Die Eremitage „Clemensberg“ im Hardtwald

Von Hans Regh


Eremiten sind Menschen, die abgesondert voneinander und zurückgezogen von Alltagsgeschäften und dem Lärm der Welt in der Einsamkeit leben. Sie bekennen sich im Gegensatz zu den gemeinsam Lebenden zu einer bestimmten Regel, nach der sie grundsätzlich ein einsames Leben führen und für ihr ewiges Heil wirken. So gilt gewöhnlich der hl. Paulus, der seit etwa 250 in der ägyptischen Wüste 90 Jahre verborgen zubrachte, als der erste, d. h. berühmteste Einsiedler, gleichsam als Stifter der in Rede stehenden Lebensweise. Die Lebensform der Eremiten hatte dennoch auch ihre großen Gefahren. Nicht alle waren mit lauterer Absicht in die Einöde gegangen; nicht alle bewahrten Mut und Kraft, um deren Lasten zu tragen. Es sind bekannt und erwähnenswert nahezu 50 männliche Einsiedler-Gesellschaften. Im Gegensatz hierzu kann man nur einige wenige weibliche Gesellschaften benennen.1

Dem ersten Eremiten in der Erzdiözese Köln begegnen wir im Jahre 1134, als sich ein Ritter namens Walther auf dem Stromberge im Siebengebirge niederließ. Soweit die spärlichen Nachrichten erkennen lassen, lebten die meisten Eremiten, ohne daß sie besondere Gelübde abgelegt hätten, nach der Tertiarierregel des hl. Franziscus. Der mittelbare Vorgesetzte der Eremiten war der Diözesanbischof. Bei ihm mußte die Ermächtigung zur Errichtung einer Eremitage, wenn diese als eine offizielle gelten sollte, beantragt werden. Durch eine Verordnung des Erzbischofs Clemens August vom Jahre 1745 wurde das Eremitenwesen vollständig neu geordnet; das Verhältnis der einzelnen Eremiten untereinander, zu ihren Vorgesetzten und zur erzbischöflichen Behörde wurde geregelt. Bisherige Gepflogenheiten in der Lebensweise der Eremiten wurden in eine gewisse Ordnung gebracht. Der Erzbischof setzte einen erzbischöflichen Kommissar ein, "der berufen sei, unter der Oberaufsicht des jeweiligen Generalvikars den Eremiten vorzustehen". In der Verordnung von 1745 war bis ins einzelne die Tagesordnung für die Eremiten festgelegt. Eine tägliche halbstündige Betrachtung oder eine geistliche Lesung, Anhören der hl. Messe, mehrfache Gewissenserforschung und tägliches Beten des Rosenkranzes waren vorgeschrieben. Die übrige Zeit war mit körperlicher Arbeit zu verbringen. Der Gehorsam gegenüber dem Ortspfarrer war den Eremiten ganz besonders eingeschärft. Frauenspersonen durften unter keinem Vorwande in einer Eremitage Aufenthalt nehmen. Wirtshäuser zu besuchen oder bei den Bauern " von Haus zu Haus essen zu gehen" war nicht gestattet, viel weniger "des Trinkens wegen Besuche in der Klause oder in dem Garten zu empfangen". Bei jeder Eremitage war ein Gemüsegarten vorgesehen; das Einholen von Almosen bedurfte nach Zeit und Ort der Genehmigung des Kommissars. Der zuständige erste Kommissar für das Eremitenwesen des jülich-kölnischen Territoriums war der Pastor von Sindorf, Peter Zehnpfennig. Er starb 1766. Auf ihn folgten Johann Faber, Pastor in Götzenkirchen und Heinrich Gymnich, Pastor von Bergheimerdorf (gest. 1793).2

Nach diesen allgemeinen Ausführungen über das Eremitenwesen kommen wir nun zum Kern dieses Beitrages, zur Geschichte der Eremitage im Hardtwald. Anfang des 11.Jahrhunderts wurden das "Schloß" Hardt erbaut und im Jahre 1721 nahe dem Tor der Hardtburg ein Fachwerkbau errichtet, der bis heute als Forsthaus dient. 1816 wurde die Gesamtanlage Eigentum des preußischen Forstfiskus.3

