel und der benachbarten Orte, Köln 1854,
- Bärsch, Georg, EIFLIA ILLUSTRATA oder geographische und historische Beschreibung
der Eifel von Johann Friedrich Schannat, Aachen und Leipzig ab 1825,
- Pfarrarchiv St. Crysanthus und Daria in Bad Münstereifel, Akten,
- Münstereifeler Zeitung (1893-1939),
- für die jüngste Zeit: Kölnische Rundschau und Kölner Stadt-Anzeiger (Bezirksausgaben).

Toni Hürten hat in seinen beiden Bänden Bad Münstereifel, Chronik 760-1816 und 1816-1970 die meisten Daten der Überschwemmungen erfaßt und zum Teil erläutert.

Die älteste Nachricht, die zu diesem Beitrag bekannt ist, betrifft eine Erftüberschwernmung am

26. Mai 1393

bei der "nach ein Uhr ein großes Wasser fiel", so daß in Münstereifel die Hospitalsbrücke überschwemmt wurde. Am

11. Juni 1402

"war ein großes Gewässer binnen Münstereifel, das wohl 3 bis 5 Häuser in Münstereifel wegführte, und nicht ein Steg noch eine Brücke blieb stehen darinnen. Darum gingen die Herren von dem Kloster und die Bürger zwei Bittfahrten nach Weingarten und Schweinheim." Zweck dieser Bittgänge war die Abwendung des Hochwassers. In späterer Zeit wird über die Wiederholung dieser Wallfahrten nicht berichtet. Es ist daher anzunehmen, daß sie nicht zur Regel wurden.

18. August 1404

"Im Jahre des Herrn 1404 auf St. Helenentag war nochmal ein selbes Wasser, und es war mehr als das erste und tat auch großen verderblichen Schaden."

6. Juli 1416

An diesem Tag war die schlimmste Überschwemmung der Erft, die uns überliefert ist. Die Übertragung aus der " Cronica van der hilligen Stat von Coellen " lautet: "Im Jahre 1416. In dem seIben Jahr kam binnen nachts da die Leute schliefen, ein also groß gefehrlich und unvorhergesehenes Wasser, das man nennt einen Himmelbruch vor Münstereifel, so daß die Tore mit den Mauern abtrieben und führte das Herz der Stadt hinweg. Da ertranken viele Leute mit den Kindern und auch viel Vieh so daß man wohl zweihundert Menschen tot und mehr dann 3000 Stück Viehs fand ungefähr anderthalb Meile (weit) und es tat viel mehr Schaden an Häusern und an Gut, das mit weg trieb, als man bemerken konnte."
Wenn man die vorgenannte anderthalbe Meile als richtig annimmt, wäre der Ort Roitzheim noch betroffen gewesen.
Die einzelnen Aussagen über das Ausmaß der Personen- und Sachschäden in Münstereifel sind recht unterschiedlich. Auch durch ein Denkmal ist das schreckliche Ereignis bezeugt; es ist das steinerne Kreuz, das in der Johannisstraße steht und unter einer Nische die (von ihren Abkürzungen befreite) Inschrift trägt:
"Im Jahre 1416, am 6. Juli, war hier zu Münster eine so große Einströmung der Gewässer, daß umkamen 1500 Menschen und ungefähr 3000 Stück Vieh, und es dehnte sich das Wasser bis zu dem hier stehenden Kreuz aus."
Die Folgen des Unglücks waren deshalb so groß, weil das Unwetter plötzlich in der Nacht kam, als die Tore geschlossen waren, die bei dem gewaltigen Wasserdruck nicht mehr geöffnet werden konnten. Auch waren die Schoßpforten (Maueröffnungen in den Befestigungsanlagen für den Durchfluß der Erft) durch Fallgitter gesichert. Heu, Strauchwerk, Äste, Bäume usw. haben sicher dazu beigetragen, daß das Werthertor und die untere Schoßpforte weitestgehend dicht waren und sich innerhalb der Stadt ein Stausee bilden konnte, wobei das Wasser über die damals noch höhere Stadtmauer abfloß. Dieser Zustand änderte sich erst, als die untere Stadtmauer und das Werthertor unter dem Druck der Wassermassen teilweise einstürzten.
Karl Hürten erwähnt noch Erftüberschwemmungen in den Jahren 1477, 1486 und besonders großen Schaden im Jahre 1488. Im letztgenannten Jahr hatte auch der Rhein solches Hochwasser, daß die Gottestracht in Köln, die rund um die Stadt zu gehen pflegte, ausgesetzt werden mußte.

