750 Jahre Rheder 1240 - 1990

Römische Funde in Rheder

Von Hans Joachim Heinz


Während den Wanderer und Interessierten in Zahlreichen Ortschaften rund um Rheder die weißgrünen Hinweistafeln auf die Spuren der Römer führen, legt das Fehlen von Hinweisen dieser Art in unserem Ortsteil die Vermutung nahe, daß Rheder auf keine römische Vergangenheit zurückblicken kann.

Sollten die römischen Besatzer, deren Spuren wir im gesamten Kreisgebiet finden, die sogar - dem Beitrag von Otto Werner kann mit hierzu Näheres entnehmen - die Römische Wasserleitung durch Rheder führten, unser schönes Fleckchen Land gar nicht weiter zur Kenntnis genommen haben? Keineswegs. Das beweisen zahlreiche interessante Funde aus der Vergangenheit in und um Rheder.


Ausgrabungen „Auf dem Kaiserstein“

Einer der aufregendsten Funde aus römischer Vergangenheit wurde bereits in den Jahren 1874 bis 1879 gleich vor unserer „Haustüre“ bei Ausgrabungen auf der Flur „Auf dem Kaiserstein“ zwischen Rheder und Billig gemacht, heute wieder ein Flurstück, das sich nicht von anderen Flurstücken rund um unseren Ort abhebt.

Eine kurze Reise in die Vergangenheit, die uns um rund 2.000 Jahre zurückführen soll, wird uns jedoch zeigen, daß das nicht immer so war:

Im Zuge der Erschließung des linksrheinischen Besatzungsgebietes durch römische Straßen werden auch in unserem heutigen Kreisgebiet zahlreiche römische Straßen - Durchgangsstraßen, aber auch Verbindungsstraßen zwischen den Hauptstraßen - angelegt. Zunächst gedacht als militärische Aufmarschstraßen, die jederzeit eine schnelle Herbeiführung von Truppen ermöglichen, werden die Straßen zunehmend auch für den zivilen Verkehr freigegeben.

An den Straßen kommt es zu Gründungen ziviler Siedlungen, sogenannter vici (vicus), die, zunächst von ihren Gründern als offene Marktsiedlungen angelegt, in späteren Jahren aus guten Gründen dann aber auch immer häufiger mit Mauern umgeben werden. Als geeigneter Ort für eine solche Niederlassung erscheint römischen Händlern und Handwerkern sehr bald auch das heutige Flurstück „Auf dem Kaiserstein“. Hier kreuzen sich die Heeresstraße, die von Marmagen kommend östlich des heutigen Billig verlaufend in Richtung Wesseling weiterführt, und eine von Zülpich kommende Straße, von der Pfarrer Nikola Reinartz 1458 Jahre nach dem Untergang des Weströmischen Reiches, nämlich im Jahre 1934 dann schreiben wird, daß sie direkt an der „Schäfferei“ vorbeigeführt worden sei, um die Erftniederung und den Römerkanal in der Nähe der Liersmühle zu überschreiten. Den Landwirten habe sich - so Pfarrer Reinartz - schon seit Jahrzehnten der Verlauf dieser Straße unter dem Ackerboden am dürren Stand ihrer Saaten gerade in trockenen Jahren gezeigt.

Beidseitig dieser beiden und einer dritten von Norden kommenden Straße lassen sich nun die römischen Händler und Handwerker nieder. Sie errichteten sich ihre vermutlich einstöckigen Häuser mit Holzaufbauten. Ihre Niederlassung erhält den Namen Belgica vicus.

Die breitere der beiden Hauptstraßen in Belgica vicus durchzieht die Niederlassung nun, von Südwesten nach Nordosten verlaufend, in einer Breite von 13 Metern. Die von Zülpich kommende Straße hat eine Breite von 8 Metern und ist gepflastert. Die Kreuzung dieser beiden Straßen wird in ihrer Oberfläche von 5-10 cm großen und breiten hochkant gestellten Steinen gebildet und zeigt eine leichte Wölbung. Darunter befindet sich eine 6 cm starke Kiesschicht, welche eine 15 cm dicke Sandlage überlagert, die ihrerseits auf dem gewachsenen Boden aufliegt. In Belgica vicus entwickelt sich bald ein reges Leben. Als dann im dritten Jahrhundert das „Itinerarium provinciarium Antonini“, ein römisches Verzeichnis von an den römischen Heerstraßen gelegenen Orten und Reiserouten, erscheint, - man schreibt es dem Kaiser Caracalla (198 - 217) zu - findet der Reisewillige in diesem auch den ort Belgica vicus festgehalten, acht gallische Leugen (je 2,2 km) von Marcomagnus vicus, dem heutigen Marmagen, entfernt, an der Straße Marmagen - Wesseling liegend, in genau dem Flurstück, das wir heute „Auf dem Kaiserstein“ nennen.


