Die Kapitelsmühle zu Weingarten

Von Hans Regh


Nach dem Prümer Urbar von 893 hatte die Abtei Prüm in Weingarten zwei Mühlen. Als Grundherr besaß sie damit auch den Mühlenbann. Gleichzeitig mit der wachsenden Unabhängigkeit des Kanonikerstifts Münstereifel von der Abtei Prüm im 12. Jahrhundert gelang es dem Kapitel, auch nach und nach die Mühlenrechte der Abtei an sich zu bringen. Zu Anfang des 12. Jahrhunderts hatte das Stift noch keine eigene Mühle. Die erste Mühle wurde ihm durch Abt Poppo von Prüm im Jahre 1112 geschenkt; sie lag an der Erft. Hiermit war die besondere Auflage verbunden, an seinem Geburtstag vierzig Armen ein Almosen zu geben. Die Schenkung hat Abt Gregor von Prüm im Jahre 1171 ausdrücklich bestätigt. Die Abtei Prüm hat sich in der Folgezeit mehrmals mit Erfolg dagegen gewehrt, daß ihr Mühlenbann durch fremde Mühlenbauten durchbrochen wurde. Das Kanonikerstift Münstereifel besaß im 13. Jahrhundert eine Mühle in Kirspenich (1299), zu Anfang des 14. Jahrhunderts vier Mühlen im Münstereifeler Pfarrbezirk und im 15. Jahrhundert eine weitere Mühle in Weingarten. 1


10. August 1482

An diesem Tage verpachtete das Kapitel zu Münstereifel an Johann Waell und dessen Frau zu Kirspenich durch "Brieff" seine Mühle in Weingarten für 20 Jahre. Die Pacht betrug 10 Malter Roggen und 10 Malter Gerste. Dies ist die älteste noch vorhandene Urkunde über die Kapitelsmühle zu Weingarten. 2

Es vergehen über 100 Jahre, bis wir auf den nächsten Pachtbrief stoßen. Am


27. Januar 1596

verpachteten Dechant und Kapitel ihre Mühle in Weingarten auf 24 Jahre für 4 Malter Korn, 8 Malter Spelz (Dinkel) und 8 Malter Hafer an Marsilius von Palandt, Herrn zu Wachendorf. Wachendorf war 1513 an Johann von Palandt gekommen und blieb bis 1687 im Besitz der Familie. 3 Die Pacht wurde als niedrig bezeichnet, weil in ihr auch die zugehörigen Ländereien von 26 ½ Morgen einbegriffen waren.
Der Pachtbrief trägt die Siegel des Stifts, des Herrn von Palandt und des Schöffengerichts zu Arloff. 4


Von etwa 1600

stammt das Weistum des Münstereifeler Kapitelshofes zu Weingarten, in dem die Rechte und Verpflichtungen des dem Stiftskapitel zu Münstereifel gehörenden Kapitelshofs (Fronhof) zu Weingarten gegenüber den mit den Gütern des Stiftes belehnten hofhörigen Leuten sowie der Gemeinde (Kirchspiel) gewiesen werden.