5. Juni 1533

Bei dieser Überschwemmung wurde der Mühlenteich, an dem die Klostermühle
(Eingang SchIeidtal) stand, gänzlich zerstört.

11. Juni 1542

Es gab eine plötzliche Überschwemmung der Erft, die auf die Einwohner von Münstereifel einen "so gewaltigen und schrecklichen Eindruck machte, daß die Bürger genötigt waren, sich durch Erkletterung der Stadtmauern und hoher Gebäude vor der unmittelbar drohenden Gefahr des Ertrinkens zu retten.
Am 10. August, am 15. August und am Montag danach im Jahre 1550 und im Jahre 1564 waren "große Wasser".

1. März 1692

Durch das abgehende Eis und Hochwasser wurden die höhere Brücke am Entenmarkt fortgetrieben und die Werkbrücke und Schoßpforte beschädigt.
Weitere Überschwemmungen mit großen Schäden waren am 23. August 1708, am 23. Juli 1727 und am 30. Juli 1727. Bei der letztgenannten wurde die unterhalb der Stadt Münstereifel befindliche Lohmühle "überhauf geworfen".
Der 9. Mai 1750, der 31. Juli 1758 und der 17., 18. und 19. August 1758 sind weitere Daten für Überschwemmungen der Erft mit großen Schäden. Am

27. März 1760

erschien der Pächter des Kapitelshofs zu Weingarten und "zeiget kläglich an, daß das große Gewässer an den Capl benden großer Schaden zugefüget" .Er erklärte, daß er zur Verhütung größerer Schäden "die nötigen pöln" ( die nötigen Pfähle) brauche.
Zu den Überschwemmungen am 16. Januar 1777, 30. Januar 1778 und 1. April 1783 siehe den Beitrag "Die Kapitelsmühle zu Weingarten".
Einzelheiten über die Erftüberschwemmungen von 1780 und 1784 sind nicht bekannt.

26.-27. Juli 1795

Große Sachschäden; die Iversheimer Brücke stürzte ein.
Weitere Überschwemmungen der oberen Erft waren am 27. Juni 1797 und im Jahre
1808; Einzelheiten sind nicht überliefert.

2. Mai 1813

Durch das Hochwasser der Erft wurden in der Stadt Münstereifel 8 Wohnhäuser zerstört.

2. Mai 1818

Über diese Katastrophe gibt es eine ausführliche Beschreibung. Die Kölnische Zeitung, die damals viermal wöchentlich erschien und zu den angesehensten Zeitungen Deutschlands zählte, brachte mit Datum vom 3. Mai 1818 einen ausführlichen Bericht, obwohl sie sonst grundsätzlich die Aufnahme sämtlicher Lokalereignisse ablehnte. Nach diesem Bericht vereinigten sich in der Nähe Münstereifels gegen 2 Uhr nachmittags drei Gewitter, durch die nach einem zunächst sanften Regen solche Regen- und Hagelmengen fielen, daß die Erft kräftig anschwoll und durch die oberen Stadttore große Wassermassen in die Stadt hereinströmten. Gegen 5 Uhr nachmittags standen bereits die Häuser in der Talebene zum Teil bis zum 1. Stock im Wasser. Die Schäden in Münstereifel und in den damals zur Bürgermeisterei Münstereifel gehörenden Ortschaften sind in den zahlreichen Akten des Stadtarchivs beschrieben. Sieben Personen sind in den Fluten ertrunken; zahlreiches Vieh ist umgekommen; 17 Häuser in der Wertherstraße waren nicht mehr bewohnbar, und 5 Häuser wurden wegen Einsturzgefahr auf Abbruch verkauft. In Iversheim wurden 53 Gebäude schwer beschädigt und 9 ganz fortgerissen. 50 Stück Rindvieh, 81 Schafe, 12 Ziegen und 13 Schweine ertranken. Arloff-Kirspenich hatte einen Verlust von 30 Stück Rindvieh, 54 Schafen, 4 Schweinen, 3 Eseln und einer Ziege zu beklagen. In Münstereifel waren 215 Familien, in Eicherscheid 37, in Iversheim 33 und in Arloff - Kirspenich 54 Familien hilfsbedürftig. Fast die ganze Ernte des Jahres 1818 war verloren, und bei der Verwüstung der Felder waren auch künftige Ernten betroffen.

