750 Jahre Rheder 1240 - 1990 |
Die Liersmühle |
Von Hans Regh |
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Diesem Beitrag soll zunächst eine Betrachtung des Erftmühlenbaches zwischen Rheder und Wüschheim vorangestellt werden. Die Literatur des 19. Jahrhunderts geht davon aus, daß der Erftmühlenbach ein künstlich angelegter Graben ist. Hierbei wird der Zeitpunkt der Anlage in das Mittelalter zurückverlegt; eine entsprechende Quelle hierzu fehlt allerdings (Stramberg 1816, S.4). Ein Beitrag von 1958 datiert die Entstehung dieser Erftableitung oberhalb von Rheder in das 9. Jahrhundert, veranlaßt durch die Karolinger zur Förderung des Ackerbaus und des dabei so wichtigen Mühlenbetriebes (Mürkens 1958, S. 14). |
Es ist wahrscheinlicher, daß sich der Fluß in einem Bereich, wo die Talaue sehr breit und das Gefälle verringert ist, ursprünglich in zwei Arme verzweigt hat, wobei die Erft als wesentlicher Teilarm die höhere Wasserführung hat. Für diese Annahme spricht einmal die Tatsache, daß sowohl in der Nachbarschaft der Erft als auch des Mühlenbaches Auelehme abgelagert sind (Bodenkarte NRW 1974, B. L5306), und zum anderen die Beobachtung, daß der Mühlenbach auf den Flurkarten der Urkatasteraufnahme in großen Teilabschnitten mäandriert. Die vermeintlich künstliche Anlage dieses Baches reduziert sich also auf die Regulation der Wasserführung eines natürlichen Seitenarmes der Erft durch den Bau eines Wehres bei Rheder und kleinere Korrekturen des Laufes, wie z.B. in der Ortslage Stotzheim (Schmidt 1982, S. 41). Im Jahre 1816 waren am Erftmühlenbach 23 Mühlen vorhanden. Nach ihrer Funktion gab es Vollmühlen, Schleifmühlen, Fruchtmühlen, Ölmühlen, Lohemühlen, Gerstenmühlen, 1 Papiermühle, 1 Baumwollspinnerei und 1 Walkmühle (Stramberg 1816, S. 4 und 5). Es gab häufige Wechsel in der Funktion der Mühlen. Für die erste unterhalb des Wehres am Erftmühlenbach gelegene Mühle (siehe Beitrag Von der Mühle zum Industriebetrieb) sind folgende Funktionen und Eigentümer bekannt: |
1564 Schleifmühle, 1794 Schleifmühle (Reinartz 1951), 1816 Schleifmühle (Schäfer), 1818 Woll-Spinnerei (Knevels), 1823 Öl- und Schleifmühle des Wilhelm Schmitz, Ackerer und Müller in Weingarten (Kreisarchiv Euskirchen, Akte I 1197 und ABL der Königlichen Regierung zu Köln, 1823/. 1808 erbaute er eine Ölmühle in Weingarten, die spätere Schorns Mühle (HSTADl, Roer-Departement, Nr. 2534). |
In der Weingartener
Hochheit weisen 3 Flurnamen auf den Bestand von Mühlen
hin: |
Nach Reinartz scheint die Bezeichnung Liersmühle, die 1564 erstmalig als Flurname auftaucht, auf den Namen eines früheren Besitzers hinzuweisen. Im Jahre 1668 beantragte ein Tilmann Brewer von Stotzheim in einem Schreiben an den Hochwürdigsten, Durchleuchtigsten Churfürst und ggsten Herrn, daß mir ggfl. Vergünstigt werden möchte, auf der Weingartener Hochheit im Ambt Hardt, und Zwaren auf meinem eigenen Grundt eine Geringschätzige Lohe Mühle an den Deich daselbst hin zu setzen (HStAD, KK IV, Nr. 251. In Lohemühlen wurde geschälte Eichenrinde zerkleinert, um die für die Lederherstellung benötigten Gerbstoffe zu gewinnen. Man kann davon ausgehen, daß diese Rinde in benachbarten Waldungen ausreichend zur Verfügung stand (Hardtwald, Flamersheimer Wald, Weingarten, Billig usw.). |