In der dritten Acht dieses Weistums weist der Schöffe den Klosterherren eine Mühle. Die Weistümer kennen als Mühlwerk nur die Wassermühle. Die primitive und bei weitem ältere Handmühle findet keine Erwähnung. Das betrifft auch die Windmühlen. Die Handmühle aus ältester Zeit zählte zu den notwendigsten Hausgeräten und diente zum Mahlen des Getreides. Man hat Reibesteine und Basaltlava auf dem Kaiserstein zwischen Rheder und Billig und noch ältere am Ringwall auf dem Burgberg gefunden. 5 Die Wassermühle war im Mittelalter als einzige maschinelle Betriebsanlage des platten Landes von hoher wirtschaftlicher Bedeutung. Zur Zeit unserer Weistümer nahm auf dem Gebiet des Mühlenwesens die Grundherrschaft unbestritten die erste Stelle ein; ihr Einfluß machte sich bei der gesamten gesetzlichen Ordnung des Müllereigewerbes geltend. In der großen Masse der herangezogenen Weistümer findet sich nirgends ein Beleg für eine im Eigentum eines Müllers stehende Mühle. Auch zur Zeit, in der das Recht, eine Mühle zu errichten, zum freien Grundeigentum gehörte, sind nur selten "kleine Leute" als Mühlenbesitzer nachzuweisen. Der Begründung, diese Erscheinung entspräche der Kostspieligkeit der gesamten Mühleneinrichtung, muß man zustimmen.
Die meisten grundherrschaftlichen Mühlen waren mit dem Recht des Mühlenbannes und des Mahlzwanges ausgestattet. Das Mühlenbannrecht bestand in einem Verbietungsrecht, kraft dessen der Bannberechtigte die Erbauung einer Mühle in einem bestimmten Bezirk verhindern konnte. Der Mahlzwang verbot zu Gunsten des Berechtigten den Bewohnern eines gewissen Gebiets, ihren Mahlbedarf auf einer anderen als der Zwangsmühle mahlen zu lassen. Durch diese bannrechtliche Gestaltung des Müllereiwesens sicherten sich die Grundherren eine ständige Benutzung ihrer Mühlenanlage und somit eine dauernde Finanzquelle. Die Strafen für unberechtigtes Ausmahlen waren in den einzelnen Rechten verschieden festgesetzt. 6
Erzbischof Philipp von Köln hatte dem Münstereifeler Stiftsdechanten im Jahre 1171 das Recht eingeräumt, diejenigen zu exkommunizieren, welche die Münstereifeler Mühlordnung verletzten. 7
Mit der Einführung des Code Napoleon (1810-1812) während der französischen Besetzung wurde der Mühlenbann aufgehoben. 8
Marsilius von Palandt hat die Pachtzeit von 24 Jahren, die im Pachtbrief vom 27. Januar 1596 vereinbart war, nicht erfüllt, denn am


24. Januar 1607

verpachtete das Kapitel von Münstereifel die "Mahl Mullen zu Wingarden" an "Frederichen, Hilger Müllers Sohn von Holtz Mülheim vnd Dientgen, Hilger Halffens Tochter von Lintweiler Eheleuten " auf die Dauer von 12 Jahren bei einer ... Pacht von 4 Malter Korn, 4 Malter Gerste, 8 Malter Spelz und 8 Malter Hafer. Die Lehnsleute wurden zudem dazu verpflichtet, die Ländereien in entsprechender "mistung" zu halten und den " Wasserfluß" so zu verbauen, daß an den Benden kein Schaden entstehe. 9 Unabhängig von diesem Pachtbrief war das Inventar der Mühlen in der Regel genau vorgeschrieben, wie Sester, Sümmer, Pint, Schüssel, Metze, Viertel und Siebe für die verschiedenen Kornarten und das Mehl. Die zum Messen im Geschäftsverkehr des Müllers mit seinen Kunden dienenden Hohlmaße mußten
geeicht sein. 10 Am


16. Juli 1636

verpachteten Dechant und Kapitularen zu Münstereifel dem "Erbaren vnd Tugentsamen Huprechten von Metternich vnd Apollonia, eheleuten " ihre Kapitelsmühle zu Weingarten auf die Dauer von 12 Jahren. Es fällt auf, daß die Lehnsherren die Eltern des vorgenannten Huprechten, und zwar die Eheleute Peter Müller und Sybilla von Metternich, verpflichten, zur Sicherung der übernommenen Verpflichtungen aus dem Pachtbrief "haus vnd gueter" durch das Gericht zu Metternich zu " verhypothesiren“.

Die Pachtdauer betrug 12 Jahre; die jährliche Pacht war auf 4 Malter Korn, 4 Malter Gerste, 8 Malter Spelz und 8 Malter Hafer Münstereifeler Maß festgesetzt. Das alte Münstereifeler Fruchtmaß ist bekannt: ein Malter beträgt ca. 1,4 hl = 5 Sümmer = 10 Sester = 20 Viertel = 80 Pinten oder Mütger. Die Berechnung der Frucht nach Hohlmaßen war natürlich nicht so exakt wie die heutige nach Gewicht. Daraus ist der üble Leumund des früheren Müllergewerbes zu verstehen. So heißt es im Weidesheimer Weistum: " Wäre Sache, daß sich der Müller verginge und weiter in den Sack taste, denn ihm der Geschworene zuweist, wo man dann das Pferd oder Karre kriegen kann auf der Straße, soll man das Pferd an einen Stecken oder Atze (Stütze an alten Häusern) binden und einen Schauf oder Schanze vorsetzen -siehe folgende Anmerkung -: kommt dann der Müller, daß er es losbind sonder Erlaubnis des Herrn, so soll man ihm sagen, was er verbrochen hat". 11 Der bereits genannte Mahlzwang ist für die Kapitelsmühle in Weingarten in einem Pachtbrief vom