Da Weingarten nicht zur Bürgermeisterei Münstereifel gehörte, gibt es keine Nachrichten über das Ausmaß der Schäden im Dorf Weingarten. Lediglich ein in die Mauer der Hofeinfahrt der Gastwirtschaft "Zum alten Brauhaus" eingelassener Sandstein mit einer Hochwassermarke und der Aufschrift "Hier stand Wasser d. 2. Mai 1818" zeigt an, welche Höhe das Wasser an diesem unglückseligen Tag im Dorf erreicht hatte. Hiernach waren nur die Kirche, die Schule und 4 oder 5 Häuser im Oberdorf vom Hochwasser verschont.

Vom 21. April 1848, 26. Mai 1853, 1. Juni 1853, 17. August 1858, 27. April 1863 und 10. August 1870 sind Erftüberschwemmungen mit großen Schäden an baulichen Anlagen und Feldfrüchten bekannt.

16. und 23. Juni 1888

Erftüberschwemmungen infolge wolkenbruchartigen Regens. Das gesamte Wiesental von Weingarten bis Stotzheim war verschlammt. Der Kreis Euskirchen zahlte Entschädigungen zwischen 20 Mark und 50 Mark an Bewohner des Unterdorfes in Weingarten, und zwar an Adolf Ruhr, Peter Morenhoven, Franz Krebs und Heinrich Schmitz für Schäden an Wohnhäusern und Nebengebäuden.

17. Mai 1911

Tag und Nacht anhaltende heftige Regengüsse richteten großen Schaden in den Fluren an. Die Erft führte Hochwasser und verursachte große Überschwemmungen. In Arloff mußten die Kinder mit Fuhrwerken aus der Schule geholt werden; in Weingarten machte der Briefträger seinen Bestellgang zu Pferde (Posthilfsstelle in der Gastwirtschaft Wolfgarten).

4. Juni 1921

Schweres Unwetter mit Hagel und wolkenbruchartigem Regen. Der Zug von Euskirchen nach Münstereifel mußte vor Iversheim auf freier Strecke stehen bleiben, weil die Gleise unter Wasser standen.

10. Mai 1922

Am Christi-Himmelfahrts- Tag war ein Unwetter mit fast hühnereidicken Hagelkörnern, wodurch Dachziegel und Fenster zerschlagen wurden; an der Erft waren Acker und Wiesen überschwemmt.

17. Mai 1926

Die Erft und die Nebenbäche führten nach anhaltendem Regen Hochwasser; im SchIeidtal entstanden große Verwüstungen.

25./26. Juni 1953

Wolkenbruchartige Regenfälle am 25. Juni ab 16 Uhr und in der Nacht zum 26. Juni hatten zu großen Überschwemmungen geführt und die Erft von Eicherscheid bis Weilerswist breit über die Ufer treten lassen. Insgesamt fielen 50 Liter Wasser auf einen Quadratmeter. Die größten Schäden entstanden zwischen Münstereifel und Arloff - Kirspenich. Die Züge der Strecke Euskirchen - Münstereifel fuhren sehr langsam über die Erftbrücken, da eine Unterspülung des Bahnkörpers zu befürchten war. In Kreuzweingarten kam es im Unterdorf und der tiefer gelegenen Bahnhofstraße zu großen Überschwemmungen; der Haltepunkt der Bundesbahn war nicht erreichbar. Die Häuser im Unterdorf mußten teilweise geräumt und das Vieh mußte in Sicherheit gebracht werden. Zwischen Kreuzweingarten und Rheder war ein See vom Erftbett bis zum Hardtwald entstanden. Die Verbandstoff-Fabrik Kalff, die wegen Hochwassergefahr auf Pfeilern erbaut und mit Schutzdämmen versehen ist, war von den Wassermassen vollkommen eingeschlossen. In den Fabrikräumen stand das Wasser 80 cm hoch.

