Aus „Weingarten“ wurde „Kreuzweingarten“

Von Hans Regh


Zwischen der Umbenennung der Kirchengemeinde und der politischen Gemeinde " Weingarten" in "Kreuzweingarten" liegen 122 Jahre. Die kirchliche Organisation des Kreises Euskirchen, die seit vielen Jahrhunderten im wesentlichen unverändert geblieben war, wurde an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert durch die französische Revolution zerschlagen. Bis dahin hatte dieses Gebiet zur Erzdiözese Köln gehört; am Anfang des 19. Jahrhunderts kam es dann an das neu errichtete Bistum Aachen.

Die Neuorganisation im Bistum Aachen war eine ebenso dringende wie schwierige Arbeit. Innerhalb der Erzdiözese Köln hatte das heutige Kreisgebiet in der Hauptsache zu dem großen Dekanat Zülpich gehört. Diese Dekanate mußten zu Beginn des 19. Jahrhunderts alle schwinden, da ein napoleonisches Gesetz für ganz Frankreich eine Neuordnung des Pfarrsystems und der ganzen kirchlichen Verfassung vorschrieb; der Grundgedanke war, daß in Zukunft aus staatspolitischen Gründen kirchliche und bürgerliche Verwaltungsbezirke zusammenfallen sollten.1

Napoleon ernannte kraft der ihm durch das Konkordat gewährten Rechte am 9. Mai 1802 den Elsässer Marcus Antonius Berdolet zum Bischof von Aachen; dessen Inthronisation erfolgte am 25. Juli 1802 im Aachener Münster. Berdolet starb am 13. August 1809.2
Am 1. März 1804 veröffentlichte Bischof Berdolet das "Decret über die neue Begrenzung der Pfarren und Einrichtung der Kirchen der Aachener Diözese", nachdem dieser inzwischen auch die staatliche Genehmigung hierfür erhalten hatte.3
In der Bestätigungsurkunde für den damaligen Pfarrer Johann Joseph Müller vom 31. März 1804 heißt es erstmalig "Creutzweingarten".4
Der Kreis Euskirchen mit den Kantonen Lechenich und Zülpich hatte nur zwei Kantonal-Pfarren, nämlich Lechenich und Zülpich. Alle anderen bisherigen Pfarren (soweit sie überhaupt bestehen blieben) wurden zu Hilfspfarren. Im Gebiet des Kreises Euskirchen nach dem Stande von 1927 gab es seit 1804 zwei Pfarren und 33 Hilfspfarren.5
Die "Organisation der Aachener Diözese vom Jahre XII (1804)" verzeichnete unter dem Oberbegriff "Zülpicher Friedensgericht" als Sukkursale "Kreutzweingarten, Patron H. Kreutz" mit den zugehörigen Orten KaIkar und Broich und dem Desserventen Johann Joseph Müller". Der Ort Rheder gehörte zur Sukkursale "BilIig".6
Am 7. Mai 1925 beantragte der damalige Pfarrer Nicola Reinartz bei der Bürgermeisterei Satzvey die Änderung des Ortsnamens " Weingarten " in "Kreuz-Weingarten " . Der Vorschlag hierzu war bei einem Konzert am Kirmesdienstag 1925, das als Heimatfest der Ortsgruppe des Eifelvereins veranstaltet wurde, gemacht worden. Reinartz wies darauf hin, daß die Bezeichnung "Kreuz-Weingarten " nach Ausweis der Lokalgeschichte eine bereits Jahrhunderte alte aus der historischen Bedeutung des Ortes herangewachsene Benennung sei, die auf den besonders im 16. und 17. Jahrhundert blühenden Wallfahrten zum Hl. Kreuz auf dem Kalvarienberge bei Weingarten beruhe. Da zur damaligen Zeit im deutsch-sprachigen Raum 13" Weingarten" vorhanden waren, wies Reinartz auch darauf hin, daß es im Eisenbahn- und Postverkehr häufig zu Verwechslungen komme und dies bei der Umbenennung vermieden werden könne. Der Landrat des Kreises Euskirchen, der Regierungspräsident in Köln, die Reichsbahndirektion Köln und die Oberpostdirektion Köln lehnten aus verschiedenen Gründen eine Befürwortung des Antrags ab. Damit war die Entscheidung des Preußischen Ministers des Innern, Berlin, vorgegeben; mit Schreiben vom 19. Dezember 1925 wurde der Antrag auf Umbenennung von " Weingarten " in "Kreuz-Weingarten" abgelehnt.
Nach einigen Monaten Bedenkzeit versuchte Nicola Reinartz, den damaligen Reichstagsabgeordneten Thomas Eßer für die Angelegenheit zu interessieren. Thomas Eßer war damals Beisitzer im Fraktionsvorstand der Zentrumspartei im Deutschen Reichstag und wurde 1926 erstmals zum Vizepräsidenten des Reichstags nominiert und gewählt. Er erläuterte dem preußischen Minister des Innern persönlich die Angelegenheit und veranlaßte einen neuen Antrag. Diesen neuen Antrag stellte Nicola Reinartz am 9. September 1926 mit einem Schreiben an "Herrn Geheimen Regierungsrat Dr. Kaufmann" in Euskirchen. Nach den bereits vorher eingeholten Zustimmungen der Reichspost und der Reichsbahn befürwortete der Landrat des Kreises Euskirchen nunmehr mit einer ausführlichen Stellungnahme an den Regierungspräsidenten in Köln den Antrag. Der Regierungspräsident sprach sich "unter Abänderung meiner Stellungnahme in meinem Berichte vom 4. Dezember 1925, I E 2328" für die Umbenennung aus.

Die Entscheidung des Ministers des Innern vom 9. Dezember 1926 hatte folgenden Wortlaut:

"Es wird hierdurch genehmigt, daß der Name des Ortes Weingarten in ,Kreuzweingarten' abgeändert wird. "

Der Minister des Innern wies auf einen entsprechenden Erlaß des Preußischen Staatsministeriums vom gleichen Tage hin und beauftragte den Regierungspräsidenten in Köln, "das Weitere gefälligst zu veranlassen".7



Anmerkungen

1) "Unsere Heimat", Beilage zum Euskirchener Volksblatt Nr. 11/1927, S.100
2) Realschematismus der Diöcese Aachen, Generalvikariat Aachen, 1933
3) "Unsere Heimat", a.a.O., S.101
4) "Unsere Heimat", Nr. 8/1927, S.10
5) "Unsere Heimat", a.a.O., Nr.11/1927, S.101
6) Bistum Aachen, Organisation der Aachener Diözese, Aachen 1804
7) Bundesarchiv, Außenstelle Potsdam, Rep. 77, Tit. 311, Nr. 262 Bd. 30


Entnommen: „1100 Jahre Wingarden“ - Kreuzweingarten 893-1993


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