Der Kapitelshof zu Weingarten

Von Hans Regh


In dem Kapitel 58 des Prümer Urbars aus dem Jahre 893 erfahren wir, daß die Hörigen der Abtei Prüm 250 Fuhren Wein und Getreide in Münstereifel abliefern mußten. In welchen zeitlichen Abständen das zu geschehen hatte, ist nicht bekannt. Wahrscheinlich handelte es sich um jährliche Fronleistungen. Außerdem war Münstereifel damals Zwischenstation für Fronlieferungen von Altenahr nach Prüm. Man kann nur vermuten, daß auch die übrigen Transporte, mit denen die Klosterleute von Münstereifel in den Bezirken Iversheim, Weingarten, Eicherscheid, Nöthen, Binsfeld, Rodert und Rohr beauftragt waren, ihren Weg über Münstereifel nahmen. 1


Hubertusstraße mit Blick auf den ehem. Kapitelshof und Kirche, um 1930


Münstereifel war der Mittelpunkt eines ziemlich geschlossenen Güterverbandes. Der größte Teil der Besitzungen des Kanonikerstifts Münstereifel gruppierte sich dicht um den Ort. Um diesen Kern schlossen sich die Ortschaften Kirspenich, Weingarten, Harzheim und Kirchsahr an. Unter Mitwirkung des Kapitels wurden vom Probst zur Verwaltung der Stiftsgüter im 12. Jahrhundert "villici" (Meier, Fronhofsvorsteher) eingesetzt, die aber weniger Beamte des Stifts als Pächter der Stiftsgüter waren. Das Stift verpachtete seine Zehntrechte, Weinberge, Stiftshöfe und Mühlen auf Zeit. Dabei waren Pachtzeiten von einem Jahr bis zwölf Jahren oder länger üblich. Das Ackerland des Stiftes wurde vielfach gegen eine bestimmte Menge Getreide verpachtet. Die vereinbarten Pachtabgaben sollten spätestens 14 Tage nach dem Remigiusfest (1. Oktober) oder zum Maninsfest (11. November) in der Kornkammer des Kapitels zu Münstereifel abgeliefert werden. Auch die Kapitelshöfe dienten als Hebestelle für die Zehnt-, Zins- und Pachtabgaben. Auf den Pachtgütern des Stiftes wurden hauptsächlich Roggen und Hafer, daneben Spelz (Dinkel) und Weizen angebaut. In Form der Dreifelderwirtschaft folgte auf das Wintergetreide das Sommergetreide, und dann lag der Acker brach.

Bedeutender als der Grundbesitz war der Zehntbesitz des Stiftes. Die Abtei Prüm hatte der Münstereifeler Kirche Zehntbesitz auch in Weingarten geschenkt. Der Pächter des Kapitelshofes mußte ein besonderes Opfergeld oder Kirchgeld entrichten. Das Geld wurde unter die Kanoniker verteilt. 2

Das Wohnhaus des letztes Kapitelshofs in Weingarten ist noch erhalten. Es handelt sich um das Haus Antweiler Straße Nr. 1. Hierfür sind mindestens vier Belegstellen vorhanden. Standortbezeichnungen wie "unmittelbar am Fuß des Gotteshauses, neben der Kirche" wurden später abgelöst durch die Bezeichnung "Capitelshof an der Schuhl und gemeinstraßen ", als 1664 die erste Schule zwischen Kirche und Kapitelshof gebaut worden war. 3


Um 1369

ließ Gerhard VII. von Blankenheim, Herr zu Gerolstein, den Stiftshof in Weingarten anzünden. 4 Zur gleichen Zeit hatte dieser eine Fehde mit der Münstereifeler Propstei (Verwaltung des Stifts mit dem Probst an der Spitze). Um weitere Racheakte zu verhüten, verpflichtete sich das Kapitel, in dieser Fehde neutral zu bleiben. Es war sicher kein zufälliges Zusammentreffen, daß zur seIben Zeit Gerhards Bruder Johann, Herr zu Neu-Blankenheim, Probst in Münstereifel war. 5 Ob alle Gebäude des Kapitelshofs angezündet worden sind, ist nicht bekannt.