Die Hardtburg war für die Kölner Kurfürsten auch als "Jagdschloß" gedacht. Besonders der Kurfürst Clemens August I. (1721-1761) hat gern und oft in ihr geweilt. Zu dieser Zeit fand der Hardtwald einen weiteren, allerdings sehr niedrig geborenen Verehrer, dem es gelang, unweit der Burg sich einen Wohnsitz zu schaffen, der als "Einsiedlerklause" genehmigt war und der nach Fertigstellung zu einem schönen Landhaus mit nicht minder schöner Kapelle geworden war. Dieser Mann, dem es gelang, mit erbettelten und geliehenen Geldern dieses Bauvorhaben zu erstellen und rund 40 Jahre zu unterhalten, schrieb sich "Joan Knubben" (auch Knübbe genannt). Er war 1708 in Breust bei Maastricht im Bistum Lüttich geboren und übte zunächst den Beruf eines Bierbrauers aus. Dann wanderte er im Alter von 20 Jahren nach Rom und nahm dort im Franziskanerkloster das Eremitenkleid. Im Jahre 1731 legte er bei seinem zweiten Aufenthalt in Rom das Eremitengelübde ab. Durch Urkunde vom 27. September 1731 erhielt Knubben von dem Kölner Generalvikar Johann Andreas von Franken-Sierstorff die Erlaubnis, seine erste Klause auf einem Gelände unweit der Burg Ringsheim zu errichten, das ihm Wwe. Freifrau von Harff zu Dreiborn geschenkt hatte. Als Mitbruder nahm er den ehemaligen Schuster Caspar Hengersbach auf, der um 1710 zu Effersberg irn Bezirk Arnsberg i. W. geboren war und etwa zur gleichen Zeit wie Knubben das Eremitenkleid genommen hatte. Als Freiherr von Harff, der Sohn der Schenkerin, Burgherr von Ringsheim wurde, hegte er zwar für Bruder Hengersbach große Vorliebe und beschäftigte ihn gern und oft als Diener auf der Burg. urn so größer war seine Abneigung jedoch gegen Knubben, die dazu führte, daß er ihn mit einer 24-Stunden-Frist aus der Klause ausweisen ließ. Knubben suchte eine vorläufige Zuflucht in Odendorf und rief von dort die Hilfe des ihm vorgesetzten Eremiten-Kornmissars Peter Zehnpfennig an.

Knubben, der die Hilfe seines Kommissars bitter nötig hatte, legte ein Wesen von größter Ergebenheit und Demut an den Tag, so daß Zehnpfennig keine andere Lösung sah, als die Ringsheimer Klause aufzulösen und sie auf kurkölnischem Gebiet von neuern erstehen zu lassen. Die außerordentliche Findigkeit des Eremiten Knubben führte dazu, daß er dem Kommissar in kurzer Zeit klar machen konnte, daß eine Stelle irn Hardtwald sich für die neue Eremitage besonders gut eigne und der zuständige Pfarrer von Weingarten Tillmann Hoffschlag (1715 bis 1754) am 13. Mai 1752 dazu sein völliges Einverständnis bereits schriftlich erteilt habe. Daraufhin zögerte Zehnpfennig nicht, das Bittgesuch an den Kurfürsten Clernens August I. um Überlassung eines Bauplatzes irn Hardtwald zu befürworten.

Bereits am 27. Juni 1752 wurde der Platz "am Ende des Waldes nach Stotzheim zu" durch den Amtsverwalter zur Hardt Johann Tils und den Förster Waggans abgesteckt, und Knubben und Hengersbach, der nach Auflösung der Eremitage bei der Burg Ringsheim wieder mit Knubben zusammen war, erhielten die Erlaubnis, in den kurfürstlichen Bistümern Osnabrück und Hildesheirn sowie irn kurfürstlichen Westfalen sechs Monate lang Spenden zu den Baukosten zu sammeln. Die Sammlung erbrachte rund 500 Reichstaler; 200 Reichstaler nahm Knubben als Darlehen auf. Der Forstverwalter Ostler von der Hardtburg stellte irn Auftrag des Kurfürsten das nötige Bauholz kostenlos zur Verfügung und legte auch den Grundstein.