23. September 1689

belegt. Die Lehnsleute Lehnarten Mülleren von Glehn und dessen haußfrawen Marion schwartz "sollen vnsere hofs vndt Lehnleuthe, so auf vnserer mülle zu mahlen gezwungen sonst auch andere auswendige über die gebühr vndt alten her Kommen nicht beschweren sondern sich dem hofs wißthumb vndt altem gebrauch in allem bequemen. .." 12
In der Folgezeit bis zum Jahre 1760 fehlen uns die Namen der Mühlenpächter. Von 1703-1802 stehen uns die sogenannten "Kapitularprotokolle" 13 im Nordrhein-Westfälischen Hauptstaatsarchiv in Düsseldorf zur Verfügung. Wir erfahren unter dem Datum


27. August 1711

vom Protokollführer des Kapitels zu Münstereifel, daß der "Molitor von Weingarten" dort erschienen war, um das Holz zum Bau eines neuen Mühlenrades zu erhalten. Der Antrag wurde abgelehnt, weil "dem Pachtvertrag zuwider, da derselbe alleinig solchen baw anzuschaffen hat" .
Wahrscheinlich war es derselbe Pächter, der am


19. August 1713

wiederum beim Kapitel in Münstereifel vorstellig geworden ist und um Pachtnachlaß nachgesucht hat " wegen Schaden von Mäusen". Die Entscheidung zu diesem Begehren ist nicht bekannt.


22. April 1717

Der Müller von Weingarten meldete, daß seine Wohnbehausung so baufällig sei, daß man sich bei Gefahr für Leib und Leben nicht darin aufhalten könne.


16. August 1719

Der neue Müller aus Lommertzheim (Name nicht bekannt) pachtete die Mühle in Weingarten bei einem " trockenen Weinkauf" ( siehe den Beitrag "Der Kapitelshof zu Weingarten ").

19. Januar 1724

Der Molitor von Weingarten beanstandete beim Kapitel von Münstereifel den Zustand der "brücke für sein mhülenhauß" und bat, daß seine Pachtung noch 18 Jahre verlängert werden solle.

1. Februar 1760

Das Kapitularprotokoll weist aus, daß "abgelebten mülleren Anton Krupp hinterlassend wittib gestern persönlich dahier zugegen war" und bat, "die noch laufende pfachtjahre ihrem Sohn petro Krupp zu übertragen". Der vorgenannte Anton Krupp hatte am 7. 4. 1728 die Witwe Maria Magdalena Wilckes aus Stotzheim geheiratet. Sie hatten 6 Kinder. Anton Krupp starb am 30. 1. 1759. Der vorgenannte Sohn Peter Krupp ist im Taufbuch als Johannes Petrus eingetragen. Er wurde getauft am 23.3. 1729 und heiratete am 18.2. 1760 A. Cath. Ritter aus Antweiler. Die beiden hatten 8 Kinder. Er starb am 29. 11. 1782. Das Anwesen Krupp grenzte unmittelbar an die Mühlenanlagen.


10. Dezember 1725

Der vorgenannte "Müller aus Lommertzheim" trug dem Kapitel zu Münstereifel vor, daß er wegen des schlechten Zustands "ahn hauß, ställen vndt sonsten Viele V nkosten " getragen habe.


1. Juni 1768

Der "Molitor von Weingarten " zeigte an, daß das Backhaus eingefallen sei und der Esel- und Schweinestall ebenfalls vom Einsturz bedroht seien. Er bat um Holz zur Reparatur .


16. J anuar 1777


"Müller von Weingarten klaget", daß diese Nacht durch das Gewässer der Mühlendeich ganz durchgebrochen sei und er kein Wasser zum Mahlen habe. Er bat, ihm das "nötige gehölz zu dessen reparation zukommen zu lassen".


25. Juli 1777


"auswendiges mahlen zu weingarten"

Der Scholaster trug vor, der Müller zu Weingarten habe sich darüber beklagt, daß der Scheffen Schmitz daselbst nach Arloff "Früchte eingeführt und mahlen lassen hätte" .Daraufhin habe sich der Kanonikus Frangenheim nach Kuchenheim zu Herrn Schultheißen Tils begeben und dieses Verhalten vorgetragen. Wenn ein solches Verhalten des Scheffen Schmitz nochmals vorkäme, schlug Frangenheim vor, würden die Früchte als Pfand genommen und die "Komigen arrettiert" .