Es sollte aber noch rund 1500 Jahre dauern, bis Forscher auf die Fundamente dieser historischen Stätte stoßen würden. Nachdem man auf dem Flurstück „Auf dem Kaiserstein“ immer wieder auf römische Altertümer gestoßen war - Tonscherben, Ziegel, Mauerreste, veranlaßte die preußische Landesregierung in den Jahren 1874, 1875 und 1879 nähere Untersuchungen dieses Gebietes. Der Flurname selber darf wohl heute als Hinweis auf einen dort gefundenen römischen Meilenstein interpretiert werden. Diese Meilensteine, meist zylindrische oder konische Steinsäulen von 1,5 - 3 m Höhe und einem Durchmesser von 40 - 50 cm standen an den Rändern der römischen Straßen und enthielten unter anderem Angaben über den römischen Kaiser, unter dessen Herrschaft sie jeweils gesetzt wurden.

Die von der preußischen Landesregierung in Auftrag gegebenen Freilegungen führten uns dann auf die Spuren von Belgica vicus. Die Heeresstraße Marmagen - Wesseling konnte auf einer Länge von 350 Metern, die von Zülpich kommende Straße auf einer Länge von 75 Metern freigelegt werden. Auffallend bei den beidseitig der Straßenzüge freigelegten Häuserfundamenten war die wenig tiefe Fundamentierung der Mauern sowie ihre durchgängig geringe Stärke bei ca. 30 Häusern, was zu der bereits erwähnten Vermutung berechtigt, daß es sich um einstöckige Häuser mit Holzaufbauten gehandelt haben muß. Ebenso auffallend war, daß die freigelegten Häuserfundamente in ihren Fronten wiederholt schmale Vorräume aufwiesen, vermutlich Verkaufsräume.

Heute liegt Belgica vicus, wo man auch zahlreiche Grab- und Kleinfunde machte, wo man Weihesteine fand, wo man auch eine beträchtliche Anzahl römischer Waffen fand, wieder unauffällig unter den jeweiligen Saaten „Auf dem Kaiserstein“, und die historische Vergangenheit dieser Stätte verrät sich nur noch durch die eine oder andere Tonscherbe, die man dort immer wieder einmal finden kann.

Aber - und auch das sollte nicht unerwähnt bleiben - Belgica vicus ist die bis heute einzig bekannte nicht überbaute römische Siedlung in Deutschland.


Beneficianerstation Rheder

Zum Schutz ihrer Straßen errichteten die Römer im Abstand von je einer Tagereise Beneficianerstationen. Beneficianer waren besonders verdiente, vom direkten Soldatendienst freigestellte Soldaten, die mit der Wahrnehmung besonderer Aufgaben betraut wurden. So unterlag ihnen neben dem Schutz römischer Straßen der Schutz wichtiger strategischer Punkte wie Straßenkreuzungen und Flußübergänge.

Inschriften lassen darauf schließen, daß Rheder ebenso wie Nettersheim an der Straße Marmagen-Wesseling und Zülpich an der Straße Trier-Köln eine Beneficianerstation war.

Vor allem der Fund von zwei Weihesteinen, die von römischen Beneficianern errichtet worden waren, legen diese Vermutung nahe. Der eine dieser beiden Weihesteine wurde in einer Mauer der Pfarrkirche von Kreuzweingarten, der andere 1838 von Kirchendechant Joh. Straßer in der Flur „Auf dem Hondert“, die in späteren Jahren noch Fundstelle weiterer wichtiger und aufschlußreicher Funde werden sollte, entdeckt. Hier hatte er zweckentfremdet als Einfassungsstein eines späteren offenbar fränkischen Grabes gedient.

Der Benificianer weihte seine Altäre in der Regel dem Jupiter Optimus Maximus, zu dem gelegentlich eine weitere römische Hauptgottheit treten konnte, und dem genius loci, hinter dem sich die barbarische Ortsgottheit verbarg, zu welcher zu beten die einheimische Bevölkerung niemals aufgehört hatte.