Nach Fertigstellung der Eremitage irn Sommer 1753 erhielt Knubben die Erlaubnis, zu Ehren des Kurfürsten diese Eremitage "Clernensberg" zu benennen. Den weitergehenden Wunsch der beiden Brüder, dem Bau ein "Oratorium" anzufügen, damit dort ohne Benachteiligung der Pfarre Weingarten zuweilen Messe gelesen werde und es zugleich als Grabstätte verstorbener Brüder diene, lehnte der Generalvikar jedoch ab. Bei einer späteren Gelegenheit beanstandete der Generalvikar den "allzu kostspieligen Bau, der zum Ausflugsziel von Laien und Stiftsherren von Münstereifel geworden sei" .

Die auf dem Bau lastenden Schulden fingen an, Knubben zu bedrücken. Schon während des Bauens hatte er sich mit Genehmigung von Zehnpfennig einen dritten Bruder, Aegidius Bresgen aus Gilsdorf, zu tatkräftiger Bauhilfe genommen; als aber ein gewisser Anton König mit ererbtem Geld als vierter Bruder Knubbens Schulden decken sollte, verweigerte der Eremiten-Kommissar seine Zustimmung. Da aber König sein Geld schon hergegeben hatte, behielt Knubben diesen auf eigene Faust heimlich doch in der Eremitage. Dennoch besaß Knubben die Gunst seines Kommissars, der ihm sogar das Amt des Eremiten- Visitators übertrug, nach dem er einmal im Jahr jeden Eremiten unvermutet aufzusuchen und bei dem Ortspfarrer dessen Leumund festzustellen hatte. Zehnpfennig erfuhr im Mai 1756 davon, daß Knubben dieses Amt zu allerhand Eigenmächtigkeiten mißbraucht hatte. Wegen Hinterlist vom Kommissar zur Rede gestellt, nahm dieser die Angelegenheit zum Anlaß, sich beim Kurfürsten direkt zu beschweren. In der Folge machte der schreibgewandte Knubben weitere Eingaben, die Verdächtigungen gegen Zehnpfennig enthielten. Kurfürst Clemens August I. verlangte vom Generalvikar daraufhin energisches Vorgehen gegen Knubben. Der Landdechant Dick (1752 bis 1763) von Odendorf und der Dekan des Stifts Münstereifel Edmund Schenkartz (1751 bis 1796) wurden mit der Angelegenheit befaßt. In zwei Verfahren, mit schweren disziplinarischen Zwangsmitteln bedroht, gelobte Knubben Besserung; diese hatten jedoch keinen langen Bestand. Inzwischen aber nahm ihm der Tod des Kurfürsten im Jahre 1761 die Möglichkeit, diesen für seine arglistigen Machenschaften zu mißbrauchen.

Etwa 1766 tauchte auf der Eremitage ein Bruder Thomas van der Wielen auf. In ihm fand Knubben einen begüterten Dummen, dem er flugs 10 Golddukaten abnahm, die zur besseren Ausstattung der Eremitage mit Möbeln, Bettdecken und Leinwand verwendet wurden. Bereits kurze Zeit später war der Eremit van der Wielen zu der Erkenntnis gekommen, daß er die 10 Golddukaten abschreiben könne, und da ihm auch nicht viel daran lag, ständig Knubbens Diener zu spielen, benutzte er die Abwesenheit des auf längerer Bettelreise befindlichen Knubben, zu der Eremitage Büttgen bei Neuss abzuwandern. Er fand jedoch vorher noch Gelegenheit, vor dem Amtmann Tils zu Kuchenheim die Erklärung abzugeben, daß er bei dem " Verschwender" Knubben nicht bleiben könne.

Als Knubben zurückkehrte, verlangte er von dem Kommissar Faber eine neue Hilfskraft. Es wurde ihm der Wallone Jakob Mercier aus der vorgenannten Eremitage Büttgen zugewiesen. Mercier war von "gewaltiger Körperkraft". Das bekam Knubben zu spüren, als er auch Mercier in gewohnter Weise zu tyrannisieren versuchte. Der gerissene Knubben lag daraufhin dem Kommissar so lange in den Ohren, bis dieser im Jahre 1769 gestattete, daß Mercier eine Eremitage auf holländischem Gebiet bezog. Knubben war natürlich um Ersatz bemüht. Diesen fand er in dem Bruder Antonius Cöllen, einem gutmütigen Eremiten, der von dem immer disziplinloser werdenden Knubben jahrelang unterdrückt wurde. Cöllen war ein jüdischer Schustergeselle namens Andreas Levi aus Köln, der nach seiner Taufe den Namen Petrus Mathias Cöllen erhielt und sich Bruder Antonius Cöllen nannte.