In einer Urkunde vom 23. Mai 1380

verglichen sich Dekan und Kapitel zu Münstereifel sowie der Ritter Heynrich gen. Smeyge van Billich nach langem Streit dergestalt, daß das Kapitel zu Lebzeiten des Ritters jeden Samstag in der Kapelle zu Billig eine Messe lesen lassen und auf dem Fronhof zu " Wyngarden" Zuchttiere ("steir, volen, beir inde weeder" -"Stier, Hengst, Eber und Widder" ) für das Kirchspiel von Billig halten sollte. 6


16. Mai 1406

Gumprecht von Neuenahr traf für die Dauer seines Pfandbesitzes vom Amt Hardt verschiedene Vereinbarungen mit dem Stift Münstereifel betreffend die Berechtigungen und Lasten des Stiftshofs zu Weingarten :

Abführung von Häftlingen nach Schloß Hardt,
Aufsicht über den Pfarrer,
Verzicht auf den Eydtsteiner (Schultheiß) von dem freien Hof zu Kirspenich und
Einsetzung usw. der Schöffen und des Boten und Besoldung des letzteren.
Gumprecht erhielt für die gleiche Zeit die Nutzung einer Wiese. 7


21. Juli 1564

"Dechant und Capittell bynnen Münster Eiffell handt ausgedain vnd verlehent Den Erbaren Thönis von Sant Cornelys Munster vnd Ennen eheleuten vnseren hoff Zu Wyngarten gelegen myt heusingen, Scheuren, stellen, garden, Landt, benden vnd myt allen synem gewonlichen Zubehoer, auch den bongarden uever die bach, wilcher wyngart plach zo syn, Vnd Syndt dys die stücker artlantz vnd benden wie volgt. .." -" Dechant und Kapitel binnen Münstereifel haben verpachtet und verlehnt den ehrbaren Thönis von Sankt Cornelimünster und Anna Eheleuten unseren Hof zu Weingarten gelegen mit Behausung, Scheunen, Ställen, Garten, Ackerland, Wiese und mit allem seinem gewöhnlichen Zubehör, auch der Obstbaumwiese über dem Bach (Mersbach), der früher ein Weingarten war, und sind dies die Stücke beackerbares und bebaubares Land und Benden wie folgt ..." -

Es folgt dann die Aufzählung der Ackerparzellen in den einzelnen "gewanden" und die Benennung der Benden. Dabei erfahren wir auch von einem Morgen Ackerland "an der schleiffen op den hardt wegh " .Es handelte sich um eine Schleifmühle als 1. Mühle am Erftmühlenbach (Fabrik Kalff). Die Anpächter sollten den Hof "Halffens Weise" sechs Jahre nacheinander inne haben, d. h. sie sollten sich mit dem Besitzer in den Gewinn und die Ausgaben zur Hälfte teilen. Es wurde jedoch besonders vereinbart, daß sie als Pacht jährlich 10 Malter Roggen, 12 Malter Spelz und 16 Malter Hafer in harter, guter, schöner und marktfähiger Frucht liefern sollen.

wir erfahren weiterhin aus dem Pachtbrief, daß die Scheffen des Hofgerichts und Geschworene dem Kapitelshof eine freie Schäferei zuweisen, die Pächter "den Hof mit Schafen besetzen" und "sulche freyheit yn Irem brauch behalden" sollen. Aus dieser Bestimmung kann man entnehmen, welche Bedeutung die Schafzucht damals gehabt haben muß, denn sie stand im Zusammenhang mit der Blüte der Woll- und Tuchweberei in Münstereifel, später auch in Euskirchen. Während jeder Schafhalter bis zu fünfzig Schafe und einen Widder, unter Umständen auch mehr, auf den Gemeindeweiden halten durfte, gab es für die "freien Schäfereien" keine Einschränkungen. Die Halfensleute auf dem Kapitelshof mußten auch alle Feldzäune des Hofes errichten und andere Zäune in gutem Zustand halten. Hinzu kam ihre Verpflichtung, am Haus, an den Ställen und Scheunen unter dem untersten Reyholz (Füllhölzer im Fachwerk) mit Lehm und anderem "alles bawlich " zu halten. Gleichfalls die Dächer sollten die Halfensleute in sonderlich gutem Bau halten. Wenn aber einige "grundneue Bawe" zu machen wären, soll das Kapitel zu Münstereifel alle Stoffe bestellen und die Werkleute löhnen. Die Pächter sollen die "Beifuhr tun" und den Werkleuten "die Köst" geben. Weiterhin mußten die Halfensleute jährlich ein Fuder Wein von Ahrweiler holen und nach Münstereifel bringen. Den Mist des Hofes mußten sie auf Hofland bringen. Der vorgenannte Pachtbrief von 1564 macht uns auch bekannt mit Daem (Adam) Boßhammer, der zu dieser Zeit Schultheiß des Kapitelshofs zu Weingarten war, "und weil Daem nicht schreiben kann", wurde der Pachtbrief von dem Gerichtsschreiber des "ampts Zur hardt" unterschrieben. Daem Boßhammer war der Großvater des bekannten Landdechanten des Dekanates Zülpich, Everhard Boßhammer (1594-1672). 8