10. Juni 1955

Noch hatten die Fronleichnamsprozessionen nicht die schützenden Kirchen erreicht, als der Himmel schon seine Schleusen öffnete. Es begann mit einem leichten Gewitter, dem ein wolkenbruchartiger Regen folgte. Dies hielt den ganzen Nachmittag und die nächste Nacht an. Von den Hängen schossen Wildbäche hinab, die mit unvorstellbarer Wucht alles, was im Wege war, zu Tal rissen. Die Schäden waren beträchtlich. In Arloff waren die Flurschäden wieder einmal außerordentlich hoch. Oberhalb von Arloff glich die Landschaft einem See. Im Unterdorf in Kreuzweingarten stand das Wasser in einzelnen Häusern über 1 m hoch; der Haltepunkt der Bundesbahn war wiederum nur mit Traktoren zu erreichen. Diesmal betrug die Niederschlagsmenge 35 Liter auf einen Quadratmeter.

Erftüberschwemmungen in Kreuzweingarten in den 50er Jahren


29. Mai 1956

Die Hochwasserkatastrophe wurde durch lange anhaltenden wolkenbruchartigen Regen verursacht. In Iversheim, Arloff, Kirspenich, Kreuzweingarten und Rheder ergossen sich die Wassermassen wie in allen voraufgegangenen Fällen auch diesmal wieder über die tiefliegenden Straßen, Plätze und Felder und in die Parterrewohnungen, Keller, Scheunen und Stallungen. Schutt, Schlamm, Geröll, beschädigte Häuser, abgesoffene Keller, totes Vieh und entwurzelte Bäume waren die Bilder des nächsten Tages. Die Beseitigung der Schäden an Wegen, Brücken und am Erftlauf beziffert der Oberkreisdirektor in einem Schreiben an die Bezirksregierung zu Köln au 936000 DM. Die Schäden an öffentlichen Anlagen in Kreuzweingarten wurden mit 15000 DM beziffert. Am Werthertor in Bad Münstereifel befindet sich in einer Höhe von 1,00 m eine Hochwassermarke zu dem Hochwasser vom 29. Mai 1956.

Am 3. Juni 1961,

in den frühen Abendstunden, wurde das gesamte Gebiet der oberen Erft mit den Zentrum Münstereifel von einem wolkenbruchartigen Regen mit Hagelschlag heim gesucht.
In Kreuzweingarten mußte man selbst in höhergelegenen Wohnungen bis über die Knöchel m Wasser waten. Tiefergelegene Anwesen wiesen eine Wassertiefe von 60 bis 80 cm auf. In Iversheim ertrank ein Junge, der in Kreuzweingarten tot aus der tobenden Wassermassen geborgen wurde. Es wurden 82 Liter Regenwasser auf einer Quadratmeter gemessen.

10. Dezember 1966

Durch einen anhaltenden Regen in der Nacht und am ganzen Tag trat die Erft über die Ufer; Gärten, Felder und Wiesen standen unter Wasser.
Zur Abwendung von Überschwemmungen der Erft, die oberhalb von Eicherscheid ihre Ursache haben, ist vom Erftverband Bergheim/Erft zwischen Eicherscheid und Schönau ein Hochwasserrückhaltebecken gebaut worden, in dem schnell anschwellende Hochwasserspitzen abgefangen, gespeichert und nach Abklingen des Hochwassers langsam und ohne Gefährdung des Flusses und der Anlieger abgelassen werden können.

Die Verringerung der Hochwasserspitzenmenge bewirkt eine bedeutende Minderung von Hochwassergefahren unterhalb des Rückhaltebeckens. Aus betrieblichen Gründen wird eine kleine ständige Wasserfläche am Sperrdamm gehalten, so daß ein großer Stauraum im Falle eines Hochwassers zur Verfügung steht. Im übrigen haben die zahlreichen Erftregulierungen, die in den vergangenen Jahrzehnten von der Erft - Unterhaltungs - Genossenschaft mit Unterstützung des Kreises Euskirchen durchgeführt wurden und die nunmehr zu den Aufgaben des Erftverbandes Bergheim/Erft gehören, wesentlich dazu beigetragen, die früher in kurzen Zeitabständen immer wieder aufgetretenen Überschwemmungen der oberen Erft zu verhüten bzw. die Schäden soweit wie möglich in Grenzen zu halten.


Entnommen: „1100 Jahre Wingarden“ - Kreuzweingarten 893-1993


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