Nach sechsjährigem Aufenthalt in der Eremitage Clemensberg sah Cöllen sich gezwungen, dem amtierenden Generalvikar von Horn-Goldschmidt die untragbaren Verhältnisse auf der Einsiedelei zu schildern. Der Generalvikar ordnete sofort eine Verhandlung an, die Amtsmann Tils am 8. Oktober 1775 zu Cuchenheim führte. Die wesentlichen Vorwürfe des Bruders Cöllen waren:

a) Knubben verstoße seit Jahr und Tag in schwerster Weise gegen die Eremitenregeln,

b) fast Tag für Tag hielten sich zwei Weiber ( eine davon sei die verheiratete Frau namens Daniels) auf der Eremitage auf, die u. a. Mahlzeiten bereiteten, wobei die Brüder genötigt seien, mit diesen an einem Tisch zu sitzen und

c) an allen Sonn- und Feiertagen erscheine auch der Ehemann Anton Daniels aus Oberkastenholz zur Mahlzeit, an die Knubben ein großes Schnapsgelage anschließe. Hierbei sei beispielsweise in einem Zeitraum von nur drei Wochen "acht Maassen brandwein" (= 16 Liter) getrunken und über 200 Pfund Schinken und Fleisch verzehrt worden, die er und sein Mitbruder Augustinus Müsch auf Anordnung Knubbens weit und breit mit "saurem Schweiß" hätten erbetteln müssen

Bruder Antonius fügte noch hinzu, daß er gehofft habe, in der Eremitage Clemensberg nach den vorgeschriebenen Eremitenregeln leben zu können; statt dessen habe er ein übles Gasthaus vorgefunden. Knubben habe sein Treiben jahrelang fortgesetzt, obwohl ihm bereits von den Pfarrern der Dörfer Kirchheim und Weingarten das "große Ärgernis" vorgehalten worden sei.

Knubben gab die vorgenannten Verfehlungen zu, glaubte aber entschuldigend bemerken zu sollen, daß an dem "Branntweindrunk von 8 Maassen " noch einige Arbeiter beteiligt und an den 200 Pfund Fleisch viele Knochen gewesen wären. Amtmann Tils verlangte und erhielt auch von Knubben das "heilige Versprechen", sofort alle Mängel abzustellen, das Ehepaar Daniels zu meiden und sich künftig "eremitisch" zu betragen. Doch schon nach einem Monat, am 9. November 1775, berichtete Amtmann Tils an den Generalvikar, daß Knubben sein "Lotterleben"
fortsetze. Daraufhin erhielt Tils den Auftrag, Knubben zu eröffnen, daß er im "ersten Übertrettungsfall" mit Gewalt (manu forti) aus der Klause herausgeworfen werde. Dieser Befehl vom 29. November 1775 scheint für eine Zeit gewirkt zu haben. Nunmehr klafft in den Akten des Erzbischöflichen Archivs Köln eine Lücke von 15 Jahren. 4

Hier bringt uns jedoch die Abschrift eines Schreibens des Generalvikars vom 28. Februar 1783 Erkenntnisse über die Zustände in der Eremitage Clemensberg. Dieses Schreibens beruht auf einem Protokoll, das der Pastor von Weingarten anläßlich seiner Visitation vom 14. Februar 1783 verfaßt hat und hier wörtlich wiedergegeben werden soll :