1663

Verzeichnis der Pferde im Dingstuhl Arloff:
"Der Hr. Capitularen zu Münster Eyffel geistlich Hof zu Weingarten 2 Pferde". 9


Um 1600

und später fließen die Nachrichten über den Kapitelshof zu Weingarten etwas reichlicher. In diese Zeit ist das Weistum des Hofes einzuordnen. Es ist im Nordrhein- Westfälischen Hauptstaatsarchiv in Düsseldorf im Original vorhanden und enthält die Rechte und Verpflichtungen des dem Stiftskapitel zu Münstereifel gehörigen Herren- oder Fronhofes gegenüber den Hofleuten (das sind die mit den Gütern des Stiftes belehnten hofhörigen Leute) sowie der Gemeinde (Kirchspiel) gegenüber gewiesen werden. Der zu einem Fronhofsverband gehörende Besitz des Stiftes in Weingarten war die im Mittelalter eigentümliche Wirtschaftsform, die vom öffentlichen Gerichtsbann und der Gemeindeverfassung (Marktgenossenschaft) unabhängig war und zu einer eigenen Gerichtsbarkeit der Fronhöfe führte und dieselben Formen wie die Schöffengerichte annahm. Die zum Hofverband gehörenden Lehnsgüter lagen in Rheder, Stotzheim und Kirspenich. Unter anderen werden der Zillenhof, der Hof an der Bach, der Hof zu Kirspenich, die Schäferei in Rheder und der neue Hof in Weingarten genannt. 10

Ob mit dem "neuen Hof in Weingarten" der Nachfolger des um 1369 auf. Anweisung von Gerhard VII. von Blankenheim angezündeten Hofs gemeint ist?


Am 6. April 1601

setzten Dekan und Kapitel des Stifts Münstereifel Johann Boßhammer, den Sohn des bereits genannten Daem Boßhammer als Schultheiß ein. Dessen Bruder Everhard Boßhammer (gest. vor 1629) war Schultheiß in Kommern. Johann Boßhammer hatte zwei Töchter (Veronika und Catharina), den Sohn Hubert und als weiteren Sohn den späteren Landdechanten von Zülpich, Everhard Boßhammer.

Rechte und Pflichten als Hofschultheiß hat das Kapitel auf etwas mehr als drei Seiten festgehalten. Das Stift stellte auf seinem Hof sieben Schöffen und einen Boten.

Schultheiß Johann Boßhammer (gest. 1629) und sein Nachfolger haben uns für die Zeit von 1601 bis 1651 ein "Protokollbuch " 11 hinterlassen. Es lohnt sich, bei diesem

Nachlaß auf einige interessante Einzelheiten einzugehen. Als Ergänzung zum Hofweistum hat Boßhammer die Texte zur Eröffnung des Gerichts, zur Eidesformel der Lehnsleute und der Schöffen niedergelegt. Zahlreiche Eintragungen beziehen sich auf die Kurmut.

Unter Kurmut (Kurmede, Besthaupt) versteht man das Recht des Herrn, aus dem Nachlaß des kurmedigen, ursprünglich wohl unfreien Grundbesitzers, bei seinem Tode das beste Stück, Pferd oder anderes Vieh, für sich zu nehmen.