Mag für uns das Nebeneinander dieser beiden Gottheiten zunächst etwas befremdlich wirken, aus dem Aufgabenkreis des Beneficianers wirkt das Nebeneinander solch unterschiedlicher Gottheiten durchaus verständlich. Seinen täglichen Dienst nämlich versah der Beneficianer ja „vor Ort“. Und an diesem Straßenpunkt waltete der genius loci. Alle Straßen aber mündeten letztendlich in Rom an der von Augustinus errichteten goldenen Meilensäule. Und diesen Endpunkt versinnbildlichte die römische Gottheit auf den Weihesteinen.


Erwähnenswerte größere Funde im Ortsgebiet Rheder

Mitte des 19. Jahrhunderts entdeckte wiederum Kirchendechant Joh. Straßer in der Flur „Auf dem Hondert“ eine - den Beigaben nach zu schließen - römische Begräbnisstätte. Das war dann der Auftakt zu zahlreichen weiteren Funden und Zeugnissen aus Rheders römischer Vergangenheit in den folgenden hundert Jahren, die chronologisch in den Bonner Jahrbüchern aufgelistet sind, wie folgendes Zitat aus dem Bonner Jahrbuch 1963 zeigt:

„Kreuzweingarten-Rheder, Kr. Euskirchen (Mb. Euskirchen 5306, r 56400 h 09900). Auf der Parzelle Flur 1/39 in Rheder wurde eine römische Trümmerstelle festgelegt. Eine zweiter Stelle mit römischen Scherben und Trümmern liegt auf der Parzelle 1719 (r 56340 h 09600). (T. Hürten)“

Im folgenden sollen jedoch noch einige wichtige Funde Erwähnung finden. In der Mitte des 19. Jahrhunderts entdeckten römische Begräbnisstätte fand Joh. Stroßer einen Weihestein einer gewissen Paterna, Tochter des Justinus. Dieser war - und das zeigt uns wiederum die Vielgestaltigkeit des römischen Heidentums - dem persischen Lichtgott Mithrans gewidmet.

Auf große Interesse stieß bei den Forschern auch ein an gleicher Stelle gefundenes Steinrelief, das eine an den Felsen geschmiedete Hesione zeigt.

Es handelt sich hier im einzelnen um folgende Darstellung:
Eine Frau mit langem Haar, von deren halb erhaltenen Körper man Hals, Schultern und rechten Arm deutlich erkennen kann. Ihr rechter Arm ist mit einer breiten Klammer an einen Felsen gefesselt. Ihr kläglich geneigter Kopf und die hilflos ausgebreiteten Finger lassen den Betrachter den Jammer der Unglücklichen nachempfinden.


Hesione


Bei diesem Relief dürfte es sich um eine mit etwas geringerem Materialaufwand angefertigte Nacharbeit eines Vorbildes auf einem Cölner Sarkopharg handeln, der schon deshalb Aufmerksamkeit erregte, weil auf ihm mehrere Mythen willkürlich und beziehungslos gehäuft sind. Unter anderem ist auf diesem Sarkopharg auch das Abenteuer der Befreiung der Hesione durch Herakles dargestellt, eine Darstellung, die äußerst selten vorkommt.


Römische Brandgräber in Rheder

Im März 1943 kam es zu weiteren Funden in Rheder - wiederum auf der Flur „Auf dem Hondert“. An der Scheuneneinfahrt der dem Landwirt Matthias Dissemond gehörenden Feldscheune waren Scherben römischer Gefäße zutage gekommen. Die Fundstelle wurde untersucht, und man stieß auf neun römische Brandgräber und zahlreiche weitere interessante Funde, Grabbeigaben.

Die Grabbeigaben in römischen Gräbern erklären sich aus dem Glauben, der Tote führe eine andere Form des Daseins weiter. So gab man ihm das mit, don dem man annahm, er benötige es für jenes Dasein: Speisen, Getränke, Bilder der Götter aus edlem Metall. Dem Krieger gab man Waffen, der Frau ihren Schmuck.
Häufig finden sich aus diesem Glauben heraus in römischen Gräbern auch Geschirr, Gefäße aller Art, Näpfe, Becken und Krüge. Es wurden sogar Lampen in römischen Gräbern gefunden.