30. J anuar 1778

Peter Krupp, Müller des Kapitels zu Weingarten, zeigte an, daß "durch das großer Wasser" das Mühlenwehr in völligen Unstand geraten sei, er kein Wasser "im Deich" habe und die Mühle still stehen müsse. Die Kanoniker Eschweiler und Schmitz erhielten Auftrag, die neue Einrichtung zu besorgen und darüber zu berichten. Peter Krupp beantragte einen neuen Pachtbrief. Dieser wurde zugesagt.


1. April 1783

"Herr Canonikus Schmitz senior vermeldet, daß Kapitularen Mühlerin von Weingarten ihm angezeigt, daß das mühlenwerk daselbst durch das große Wasser beschädigt worden, und daher entstanden, weil die oben liegenden Erben auf dem ihrigen nicht genugsame wehr thäten. "

Bei der "Mühlerin " handelte es sich um die Witwe Anna Catharina Krupp geb. Ritter, deren Mann am 29.11. 1782 verstorben war. Mit den "oben liegenden Erben" könnten die "Erben Schmitz" gemeint sein, die auch Eigentümer der späteren Gaststätte "Zum alten Brauhaus" waren. Die Anlagen der Kapitelsmühle verursachten aufgrund der Erkenntnisse aus den Kapitularprotokollen einen dauernden Unterhaltungsaufwand, denn am


30. März 1786


"zeigt die Mühlerin von Weingarten an, daß sie eine Spille nötig" und bat "sohin Capitulum mögte ihr einen Baum hiermit im Capitulum busch anweisen lassen".


26. Juni 1788

Herr Koch, Baumeister des Kapitels zu Münstereifel, berichtete, "zu Weingarten gewesen zu sein und befunden zu haben, daß das Wasser nach Kirspenich seiten oben und neben dem wehr ein großes Stück hier weggeflößet, welches nicht anders durch anlegung eines kleinen wehrs oben dem alten würde können verbeßert werden, wo aber der strom noch allzu stark müßte man die Zeit abwarten, bis das wasser wieder in seinen behörigen schranken wäre".


3. Juli 1789

"Wittib Krupp mühlerin von Weingarten stehet an um eine neue Pfachtung, weil dieses das letzte Jahr wäre, und zeigt zugleich, daß es ohn umgänglich nothwendig wäre, daß das wehr instandgesetzt würde, wenn nicht befürchtet werden wolle, daß die mühle heut oder morgen trocken stehen könnte". Man möge "ihre neue Pfachtjahren zusagen, und den Pfachtbrief nach den alten expedyren". Dem Kapitularprotokoll vom

27. September 1789

entnehmen wir, daß der Auftrag gegeben wurde, " wegen des zu fertigenden Wehrs an der weingartener mühle das nötig findende zu veranlassen" .
Mit der Säkularisation im weiteren Sinne - dem Übergang von kirchlichem Eigentum in die Verfügungsgewalt des französischen Staates - wurde auch die Kapitelsmühle verkauft. Der vereidigte Sachverständige Daniels vom Domainenbüro Düren fertigte am 8. Vendemiaire des Jahres XIII (30. September 1804) ein Gutachten an über den Wert der Kapitelsmühle mit allen Anlagen und Grundstücken. Er stellte zunächst fest, daß ein Pachtvertrag zwischen dem Kapitel von Münstereifel und der Witwe
Pierre Krupp bestand, dieser eine Laufzeit vom 5.2. 1802 bis 22. Februar 1814 hätte und der jährliche Pachtzins 5 Malter Roggen, 4 Malter Gerste, 8 Malter Dinkel (Spelz), 8 Malter Hafer (nach dem Maß von Münstereifel) und 52 Gulden in Silber betrug. Die gesamten Anlagen wurden wie folgt beschrieben:
a) Wassermühle für Getreide mit 2 Rädern,
b) Mühlenanwesen aus Stein und gedeckt mit Ziegeln,
c) einstöckiges Wohnhaus aus Holz (Fachwerk) mit einer Küche, einer Speisekammer und einer Stube, darüber ein mit Ziegeln gedeckter Bodenraum und ein Schlafzimmer,
d) neben dem Wohnhaus ein Pferdestall unter demselben Dach und
e) Scheune, Stall und Schweinestall.
Hinzu kommen ein Küchengarten, ein großer Obstgarten, 2,12 ha Wiese und 6,82 ha Ackerland.