Die Verpflichtung aus der Kurmut wurde nach den Eintragungen im vorgenannten Protokollbuch meistens durch die Entrichtung von Geld abgelöst. Zahlreiche Eintragungen bezeugen aber auch, daß die vorgenannte Erbsteuer der Kurmutgüter geringer war. Dies traf zu, wenn der Lehensmann kein eigenes Gespann hatte. Dann mußte symbolisch "ein silberner Pflug" (5 Mark) entrichtet werden. Auch der Begriff "silberne Sense" kommt in einigen Fällen vor. Minderbemittelte wurden der Gnade des Herrn empfohlen; es wurde ihnen wiederholt Nachlaß gewährt. 12

Nach dem Tode von Johann Boßhammer wurde Peter Brewer (Breuer) neuer Hofschultheiß. Es fällt auf, daß er die unterschiedlichsten Vereinbarungen " vorbehaltlich der Zustimmung des Kapitels" abschließt. 13


6. Dezember 1614

" Wir Dechandt vnd Capittul dero Collegiath Kirchen 55. martyrum Chrysanthi & Dariae binnen Münster Eiffell thun Khundt und Bekennen hirmit vor vns vnd vnsere nachkommende, das wir im Jhar unseres Herren Tausent, Sechshundert vnd vierzehn im Dezembri außgelehnt vnd verpacht haben vnseren Hoff zu Weingarden mit hauß, hoff, garden, Baumgarden, Benden vnd lands was von alders darZu gehoerigh vnd sunst auch Newlich von lands vnd Benden darZu gegolden den Erbaren Syben deß aIden haIfes sohn vnd Entgen von Cronenbergh Eheleuten." 14


15. Januar 1700

Das ist das Datum der nächsten uns bekannt gewordenen Verpachtung.15 Hieran anschließend sind dann alle Verpachtungen bis zum Verkauf des Kapitelshofs im Jahre 1805 ununterbrochen belegt. Der Hof wurde zu dem vorgenannten Datum vom Kapitel in Münstereifel auf die Dauer von 12 Jahren verpachtet an Joan Scheid und dessen Ehefrau Catharina Schorn. Im Jahre 1703 bekamen sie einen Sohn, den sie Andreas nannten.


10. Juni 1713

Aus dem Kapitularprotokoll 16 erfahren wir, daß der "halbwinner" Joan Schniden (Scheid) den Kapitelshof zu Weingarten noch immer gepachtet hat


29. Februar 1720

Ein weiteres Kapitularprotokoll 17 bestätigt die erneute Verpachtung an Joan Schniden. Die jährliche Pacht beträgt: 6 ( 4) Malter Korn, 15 (13) Malter Spelz, 15 (13) Malter Hafer und 5 Malter Gerste. Die Angaben in Klammern sind die Pachtabgaben aus dem Pachtbrief vom 15.1.1700.


13. Dezember 1726

Der "halbwinner Joan Schniden" steht beim Kapitel in Münstereifel an, um zu erfahren, wieviel das Kapitel zu seinen Auslagen an der " Vörigen schewern" und für den "Newen baw" beitragen wolle. Daraus erfahren wir, daß der Pächter eine neue Scheune baut oder bereits gebaut hat. 18


29. November 1743

Das Kapitularprotokoll 19 gibt uns Auskunft darüber, daß der Hofschultheiß zu Weingarten N. Fritz heißt, ein Vicarius Schnorrenberg 20 "Capitulum Villicus" in Weingarten ist und der vorige Halbwinner N. Scheidt war. W. Schnorrenberg war am 21. 12. 1686 in Düren geboren, wurde am 21.9. 1715 zum Priester geweiht und war Primmissar (Frühmesser) in Billig. Die Pachtung von Stiftsbesitzungen durch Münstereifeler Kanoniker war durchaus möglich. Sie zahlten neben den Pachtabgaben eine besondere Gebühr an das Kapitel und bei einigen Gütern darüber hinaus eine Abgabe an jeden einzelnen Kanoniker. Die Verwaltung der gepachteten Stiftsbesitzungen lag in ihrer Hand. 21


29. Oktober 1752

Wenn der Vicarius Schnorrenberg auch zu diesem Zeitpunkt noch Villicus in Weingarten war, hat er nach dem Kapitularprotokoll 22 die größeren Umbauarbeiten an der Kirche in Weingarten dazu benutzt, am "schaftstall und ahnbau" alte Leyen von der Kirche zu verwenden. Vielleicht war Vicarius Schnorrenberg auch an einem wichtigen Bauabschnitt des Wohnhauses beteiligt, da das Kapitel zu Münstereifel gemäß Protokoll vom


26. März. 1754

beschloß, dem Halbwinner die Kosten zur "erhöhung eines Stockwerkes am Capitalshof zu Weingarten" auszuzahlen. 23 Dies ist eine sehr interessante Aussage, da das Wohnhaus des Kapitelshofs bis zu diesem Zeitpunkt ein einstöckiges Gebäude gewesen sein muß.