"Auf ersehung des von Herren Pastoren zu weingarten in betref der Eremiten aufm Clemensberg unterm 14 ten dieses abgehaltenen Protocolli wird gemelten Eremiten hiermit ernstlich befohlen, daß
1 tens zum wenigstens einer von ihnen an Sonn- und feyertägen so wohl des morgens im hohen amt, als auch des nachmittags in den christlichen Lehr oder Vesper erscheinen solle.
2 tens wird dem Bruder Johann Knubben schärfest verboten Branntwein auf seiner Zell, oder auch sonsten in seiner gewalt zu haben, weil aber dessen natur an besagten Trank allzustark gewohnt ist, als soll ihm vom Bruder Augustin Musch morgens, und abends ein gläßgen hergegeben werden, und soll sich der Jung welchen die Brüder auf der eremitage bey sich haben, nicht unterstehen ohne Vorwißen des Bruders augustin einigen Branntwein herbeyzuhohlen
3 tens wird dem Johann Knubben aufgegeben in kurzem über empfang und ausgab so wohl von diesem als vorigen Jahr genaue Rechnung zu thunn
4 tens weil die gemüther des novizen arsenius und des Bruders Johann Knubben sich nun zuwider sind, als ist der arsenius einsweilen auf dem Schwisterberg zu verlegen, wo von dannen er nach gethaner Profeßion wiederum nach dem Clemensberg versezet werden kann
Sig. Cöllen, 28tem Feb. 1783

gez. Horn -goldschmid Generalvikar"

Auf dem Swisterberg befand sich von 1703-1805 eine von Franziskanerbrüdern bewohnte Einsiedlerklause an der Südseite des Turmes der Bergkirche.6

Im letzten Aktenstück über Clemensberg wird festgestellt, daß im Jahre 1792 der mehr als 84jährige Knubben nach 62jähriger Eremitenzeit noch immer mit Bruder Augustin Müsch zusammen lebt und sich 1790 ein Bruder Gereon Kirsch den beiden zugesellt hat. Das Lebensbild des Bruders Kirsch gibt der Eremitage Clemensberg nach all den Ärgernissen, Mißhelligkeiten und dem unehrenhaften Verhalten des Bruders Johann Knubben zuletzt einen versöhnlichen Ausklang. Bruder Gereon, um 1757 in Cöln geboren, nahm 1787 in Rom das Eremitenkleid und fand seine erste Klause in Mehren in der Eifel, hielt sich von 1790 bis 1792 in der Eremitage Clemensberg auf und wechselte von dort über die Klausen Kaufbeuren, Insel Schwanau im Lowerzer See in eine Klause auf dem Berge "Spitzbüel " in der Schweiz am 2. März 1816 in die Heimat zurück. Seine Vorgesetzten hatten ihm alle ein vorzügliches Eremitenleben bescheinigt. Auf seinem Sterbelager in Cöln übergab er eine derbe lederne Brieftasche mit 12 Dokumenten, an denen sein Herz hing und die sicherlich auch Unterlagen über seinen Aufenthalt auf dem Clemensberg enthielt. Mehr als 100 Jahre hütete man die alte Tasche in einer Kölner Familie von Generation zu Generation. Im Jahre 1933 kam sie in die Obhut des Erzbischöflichen Archivs Köln.7 Leider ist sie dort nicht mehr auffindbar.

Das Sterberegister der Pfarre Weingarten enthält die Namen von drei Eremiten der Eremitage Clemensberg, und zwar
1. Antonius Cöllen (Petrus Mathias aus Köln), gestorben am 27. 9. 1779 in derEremitage Clemensberg.
2. Johannes Knubben
Mit den Sakramenten der Kirche versehen starb am 24.Juli 1794 und wurdebeerdigt der Eremit Bruder Johannes Knubben, 86 Jahre alt.
3. Augustin Müsch
Mit den Sakramenten der Kirche versehen starb am 23. Oktober 1795 und wurdebeerdigt am 24. der letzte Eremit in Clemensberg Augustinus Müsch, 70 Jahre alt.

Die große Abscheu der Bevölkerung von Weingarten gegen den Eremiten Johannes Knubben wegen seines unehrenhaften Verhaltens ist bis heute in Weingarten mündlich überliefert (Aussage von Wilhelm Emonds, gest. 1991). Der damalige Pfarrer Müller (1791-1812) hatte große Mühe, dem Toten eine Grabstätte auf dem Dorfkirchhof zu bereiten. Knubbens Sarg wurde beim Transport vom Wagen geschleudert.8

Zur Lage der Eremitage schreibt Pesch9: "Der Bölzberg ist eine kahle Erhebung am Ostrande der Hardt, der einen großartigen Rundblick weit ins Land hinein bis Bonn, Köln und Düren gestattet. In der Nähe befindet sich ein viereckiger weiter Einschnitt im Walde, die Eremitage genannt. Hier hat die stattliche Wohnung einiger Eremiten gestanden, die Clemens August denselben erbaut hatte." Die letztere Aussage deckt sich mit den Angaben von Stramberg10. Sie entspricht jedoch nicht der Aktenlage im Erzbischöflichen Archiv Köln. Clemens August I. hat lediglich das Grundstück und das Bauholz kostenlos zur Verfügung gestellt.