Der Gutachter bezifferte den Kaufpreis unter Berücksichtigung der Einkünfte von 12 Jahren auf 3 566 Franken.

Dieses Angebot wurde am 19.1.1805 von einem Joseph Cürger (?) akzeptiert. 14
Aus einem "alten Kirchenbuch" im Pfarrarchiv Kreuzweingarten, enthaltend u. a. eine Auflistung über "Spendbrod für die Pfarrarmen " erfahren wir, daß vom Mühlengut jährlich 8 Pfund Brot abzuliefern waren. Dieses "alte Kirchenbuch" ist von Pastor J.J. Müller im Jahre 1794 angelegt und bis zu seinem Weggang im Jahre 1812 fortgeschrieben worden. Die in gleicher Handschrift geschriebene Berichtigung "modo Herr Fingerhuth zu Cochenheim als Ankäufer" klärt uns darüber auf, daß die ehemalige Kapitelsmühle vor 1812 weiterverkauft worden ist. Der anschließende Vermerk "modo Mathias Stoltz in Weingarten " ist - dies ist aus der Handschrift zu ersehen - nach 1812 geschrieben worden.
Die Papiermanufaktur Fingerhuth in Kuchenheim (1801-1842) hatte 50 Beschäftigte und wird, da die ehemalige Getreidemühle in Weingarten in der Urkarte von 1829 nunmehr als "Papiermühle" erscheint, für die Umwandlung in Betracht kommen.
Die Anzeige vom 21. Februar 1831 im Amtsblatt der Königlichen Regierung zu Köln mit dem Wortlaut: "Mathias Stolz beabsichtigt, auf seinem Eigenthume, seiner Papiermühle gegenüber, auf dem nämlichen Mühlenteich zu Weingarten, Bürgermeisterei Wachendorf, im Kreise Euskirchen, eine unterschlägige Gelmühle anzulegen", ist nicht eindeutig in die Geschichte der Kapitelsmühle einzuordnen, weil in späteren Unterlagen eine Ölmühle nicht erwähnt ist. 1832 war Mathias Stolz in Weingarten Eigentümer der Papiermühle. Das Intelligenzblatt für den Kreis Schleiden aus dem Jahre 1848 enthält folgende Anzeige: "In meiner Knochenmühle hier zu Weingarten kann täglich frisches Knochenmehl aufgeladen werden, auch ist fortwährend rein gebrannter Mauer- und Feldkalk zu billigen Preisen am hiesigen Kalkofen zuhaben.
Weingarten, den 15. September 1848
Mathias Stolz"


Blick auf den Standort der Kapitelsmühle, rechts Haus Trimborn.