Nach der Aufstockung des Wohnhauses erfahren wir aus den Kapitularprotokollen, daß der Kapitelshof bis zu seinem Verkauf im Jahre 1805 ununterbrochen von der Familie Caspers bewirtschaftet wurde. Am


10. Juli 1767

zeigte der Villicus in Weingarten an, daß seine Pachtjahre 1768 zu Ende gehen, und er "stehet ahn vmb newe 12-jähriche Pfachtung für sich und seine Fraw" .Dem Antrag wurde unter den gleichen Bedingungen wie bei der letzten Verpachtung entsprochen. 24


16. März 1779

Der "halfen von Weingarten stehet an um eine newe Verpfachtung", weil seine Pachtjahre abgeflossen und dieses laufende das letzte Jahr sei.
Entscheidung des Kapitels: "Es soll bei der alten Pacht bleiben und der Pachtbrief nach dem vorigen ausgefertigt werden." 25

10. November 1790

"Anna Maria Caspers von Weingarten zeiget an, daß ihr Vater, der Capitulus halbwinner, daselbst ohnlängst verstorben "sei. Sie bittet um einen neuen Vertrag mit der üblichen Laufzeit von 12 Jahren, jedoch ohne Pachtung des "lohebusch " ; Anna Maria Caspers erhielt einen Pachtbrief mit einer Laufzeit vom 10. 11. 1790 bis zum 22. Februar 1803. 26 Hier scheint die noch nicht abgelaufene Pachtzeit ihres Vaters eingerechnet worden zu sein.

Die Eltern der Anna Maria Caspers waren Peter Caspers und Maria geb. Rittersbach. Peter Caspers stammte aus Arloff. Sie heirateten am 8.5. 1742. Die Mutter starb am 8.5. 1787, ihr Vater am 5.11. 1790. Anna Maria Caspers wurde am 22.4. 1755 geboren. Sie heiratete am 5.10. 1797 Carol. Casp. Müller aus Roitzheim. 27 Nach der Bevölkerungsliste vom 5. April 1801 hatten sie bis zu diesem Zeitpunkt keine Kinder. 28 Der Pachtbrief vom 10.11. 1790 wurde nicht auf den Namen ihres Mannes umgeschrieben.

Bei der Vorsprache der Anna Maria Caspers im Stift Münstereifel am 10.11. 1790 hat die pächterin u. a. auch die Verpachtung "gegen einen trockenen und nassen Weinkauf wie gewöhnlich zu sagen " erwähnt. Auf diese beiden Begriffe soll daher kurz eingegangen werden: Früher war es allgemein Sitte, daß jedesmal bei Abschluß eines wichtigen Geschäftes, zur Besiegelung eines Vertrages oder zur Bekräftigung eines Handels Wein getrunken (nasser Weinkauf) oder ein Trinkgeld (trockener Weinkauf) dafür gegeben wurde. Da beim Weinkauf häufig Ausartungen vorkamen, wurde behördlicherseits oft dagegen eingeschritten. Im Jülicher Land wurde 1743 für die herrschaftlichen Versteigerungen die seither übliche Bedingung trockener Weinkaufsgelder verboten. Der Großherzog von Berg verordnete 1807, daß bei keinem gerichtlichen Akt fortan mehr trockener Weinkauf genommen oder Getränke gereicht werden dürften. 29


Als 1802 die französischen Säkularisationsgesetze in abgeänderter Form auf die von den Franzosen erworbenen deutschen Gebiete übertragen wurden, verloren die linksrheinisch gelegenen geistlichen Institutionen ein bedeutendes Vermögen. Säkularisation bedeutet dabei im weiteren Sinne den Übergang von kirchlichem Eigentum in die Verfügungsgewalt des Staates. Auch der Entzug der Nutznießung von geistlichen Gütern rechnet mit zur Säkularisierung. Anfänglich wurde ein bedeutender Teil von Gütern der geistlichen Institutionen den Franzosen verschwiegen. Sie wurden jedoch im Laufe der Zeit zum größten Teil entdeckt.