Die Liersmühle erfuhr einen Funktionswandel etwa 1772-1774, als sich der Tuchfabrikant Franz Anton Heimbach, geb. 1746 zu Euskirchen, gest. 1792, auf der Liersmühle niederließ. Dessen Vater war der Wollenweber Petrus Heimbach. Dieser war Nachfahre von Werner Heimbach, Schöffe, Schultheiß und 2. Bürgermeister zu Euskirchen. Das Tuchmachergewerbe (Wollenweber) wird im Geschlecht Heimbach zuerst im Jahre 1704 erwähnt. Seit etwa 1725 ist dieses Gewerbe oder das der Tuchfabrikanten ununterbrochen von Generation zu Generation bis 1975 erblich (Freundliche Mitteilung von Herrn H. H. Heimbach, Euskirchen). Franz Anton Heimbach hatte 10 Kinder; davon wurden 2 Kinder in Euskirchen geboren (1770 und 1772; 8 Kinder wurden auf der Liersmühle geboren (1772-1790). |
Johann Bernhard Heimbach, geb. 1776, gest. 1864, Tuchfabrikant und Walkmüller, war verheiratet mit Johanna Maria Löhrer aus Großbüllesheim. Diese war Walkmüllerin. Ihre 9 Kinder wurden auf der Liersmühle geboren. |
Den väterlichen Betrieb übernahm dann der Tuchfabrikant und Walkmüller Peter Heimbach, geb. 1820, gest. 1877 auf der Liersmühle, verheiratet mit Anna Catharina Commes aus Palmersheim. Das Ehepaar Peter und Anna Catharina Heimbach hatte 14 Kinder, von denen mindestens 6 im Säuglings- bzw. Kindesalter starben. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts arbeiteten 2 Walkergesellen, die Gebrüder Arnold und Matthias Weber, in der Tuchfabrikmühle in Rheder. Sie stammten aus Marienrachdorf bei Selters/Westerwald und hatten vorher mit Tuchwaren gehandelt. Die beiden Brüder heirateten zwei Schwestern aus der Familie Franz Anton und Maria Anna Elisabeth Franziska Heimbach und machten sich in Euskirchen als Tuchfabrikanten selbständig. Matthias Weber und seine Frau hatten 11 Kinder. Davon wurde das älteste Kind 1809 auf der Liersmühle geboren; die anderen 10 Kinder kamen in Euskirchen zu Welt. (Die Angaben zu Heimbach und Weber sind dem Deutschen Geschlechterbuch, Band 147, entnommen.) |
Die Liersmühle wird 1816 als Walkmühle bezeichnet. (HStAD, KK IV, Nr. 636). In einer Walkmühle kam das fertig gewebte Tuch in die sogenannte Walke. Es wurde zunächst durch Auswaschen in Seifen- und Alkaliwasser von dem in den Fäden sitzenden Fett und Leim befreit. Hierauf wurde es ausgeschleudert; dann machte es der Walker dicker und filziger, indem er es mit Holzhämmern oder zwischen zwei Rouletten bearbeitete. In den Walkmühlen geschah dieses Schlagen oder Hämmern des mit Seifen- oder Alkaliwasser durchnäßten Tuches durch hölzerne Stoßhämmer, die durch Wasserkraft in Tätigkeit gesetzt wurden (Renelt 1921) |
Durch den frühen Tod von Peter Heimbach im Jahre 1877 mußte der Betrieb der Liersmühle aufgegeben werden. Der älteste Sohn von Peter und Anna Catharina Heimbach, Bernhard Heimbach, geb. 1854, ist 1909 in Stotzheim verstorben. Er ist als Tuchmacher verzeichnet. Die Nachfolge als Tuchfabrikant vertrat Herr Wilhelm Heinrich Heimbach, geboren 1855 auf der Liersmühle und verstorben 1937 in Euskirchen. Etwa um 1895 machte er sich in Euskirchen zunächst mit einer eigenen Weberei - ausgestattet mit Handwebstühlen - selbständig. |
Im Grundbuch Weingarten-Rheder
sind nach Heimbach bis heute folgende Eigentümer verzeichnet:
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Die Porzellanfabrik Liersmühle (Datum unbekannt) |
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Die Anlagen der Liersmühle
sind bis etwa zum Ausbruch des 2. Weltkrieges zur
Porzellanherstellung genutzt worden. Josef Pesch erwähnt 1901
die Porzellanfabrik Liersmühle (Pesch 1901). Die
Liersmühle hieß im Volksmund auch Hellwigs-Mühle.