1858 betrieben die Geschwister Stolz die " Unterste Weingartener Mühle" ( ehemalige Kapitelsmühle) und die "oberste Weingartener Mühle" (Mühle Schorn). Für 1860 gibt es im Kreisarchiv Euskirchen eine Belegstelle, die
a) Hilarius Stolz aus Weingarten als Mühlenbesitzer benennt,
b) die Mühle als Papiermühle bezeichnet und
c) die "frühere Knochenmühle" erwähnt. 15
Hilarius Stolz war geboren am 1. Dezember 1815 und starb am 28.Januar 1877. Nachdem er mehrere Jahre als Vorsteher der Gemeinde Weingarten tätig war, wurde er 1846 von der Königlichen Regierung zu Köln zum Bürgermeister der Gemeinde Wachendorf ernannt. Als solcher wirkte er 30 Jahre lang. Infolge eines hartnäckigen Gehörleidens mußte er sein Amt am 31. Dezember 1876 niederlegen.
Während bis zum Ende des 19.Jahrhunderts die Technik in den Getreidemühlen außer der Einführung des Beutelwerkes (U nterteilung in Mehl, Schrot und Kleie) um 1500 im wesentlichen unverändert geblieben war, brachten nun grundsätzliche Neuerungen Umwälzungen im Mühlenbetrieb mit sich. Durch den Einbau von Eisenturbinen, der für die Zeit von 1880-1925 angenommen werden kann, war es möglich, die Wasserkraft rationeller auszunutzen. Die Entwicklung des Walzenstuhls (1820-1900) führte zum Wandel der traditionellen Müllerei zur industriellen Mehlherstellung. 16
Am 2. März 1921 erteilte der Kreis Euskirchen dem Landwirt Anton Dederichs in Weingarten die Genehmigung, zum Antrieb einer Turbine in seiner Mühle das Wasser der Erft an der Gemeindegrenze von Weingarten und Arloff anzustauen und in den Mühlenteich einzuleiten. 17 Das war das Ende der bereits im Jahre 893 erwähnten Mühlen.
Über die Jahrhundertwende hinweg ist bei allen Belegstellen, angefangen im Jahre 1482, immer nur von " unserer Mahl Mullen, unserer im Dorf wingarden gelegenen Zwangsmahlmüllen, unserer Mähl Mullen zu wingarden, der moellen zu wingarden, der mühlerin von Weingarten, dem Müllner von Weingarten, dem Molitor in Weingarten" usw. die Rede. Der Bestand einer zweiten Mühle liegt im Dunkel. Erst im Jahre 1590 erfahren wir aus einer Beschreibung des Amtes Hardt über die Dörfer " Weingarten und Reyden", daß es in Weingarten 2 "Müllen" gibt. Die eine ist "dem Stift zu Münstereyffell zurstendig" und "die andere mühl einem folIeren genandt, zurstendig". 18 Am 8. Mai 1674 hat der Vikar Anton Viltz, Neffe des aus Weingarten stammenden Landdechanten Everhard Boßhammer, dem Notar Petrus G,eych zu Protokoll gegeben, daß er mit seinem vorgenannten Onkel "zum garten Hinder der Mahll-Müllen gangen" und " Von dan langs die Voll Müllen über die bach". 19 Follmühlen oder Vollmühlen waren Walkmühlen. In einer Walkmühle kam das ferti.g gewebte Tuch in die sogenannte " Walke". Es wurde zunächst durch Auswaschen in Seifen- und Alkaliwasser von dem in den Fäden sitzenden Fett und Leim befreit. Hierauf wurde es ausgeschleudert; dann machte es der Walker dicker und filziger, indem er es mit Holzhämmern oder zwischen zwei Rouletten bearbeitete. In den Walkmühlen geschah dieses Schlagen oder Hämmern des durchnäßten Tuches durch hölzerne Stoßhämmer. 20 Pastor Johann Joseph Müller (1791-1812) verwendet in seinem "Kirchenbuch" von 1793 die Bezeichnung "Nun oben an der Olligsmühl". Diese Mühle wurde 1808 als Ruine bezeichnet. 21


Anmerkungen


1) Löhr, W., Kanonikerstift Münstereifel, Euskirchen 1969, S. 76
2) Hauptstaatsarchiv Düsseldorf (HStAD), Stift Münstereifel, U Nr. 132
3) Pesch, J., Die Vordereifel, Euskirchen 1901, S.116
4) HStAD, Stift Münstereifel, U Nr.229
5) Reinartz, N., Weistümer unserer Heimat, Euskirchen 1940, S. 40
6) Schulte, E., Das Gewerberecht der Mühlen nach den deutschen Weistümern, Heidelberg 1909, S. 366
7) HStAD, Stift Münstereifel, U Nr. 13
8) Volkskultur an Rhein und Maas, Hrsg. Amt für rheinische Landeskunde Bonn, Heft 3/86, S. 15
9) HStAD, Stift Münstereifel, Akte 5 p
10) Schulte, a. a. 0., S. 378
11) Reinartz, a. a. 0., S. 41
12) HStAD, Stift Münstereifel, Akte 5 p
13) HStAD, Stift Münstereifel, Akte Nr.1
14) HStAD, Roer-Dep., Akte 3182
15) Kreisarchiv Euskirchen, Akte I, 1177
16) Volkskultur an Rhein und Maas, a. a. 0.
17) Kreis Euskirchen, Akte BA 48-21, v. 2.3.1921
18) HStAD, Kurköln II, Akte Nr.1472
19) HStAD, Kurköln XII, Akte Nr. 128
20) Renelt, H., Die historische Entwicklung der Euskirchener Tuchindustrie, Euskirchen 1921, S.1
21) HStAD, Roer-Dep., Akte 2534


Entnommen: „1100 Jahre Wingarden“ - Kreuzweingarten 893-1993


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