Die Kunstdenkmäler der Rheinprovinz

Kreis Euskirchen

Von Paul Clemen


Weingarten


Schannat-Baersch, Eifilia illustrata III, 1, S. 171. - Katzfey, Gesch. der Stadt Münstereifel II, S. 235. - Eick, Die römische Wasserleitung aus der Eifel nach Köln, S. 75


Römische Anlagen und Funde.


Overbeck, Die römische Villa bei Weingarten, Winckelmannsprogramm des Vereins von Altertumsfreunden im Rheinlande 1851.


Fig. 82 Weingarten. Grundriß der römischen Villa


Herr Prof. E. aus’m Weerth in Kessenich stellt den folgenden Originalbericht über die römische Villa zur Verfügung:

Auf beiden Seiten der Provinzialstrasse von Euskirchen nach Münstereifel, am Südende des Dorfes Weingarten und nahe dem hier auf dem erhöhten Thalrande der Erft in der Flur Pfaffenhardt durchlaufenden Römerkanal, liegen unter der Ackerkrume die Überreste einer grösseren römischen Villa, auf welche man zuerst 1839 bei Anlage der Strasse stiess. Im J. 1851 wurde dieselbe unter Leitung des damaligen Sekretärs des Vereins von Altertumsfreunden, Prof. Johannes Overbeck, ausgegraben und bei dieser Gelegenheit ein in das Museum vaterländischer Altertümer zu Bonn gebrachtes, jetzt im Provinzialmuseum daselbst befindliches Fragment eines Gladiatoren-Mosaikbodens gefunden.

Die Prüfung des damals veröffentlichten Grundrisses (Overbeck, a.a.O.) ergab die Überzeugung der Unvollständigkeit desselben und veranlasste dadurch den mir seitens der Königlichen Regierung zu Köln im J. 1874 gegebenen Auftrag einer weiteren Ausgrabung (Grundriss Fig. 82). Der Erfolg war ein bestätigender, aber auch mit unerwarteten Schwierigkeiten verbunden. Es zeigte sich nämlich, dass einesteils seit der ersten Ausgrabung vielfach Mauerwerk gänzlich ausgebrochen und anderenteils in spätrömischer Zeit ein zweites Gebäude in das ältere erweiternd und verändernd hineingebaut und dadurch der erste, ältere Bau demoliert worden war. So fand sich z.B. unter dem wohlerhaltenen Gussfussboden des Raumes (7) ein tiefer liegender zweiter Boden und in dessen Mitte eine zerstörte Fontäne. Auch an anderer Stelle lagen derartige Fussböden verschiedener Zeit übereinander.

Die Orientierung des ursprünglichen ersten Gebäudes ergibt sich beim Eintritt in den durch zwei mächtige, vorspringende Pfeiler flankierten Haupteingang (Fig. 82,1), denn derselbe kennzeichnet sich als der Mittelpunkt der Längsseiten der Bauanlage schon dadurch, weil von ihm in gleichen Abständen und in vollständig symmetrischer Gleichheit die beiden 3 m vorspringenden Flügel den westlichen und östlichen Abschluss bilden, ebenso in diesem älteren Bau auch südlich, allerdings nur in dem geringeren Vorsprung von 1,50 m. Dieser Grundriss eines schmäleren langgestreckten Mittelbaues von 60 m Länge und 30 m Breite mit vorspringenden Eckbauten wiederholt sich typisch in rheinischen Römervillen.


Den an diesem Grundriss südlich sich anlegenden grossen viereckigen umbauten Hof halten wir für einen späteren zweiten Bau, worauf schon die Wahrnehmung hindeutet, dass seine Mauern nicht in Verband mit denen des vorbezeichneten ersten Baues standen, ja sogar schon aus dem Römerkanal ausgebrochener Kalksinter zur Deckung der Kanäle verwendet war. Sehen wir uns zunächst den älteren Bau an, so gelangen wir in einen dem ganzen Mittelbau vorliegenden gepflasterten Hof, indem wir den Haupteingang bei 1 durchschreiten und aus diesem gegenüber durch einen schmäleren Gang in das innere Haus. Entsprechend der Ausnutzung der klimatischen Vorteile, wie ich diese als eine nach Vitruv beobachtete Regel anderwärts darlegte (Römische Villa zu Allenz. B.J. XXXVI, S. 55), befinden sich im südlichen und westlichen Teile die Wohnräume und die für die Bäder bestimmten Gemächer. Durch den bereits erwähnten Mosaikboden in dem grossen Ecksaal (12), zu welchem aus dem Hofe (1) ein Zugang führte, werden wir darauf hingewiesen, in diesem Saale das Triclinium zu suchen, wobei es zweifelhaft bleibt, ob der nördlich in eine Nische auslandende Einbau der ursprünglichen Einrichtung oder einer späteren Veränderung angehört. Die dekorative Auszeichnung dieses großen Raumes beschränkte sich nicht lediglich auf den Mosaikboden, sondern zahlreiche regelmässig geschnittene kleine Platten von buntem Marmor, Syenit und Prophyr, die zum Teil an dem Mauersockel sich noch befestigt vorfanden, bekunden eine kostbare Wandbekleidung (Overbeck a.a.O., S. 14,15, wie eigene Beobachtung). Ob der anstossende Raum (11), der unterheizt und mit einem Wasser haltenden Vorbau verbunden erscheint, ursprünglich zum Badezimmer bestimmt oder ein weiteres Wohngemach war, bleibt schwer zu bestimmen. Der Umstand, dass die nordwestlich durch den Haupteingang eintretende und südwestlich das ganze Gebäude durchlaufende Wasserleitung auch dem Raum 14 Wasser zuführte, und dass der Bau an der Westseite einen besonderen Heizvorraum besass, unterstützt die Vermutung, hier - freilich an ungewöhnlicher Stelle - das Hausbad zu suchen. Zu dem 12 x 7 cm messenden, als Hof bezeichneten, östlich belegenen Raum gehörten wahrscheinlich die nördlich davor abgegrenzten Zimmer; die in diesem Raum eingezeichneten Mauern erscheinen nur als kaum fundamentierte Schranken, mit ihrem Fortfall würde ein viereckiger Raum von 12 m im Geviert entstehen, den wir als das Peristyl des Hauses ansehen. Einen besonderen Zugang hatte dasselbe vom Ostende des Vorhofs. Westlich schlossen sich dem Peristyl zwei geheizte Schlafzimmer (15) an, östlich Wirtschaftsräume.