Um 1900 gehörten zu diesem Komplex außer Garten-,
Wiesen- und Ackerland folgende Gebäude: |
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Quellennachweise: B. Archivalien
------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Ergänzungen woenge.de-Editionen vom 15. Januar 2023 Aufgrund von 2 Zuschriften an woenge.de betreffs die Liersmühle werden hier die Inhalte für einen interessierten Leserkreis zur Verfügung gestellt: Angaben Adrian W.T. Dostal, Vilsbiburg. 1. Vorabinformationen Wir haben als Eigentümer
neben den erwähnten Gebrüdern (?) Hellwig, ein Ehepaar
Schmeißer (Herrn Fr. Chr., starb wohl vor 1894/1895 und wohl
seine Ehefrau C.). Zu letzterer hatten wir im Sprechsaal 1897
gefunden: Quellen: Sprechsaal Zeitschrift für die Keramischen, Glas und verwandten Industrien, 25. Jg., 1892, S. 967 - Sprechsaal Zeitschrift für die Keramischen, Glas und verwandten Industrien, 27. Jg., 1894, S. 618 - Sprechsaal Zeitschrift für die Keramischen, Glas und verwandten Industrien, 30. Jg., 1897, S. 303 - Zühlsdorff, 1988, S. 547 - Danckert, 2006, S. 328 (Marke), 627.
2. Hellwig, Bruno, wohl um 1938 Kaufmann. Stammte wohl aus Westpreußen. Wohl Bruder von à Richard Hellwig. Sein Sohn fiel im Ersten Weltkrieg. H. war 1899 in London (England) wohnhaft. H. war von 1899 bis 1906 Eigentümer der Liersmühle in Weingarten-Rheder b. Euskirchen (Rheinland). H. gründete 1896 in Stotzheim b. Euskirchen eine Porzellanfabrik für Gebrauchsgeschirr. Die letzte Eigentümerin davor war Frau C. Schmeißer gewesen. Am 15. März 1899 wurde die Bruno Hellwig Porzellan-Fabrik Liersmühle b. Stotzheim für den Kaufmann à Richard Hellwig Prokura eingetragen. H. hatte zu diesem Zeitpunkt seinen Wohnsitz in London (Sprechsaal-Firmenregister vom 20. April 1899). Das Unternehmen firmierte noch um 1906 unter Porzellanfabrik Bruno Hellwig, Geschäftsführer war zu dieser Zeit à Richard Hellwig, hergestellt wurden zu dieser Zeit Gebrauchsware und billige Tassen. Die Produktion fand in den Gebäuden der Liersmühle statt. 1924 bis 1938 war H. erneut als der Eigentümer der Liersmühle nachgeweisen, nach ihm Ferdinand Kleinertz (HStAD Grundbuch). In den Keram-Adressbüchern 1925 und 1930 wurde die Porzellanfabrik nicht mehr nachgewiesen. Um 1934 sollten dann wieder etwa 80 Arbeiter in der Porzellanfabrik beschäftigt worden sein (Reinarzt). 1941 dagegen wieder mit Fabrikat: Gebrauchsgeschirr, aber kein Inhaber angegeben. 1949 ist das Unternehmen dann wiederum nicht mehr im Keram-Adressbuch aufgeführt. Dostal, Lexikon deutscher Porzellanhersteller und Industrieller von 1700 bis heute, Visbiburg, 2023, Heft XVI., S. 1847f. 3. Hellwig, Richard, nach 1922 Kaufmann aus London (England). Wohl Bruder von à Bruno Hellwig. Verh. mit Cäcilie H. geb. Forstmann. H. trat Anfang 1893 als gleichberechtigter Gesellschafter in die Porzellanfabrik von à Eduard Diemar in Elgersburg (Thüringen) ein (Sprechsaal-Firmenregister vom 9. Februar 1893). Das Unternehmen firmierte ab da unter Porzellanfabrik Diemar & Hellwig. Der Fabrikant à Eduard Diemar schied gem. Eintrag am 6. September 1893 wieder aus der Gesellschaft aus. Dafür wurde der Kaufmann à Max Trutnau aus Berlin neuer Geselllschafter. Die