Im Roerdepartement, zu dem Weingarten gehörte, wurden die Verkaufsbedingungen am 4. Frimaire XI (25. November 1802) bekanntgemacht. Südlich von Weingarten begann das Rhein-Mosel-Departement, wozu schon der Hardtwald gehörte. Die Verkäufe wurden öffentlich durchgeführt. Zur Versteigerung wurden nur solche Personen zugelassen, die in der Steuerrolle eingetragen waren. Andernfalls mußte der fünfte Teil des Taxpreises des Objektes, das von der betreffenden Person ersteigert werden sollte, als Sicherheitsleistung hinterlegt werden. Die Versteigerung wurde im Beisein des Domänendirektors beim Ausbrennen einer Kerze an den Meistbietenden vorgenommen. Im niedrigsten Falle mußten die Gebote 5 frs. über dem Taxpreis liegen.

Die französische Verwaltung war gezwungen, so viele Güter wie möglich anzubieten, denn der französische Staat war auf den Eingang des Verkaufserlöses angewiesen, um die Staatsschulden zu tilgen, die Kriegskosten zu decken und die in Geld fälligen Dotationen finanzieren zu können. Käufer waren im allgemeinen die mittelständischen Bürger, wie z. B. Ärzte, Lehrer, Händler, Handwerker und Notare. Die teuren Objekte wurden vor allem von Fabrikanten und Großhändlern ersteigert.

Eine überragende Stellung im Roerdepartement als Käufer nahm die Firma Minette & Defay in Lüttich ein. Im Arrondissement Bonn traten vor allem die Bonner Makler in Erscheinung. Hier ist insbesondere der spätere Bonner Oberbürgermeister Windeck (geb. in Münstereifel) mit seinem Bruder zu nennen, der mit 50 getätigten Käufen den ersten Platz in unserem Gebiet einnahm. Die Gebrüder Windeck traten oft in Geschäftsverbindung mit anderen, besonders mit Moses Seligmann, als Käufer auf. 30

Der Verkauf des Kapitelshofs in Weingarten wurde von einem Herrn F. A. Daniels vom Domänenbüro Düren eingeleitet. Dieser erschien am 5. Vendemiaire des Jahres XIII (27. September 1804) mit dem Auftrag des Präfekten, das zum Kauf anstehende Objekt zu begutachten. Die pächterin Anna Maria Caspers legte ihm einen Pachtbrief des inzwischen aufgelösten Kanonikerstifts Münstereifel vom 10. November 1790 vor, der am 22. Februar 1803 abgelaufen war. Der jährliche Pachtpreis betrug 6 Malter Weizen, 6 Malter Roggen, 15 Malter Spelz und 16 Malter Hafer (Maß von Münstereifel), 1 fettes Schwein von 140 Pfund, belastet mit 2/3 der Abgaben und für den Transport eines Stückes Wein 2 Reichsthaler. Hieraus hat Herr Daniels eine

Pacht in Geld von 470 Franken errechnet. Der Gutachter beschreibt den Kapitelshof mit seinen Gebäuden wie folgt:

"Ein kleiner Bauernhof, genannt Capitelshöffgen, bestehend aus Wirtschaftsgebäuden des Pachthofes und aus der Wohnung für den Pächter. Das Wohnhaus, errichtet in Holz, enthält im Erdgeschoß die Küche mit Backhaus und eine Kammer mit einem nicht gewölbten Keller darunter. Im ersten Stock befinden sich 2 Schlafkammern mit einem Speicher darüber, bedeckt mit Ziegeln. Neben dem Haus befindet sich ein Pferdestall unter demselben Dach. Hierneben ist der Kuhstall in abgängigem Zustand. Gegenüber vom Haus sind die Schweine-Koben mit Stroh gedeckt und eine Schäferei mit einem Dachboden darüber, gedeckt in Ziegeln. Zur Linken des Wohnhauses befinden sich die Scheune mit einem Krautgarten daneben und ein kleiner Hausgarten von der Größe einer Pinte oder 1 ar 6 centiar, grenzend an Heinrich Fäusser; hinter dem Kuhstall und dem Pferdestall befindet sich ein weiterer kleiner Hausgarten von 2 1/2 Pinten oder 4 ar 16 centiar, der auf beiden Seiten auf die Straße und die ,herrschaftliche Mühle' stößt." Hierauf folgt die Beschreibung der einzelnen Ackerparzellen und der Benden.