Der spätere, südwestlich vom älteren Bau befindliche Neubau des grossen viereckigen offenen, 20 x 25 m messenden Hofes ist rundum von Wohnräumen umschlossen. An seiner westlichen Seite befinden sich mit zwei gegenüberliegenden grossen Nischen ausgestattet, ähnlich wie in der Römervilla zu Nennig, die grossen Badezimmer, in welche unmittelbar der durch den Haupteingang eintretende Zuflusskanal einmündet. Ein grosses unter der Bodenfläche angelegtes Praefurnium (13), über welchem ein weiterer mit flacherer Wandnische versehener viereckiger Baderaum (Sudatorium) sich befand, sorgte für die in ihren Einrichtungen erkennbar gefundenen Wand- und Bodenheizungen. Die Räume (2-7) auf der südlichen Seite waren die bevorzugten Wohnräume des vornehmen Besitzers gemäss den Resten ihrer Ausstattung. Allererst zu dieser gehört der im Spätherbst 1881 aufgefundene Mosaikboden (Fig. 83), der sich in dem wiederkehrenden Motiv des Amazonenschildes, der pelta lunata, einem Mosaikboden von Fliessem anlehnt, durch die an byzantinische Vorbilder erinnernden Kreuze, die in allen Feldern wiederkehren, als christlich ansprechen lässt, jedenfalls aber nach dem Stil und der spärlichen Skala von nur drei Farben, gelblichweiss, blauschwarz und ziegelrot, einer späteren Zeit als das Gladiatorenmosaik angehört.

Polierte Stuckverkleidungen, Bemalungen der Wände in roten Feldern mit blauen, gelben und grünen Friesen ergaben sich aus mannigfach erkennbaren Spuren, ebenso die bereits im Raum 12 erwähnten Wandtäfelungen von Marmor. Eine besondere Hervorhebung verdient das schon erwähnte unter einem späteren Fussboden vorgefundene reizende Fontänenbassin im Raum 7 von 1 m Durchmesser, dessen äussere runde Wandung, wenig über die Bodenfläche ragend, eine innere durch Kreisabschnitte gebildete Rosette aus rosarotem Gusswerk umschliesst, in deren Mitte eine Rohröffnung dem emporsteigenden Wasserstrahl diente. Zufluss und Abfluss des Wassers sind erkennbar, ersterer in einer kleinen Rinne südwestlich, letzterer in einer solchen, die nördlich am Raum 8 vorbei in den Hauptkanal einläuft.


Den Schluss der Ausgrabung im J. 1881 bildete der Versuch zur Aufdeckung des östlich belegenen Wirtschaftshofes, der aber in der Niederung des von der Erft in späterer Zeit herübergeleiteten Mühlenbaches zu versumpft war, um ein deutbares Bild zu ermöglichen. Erkennbar bleibt nur, dass der nordwestlich jenseits der Provinzialstrasse vom Abhang herabgeleitete Wasserkanal, der einen an der Südseite der Villa vorbei laufenden Arm abgibt und in den nördlichen Haupteingang einlaufend, das Gebäude durchquert, hier im Wirtschaftshof ausmündete. Dieser Kanal ist innerhalb des Gebäudes aus rotem Sandstein, die anderen Strecken sind - wie der ganze Bau - aus dem örtlichen Bruchstein hergestellt. Verdacht sind die Kanäle zum Teil mit Ziegelplatten und solchen von Bruchstein- und von Kalksinter des Römerkanals.