Nach dem Tod des letzten Eremiten (Augustin Müsch) am 23. Oktober 1795 war es still um die Eremitage Clemensberg geworden. Mit Einrichtung der französischen Verwaltung in den besetzten Gebieten wurde der Hardtwald dem Rhein-Mosel-Departement zugewiesen, während das Dorf Weingarten im Roerdepartement lag. Die Eremitage war infolge der Säkularisation vom französischen Staat beschlagnahmt worden. Am 21. Frimaire Jahr XIII (11. Dezember 1804) wurde die "Einsiedelei mit einem anschließenden Garten von 15 ar und 84 Centi ar, angrenzend an den Kurfürsten von Köln und den Weg" an Herrn Karl Windeck, Advokat zu Bonn, geboren in Münstereifel, verkauft. In der Verkaufsakte heißt es: "Die genannten Güter gehören der französischen Republik und gehörten dem Kurfürsten von Köln. Sie sind nicht verpachtet. Das Gebot begann bei 300 Francs. Dann wurde ein 1. Licht angezündet, und dann bot Windeck 305 Francs. Dann wurden anschließend 2
weitere Feuerchen angezündet, und ein letztes Licht wurde angezündet und der Zuschlag erteilt dem Herrn Charles Windeck, Advokat zu Bonn " : 11

In einer Inaugural-Dissertation von Georg Kliesing wird das Verkaufsobjekt wie folgt beschrieben: Dingstuhl Kuchenheim, 16 ar Garten, Jagdhütte, Kurfürst, 23.1. 1805, Windeck, 305 Francs. 12

Verkaufsdatum und die angegebene Art des Gebäudes decken sich nicht mit der Originalakte.

Spätestens 1916 ist die Eremitage abgebrochen worden. 13

Die " Urkarte" Flur IX der Gemeinde Stotzheim 14 weist den früheren Standort der "Eremitage Clemensberg" mit den Flurstücken 7 und 66/8 aus.

Anmerkungen

1) Wetzer und WeIte, Kirchenlexikon oder Encyklopädie der kath. Theologie und ihre Hülfswissenschaften, Freiburg 1886, S. 770
2) "Zur Geschichte der Eremiten in der Erzdiözese Köln", in: Annalen des historischen Vereins für den Niederrhein, insbesondere der alten Erzdiözese Köln, Heft 74, 1902, S. 139ff.
3) Fesch, Josef, Die Vordereifel. Geschichtliches und Wanderungen, Euskirchen 1901, S. 23
4) Creutz, Rud. R., "Das Eremitorium ,Clemensberg' im Eifelwald", in: Eifel-Kalender für das Jahr 1943 und Erzbischöfliches Archiv Köln,
Akte Mon. 3 1111
5) Pfarrarchiv Kreuzweingarten
6) Frdl. Mitteilung von Dr. F. Scham, Weilerswist (gest. 1991)
7) Creutz, a. a. 0.
8) Creutz, a. a. 0.
9) Pesch, a. a. 0., S. 100
10) Stramberg, Chr. von, Topographische Beschreibung des Cantans Rheinbach, Coblenz 1816, S. 22
11) Landeshauptarchiv Koblenz, Bestand 256, Nr. 10206
12) Kliesing, Georg, Die Säkularisation in den kur-kölnischen Ämtern Bann, Brühl, Hardt, Lechenich und Zülpich in der Zeit der französischen Fremdherrschaft, Bendorf 1932, S. 95
13) Stramberg, a. a. 0., S. 22
14) Katasteramt Euskirchen, Gemarkung Stotzheim, IX. Flurkarte von 1828


Hubertuskreuz nach 1977


Entnommen: „1100 Jahre Wingarden“ - Kreuzweingarten 893-1993


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