Das Verkaufsobjekt erstreckte sich auf die vorgenannten Gebäude, 29a Garten, 3,12 ha Benden und 16,71 ha Acker. Der Gutachter nahm als Wertmaßstab 20 Jahre des jetzigen Ertrages und errechnete einen Wert von 9400 Franken. Von dieser Summe zog er den Wert der Nutzung für 39 Morgen im Stotzheimerloch ab, die zu diesem Zeitpunkt aufgehoben war. Er setzte die endgültige Bewertung auf 8000 Franken fest. Sein Aufenthalt in Weingarten dauerte 3 Tage. Am 29. Nivöse Jahr XIII (19. Januar 1805) akzeptierte die Maklerfirma Minette & Defay aus Lüttich den vorgenannten Kaufpreis. 31

Im Jahre 1807 war ein Gerhard Billig Eigentümer des Kapitelshofes 32, und die "Urkarte"33 von Weingarten-Rheder aus dem Jahre 1829 weist aus, daß ein Josef Hartzheim, Bonn, zu dieser Zeit Eigentümer des Wohnhauses war. Gerhard Billig, inzwischen Küster und Lehrer an der "Küsterschule" zu Weingarten, besaß lediglich noch ein Gebäude auf dem anschließenden heutigen Grundstück von Herbert Spilles und Ehefrau Agnes geb. Gebertz.



Anmerkungen


1) Löhr, Wolfgang, Kanonikerstift Münstereifel, Buskirchen 1969, S. 73
2) Löhr, a. a. 0., S. 76 ff.
3) Stadtarchiv Köln, Mariengrader Stift, Akten Nr.14g, Zinsregister Flamersheim von 1773-1792
4) Stadtarchiv Köln, Zivilprozeß Nr.4, 1371-1375
5) Löhr, a. a. 0., S. 26
6) Rotthoff, G., Die Urkunden des Archivs der Pfarrkirche St. Crysanthus und Daria in Münstereifel, Euskirchen 1959, Urkunde Nr.10
7) Hauptstaatsarchiv Düsseldorf (HStAD), Stift Münstereifel, Urkunde Nr. 88
8) HStAD, Stift Münstereifel, Akte Nr.5p und Reinartz, N., Weistümer unserer Heimat, Buskirchen 1940, S. 29 und 38
9) HStAD, Kurköln 11, Akte Nr.2547
10) Reinartz, N ., a. a. 0., S. 37 ff.
11) HStAD, Stift Münstereifel, Akte Nr.5p
12) Reinartz, N ., a. a. 0., S. 43
13) HStAD, Stift Münstereifel, Akte Nr.5p
14) Ebd.
15) Ebd.
16) HStAD, Stift Münstereifel, Akte Nr. 1, I
17) Ebd.
18) HStAD, Stift Münstereifel, Akte Nr. 1, III
19) HStAD, Stift Münstereifel, Akte Nr. 1, IV
20) Janssen/Lohmann, Der Weltklerus in den Kölner Erzbistums-Protokollen, ein Necrologium Coloniense 1661-1825, Köln 1935
21) Löhr, a. a. 0., S. 79
22) HStAD, Stift Münstereifel, Akte Nr.1, VI
23) Ebd.
24) HStAD, Stift Münstereifel, Akte Nr. 1, VII
25) HStAD, Stift Münstereifel, Akte Nr. 1, VIII
26) HStAD, Stift Münstereifel, Akte Nr. 1, IX
27) Pfarrarchiv Kreuzweingarten, Register, Taufen 1714-1805, Heiraten 1705-1798, Sterben 1715-1808
28) HStAD, Roer-Departement, Akte Nr. 1735 II, H. 8
29) Zitzen, E. G., Der Wein in der Wort- und Wirtschaftsgeschichte, Bonn 1952, S. 95
30) Kliesing, G., Die Säkularisation in den kurkölnischen Ämtern Bonn, Brühl, Hardt, Lechenich und Zülpich in der Zeit der französischen Fremdherrschaft, Bendorf 1932, S. 123
31) HStAD, Roer-Departement, Akte Nr. 3182
32) Landeshauptarchiv Koblenz, Bestand 256, Nr.6770
33) HStAD, Reg. Köln, Kataster, Nr. 14012


Entnommen: „1100 Jahre Wingarden“ - Kreuzweingarten 893-1993


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