Firma lautete danach Porzellanfabrik Trutnau & Hellwig. Gleichzeitig wurde die Prokura von Hermann Diemar zurückgezogen (Sprechsaal-Firmenregister vom 28. September 1893). Bereits kurze Zeit später wurde im Handelsregister Gotha am 23. Mai 1894 eingetragen, daß à Max Trutnau ausgeschieden ist. Der Kaufmann à Richard Hellwig führt die Firma bis zum 1. Juli 1896 als alleiniger Inhaber unverändert fort (Sprechsaal-Firmenregister vom 21. Juni 1894). Kurze Zeit danach war à Max Trutnau wohl wieder Eigentümer der Porzellanfabrik geworden zu sein, denn am 9. Juli 1895 teilte dieser per Rundschreiben mit, daß er seine Porzellanfabrik mit sämmtlichen Activen, Passiva sind nicht vorhanden, an die Herren à Oscar Eichhorn und à Paul Bandorf verkauft hat, welche dieselbe unter der Firma Eichhorn & Bandorf in Elgersburg weiterbetreiben werden (Sprechsaal-Firmenregister vom 25. Juli 1895). H. war dann bereits um 1897 bis 1899 Porzellanhersteller in Blankenheim (Thüringen) und von 1897 bis 1898 Eigentümer der Liersmühle in Weingarten-Rheder b. Euskirchen (Rheinland). H. wurde gem. Eintrag vom 25. März 1899 beim Handelsregister Euskirchen zum Prokuristen der Bruno Hellwig, Porzellanfabrik Liersmühle bestellt (Sprechsaal-Firmenregister vom 20. April 1899). Von 1906 bis 1924 war seine Ehefrau die Eigentümerin des Grundstückes. Bei der darauf stehenden Porzellanfabrik handelt es sich um die 1847 (1880) gegr. Porzellanfabrik von Frau à C. Schmeißer, die Konkurs 1896 in Konkurs gegangen war (Sprechsaal-Geschäftliche Mitteilungen vom 18. März 1897). Um 1906 war H. Geschäftsführer und 1910 bis nach 1922 Inhaber der 1896 gegr. Porzellanfabrik Richard Hellwig in Stotzheim (Rheinland). Fabrikat 1910 und 1922: Tassen und Küchenartikel. Ausrüstung/Anlagen zu dieser Zeit: Malerei, Druckerei und Anstalt für Abziehbilder (nur 1910). Dostal, Lexikon deutscher Porzellanhersteller und Industrieller von 1700 bis heute, Vilsbiburg, 2023, Heft XVI., S. 1849 4. Schmeisser, C., 19 / 20. Jh. Wohl verh. mit à Fr. Chr. Schmeißer. S. war wohl ab Mitte der 1890er Inhaberin der Porzellanfabrik in Liersmühle b. Euskirchen (Rheinland). Anfang 1897 wurde mitgeteilt, daß das Konkursverfahren über das Vermögen der Frau C. Schmeißer, Porzellanfabrik in Liersmühle, aufgehoben worden ist (Sprechsaal-Geschäftliche Mitteilungen vom 18. März 1897). 1897 und 1910 war in Stotzheim für 1896 gegr. Porzellanfabrik à Richard Hellwig aus Blankenheim (Thüringen) als Inhaber einschl. des Grundtsückes nachgewiesen, 1899 und 1924 à Bruno Hellwig aus London (England). Offensichtich wurde bis um 1938/1939 Porzellan produziert. Dostal, Lexikon deutscher Porzellanhersteller und Industrieller von 1700 bis heute, Vilsbiburg, 2023, Heft XXXX., S. 4395f. -------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
Ergänzungen
woenge.de-Editionen vom 15. Januar 2023 Angaben N.N. freundlicherweise recherchiert und zugesandt
Angaben Stotzheim,
Porzellanfabrik Bruno Hellwig, Inhaber 1899 ist der Kaufmann Bruno
Hellwig, London, Prokura hat der Kaufmann Richard Hellwig, zu
Liersmühle. ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- |
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