Eine selbstverständliche Beigabe waren auch Münzen. So weiß Professor Braun in seiner Abhandlung „Römische Alterthümer zu Bonn“ (1851) zu berichten: „Zu Rhedern bei Münstereifel wurden in diesem Jahr in einem römischen Grabe, welches allen äußeren Zeichen zufolge die Überreste eines Mannes der unteren Volksklasse umschlossen hatte, in einem einzigen Kruge hundert römische Münzen gefunden.“

Gerade diese Beigaben waren es aber auch, die schon in damaligen zeiten eine eigene Klasse von Dieben und Räubern auf den Plan riefen, die es auf diese Grabbeigaben abgesehen hatten. Unter der Regierung Theoderichs wurden die Gräber dann sogar von Amts wegen aufgebrochen und untersucht. Mit den gefundenen Geldern füllte man den Staatsschatz.
In den neun Brandgräbern, die 1943 „Auf dem Hondert“ entdeckt wurden, kam es unter anderem zu folgenden Lageplan römischer Brandgräber im Maßstab 1:1000



Brandgrab 1: In diesem 85x70 cm großen und 60 cm tiefen Grab fand man eine Bronzemünze, Scherben von Tongefäßen, Reste eines Beingerätes sowie eine Tonlampe. 20-60 cm südlich der Grube fanden sich in 30-45 cm Tiefe Scherben von weißtonigen Henkelkrügen und anderen Gefäßen.
Brandgrab 2: Es handelte sich hier um ein 50x80 cm großes und 60 cm tiefes Grab. In einer Tiefe von 45 cm fand man eine Reibschale und Scherben eines rauhwandigen Kochtopfes, eine Bronzemünze, verschlackte Eisenteile und die Scherben mehrerer Gefäße.
Brandgrab 3: In diesem Brandgrab, das etwa 20 cm tief war und dessen Ausdehnung nicht festgemacht werden konnte, fanden sich Scherben, Glasreste und Holzkohlenstückchen.
Brandgrab 4: In dem etwa 80x80 cm großen und 30 cm tiefen Brandgrab entdeckte man eine tiefschwarze Füllung mit Holzkohle, Leichenbrandreste, einige Scherben, eiserne nägel sowie ein halbes konzentrisch durchlochtes Knochenscheibchen, auf dessen Oberseite sich drei Rillen befanden.
Brandgrab 5: Dieses Brandgrab hatte ebenfalls die Ausmaße 80x80 cm und war 45 cm tief. Holzkohle, kalzinierte Knochen, Scherben von rauhwandigem Geschirr und vermutlich von Nägeln stammende Eisenreste waren die Fundstücke.
Brandgrab 6: In dieser rundlich flachen Grube mit einem Radius von 40 cm fanden sich kalzinierte Knochen, Holzkohle, einige wenige Scherben und Nagelreste.
Brandgrab 7: Dieses Brandgrab mit einem Durchmesser von etwa 70 cm war etwa 35 cm tief. Es enthielt u.a. Holzkohle und einige Scherben. Am Nordwestrand der Grube fanden die Forscher einen kleinen grobtonigen Becher und etwa weitere 20 cm entfernt einen zerbrochenen rauhwandigen Kochtopf mit Knopfdeckel und die Scherben eines Schwarzfirnisbechers.
Brandgrab 8: Dieses 70x90 cm große und 30 cm tiefe Brandgrab offenbarte die übliche Füllung. An seinem Ostrand fanden sich Scherben eines grobtonigen Gefäßes und eines rauhwandigen Kochtopfes sowie zwei weitere Töpfe, eine Reibschale und ein flacher grobtoniger Teller.
Brandgrab 9: Hier zeigte sich eine 20-25 cm breite dunkle Schicht, die in Nordsüdrichtung etwa 5 m weit beobachtet werden konnte. Scherben von rauhwandigem Geschirr und Henkelkrügen sowie Eisenfragmente zählten zur Ausbeute der Forscher.


Gefäße aus den Funden von 1943


Während die meisten Funde aus unserer römischen Vergangenheit im Rheinischen Landesmuseum aufbewahrt werden, finden sich einige jedoch auch noch in Privatbesitz.
Wo wird der aufmerksame Gast der Familie Dissemond, Besitzer des Grundstücks „Auf dem Hondert“ bei dem Blick in den Küchenschrank einige völlig unversehrte Gefäße aus den Funden von 1943 entdecken und sich in den Bann unserer römischen Historie ziehen lassen.


Quellenangaben:

    1. Alfred Wolber: Römerstraßen im Kreis Euskirchen in: Kreis Euskirchen, Jahrbuch 1975
    2. Waldemar Haberey: Belgica vicus in: Kreuzweingarten-Rheder-Kalkar, Zeitbiografischer Verlag, Kreuzweingarten 1961
    3. Pfarrer Nikola Reinartz: Rheder bei Euskirchen, Sonderdruck aus dem Volksblatt Euskirchen 1934
    4. Bonner Jahrbücher des Rheinischen Landesmuseums Bonn und des Vereins von Altertumsfreunden in Bonn; folgende Jahrgangsbücher: 1842, 1846, 1851, 1861, 1887, 1910, 1948, 1963


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