Fig. 83. Weingarten. Mosaikboden aus der römischen Villa.



Bezüglich der Zeitstellung der Errichtung des Baues unterscheiden auch hier die gefundenen Münzen die Bauperioden. Mehrfach fanden sich im älteren Bau grosse und mittlere Bronzen der Kaiser Trajan und Hadrian, im späteren Anbau vorherrschend Constantine. Neben im Kunsthandel auftauchenden Merkur- Statuetten von Bronze (B.J. XXVII, S. 141) liess besonders an einem höheren Militär als Besitzer der Villa denken die in deren Nähe gefundene grosse Verdienstauszeichnung, eine kunstreich ausgeführte Metallschnalle mit der Inschrift: numerum omnium, welche also als ein Ehrengeschenk aller ihm untergebenen Truppenabtheilungen an ihren Heerführer anzusehen ist; sie befindet sich jetzt im Bonner Provinzialmuseum (B.J.XLII, S. 72; XC, S. 29 mit Abbild. - Ausstellung der kunstgewerbl. Altertümer in Düsseldorf 1880, Katalog Nr. 139).

Ernst aus’m Weerth.

Dicht an der Kante des Bergrückens oberhalb Weingarten führt der Römerkanal, der von Antweiler kommt, nach Rheder, wo er das Erfttal überschritt. Er ist auf eine lange Strecke hin wohl erhalten, das Profil lässt sich an den beiden Einbrüchen, die hier gemacht worden sind, genau feststellen. Die Sinterschicht ist ausserordentlich stark und hat das Kanalprofil am unteren Ende auf etwa 25 cm verengt; die Höhe beträgt im Lichten 90 cm, die grösste Breite 75 cm. Etwas südlich von Weingarten ist vor etwa 15 Jahren ein Teil des Kanals zerstört worden, um den Sinter zur Wiederherstellung der Sinterskulpturen am Braunschweiger Dom zu gewinnen. (Eick, Der Römerkanal S. 76. - B.J.XVIII, S. 214; LXXX, S.7. - Overbeck, a.a.O. S. 5, 17. - Nöggerath, Zur architektonischen Mineralogie der preussischen Rheinprovinz: v. Karsten und Dechen, Archiv für Mineralogie XVIII. - Die Marmorgewinnung aus der römischen Wasserleitung in der preussischen Rheinprovinz: Westermanns Monatshefte 1858, S. 165. - C. Winter, Die Burg Dankwarderode zu Braunschweig, S. 62).

Im J. 1862 deckte man zwischen Weingarten und Rheder eine römische Badeanlage auf, bei der man Kleingerät und römische Münzen fand (B.J.XXXII, S. 139).


Eine römische Seitenstrasse führte das Erftthal entlang über Weingarten (B.J. LXVII, S. 25).



Katholische Pfarrkirche (s.t.s.crucis).



Handschriftl. Qu. Im Pfarrarchiv: Stiftungen, Rechnungen u.s.w. des 17. und 18. Jh. Vgl. Tille, Übersicht S. 221.

Schon im J. 1266 war die Kirche in Wingardin im Besitz des Klosters Münstereifel (Günther, Cod. dipl. II, Nr. 224), im Liber valoris um 1300 wird sie dagegen nicht erwähnt. Dem 14. Jh. entstammen die ältesten Teile der Kirche, Turm und Chor. Im 17. und 18. Jh. wurde das Langhaus teils umgebaut, teils neugebaut. Das Stift Münstereifel war bis zum Ausgang des 18. Jh. im Besitzt des Patronatsrechtes (Dumont, Descriptio p. 23).

Zweischiffiger schmuckloser Bruchsteinbau mit rechteckigem Chorhaus und vorgelagertem Westturm, im Lichten 17 m lang, 10 m breit.

Der einfache Bruchsteinturm zeigt in den unteren Geschossen nur schmale Lichtscharten, in der Glockenstube je ein einfaches Zinnenfenster mit seitlichen Konsolen; achtseitige geschieferte Pyramide mit zierlichem gothischen Kreuz aus Schmiedeeisen. An der Westwand neben dem Turm ist ein römischer Inschriftstein eingemauert (Brambach, C.J. Rh. Nr. 537. - Overbeck, Die römische Villa bei Weingarten, a.a.O. S. 5 - Eick, a.a.O. S. 83).


Das Langhaus schmucklos, von den drei Fenstern der Südseite eines noch mit der einfachen spitzbogigen Hausteinumrahmung; ein entsprechendes Fenster in der Ostwand des Chores. Seitlich vom Chor, anstossend an das Seitenschiff, ein kleiner Sakristeibau.


Das Innere ist flach gedeckt, die Scheidemauer mit drei einfachen rundbogigen Durchbrechungen. Das Chorhaus, mit einem gratigen Kreuzgewölbe, öffnet sich zum Langhaus in einem einfachen Spitzbogen.

Von den drei Glocken die grösste von 1649, die zweite von 1477, die kleinste von 1398; sie tragen die Inschriften: 1
1. S. Maria hischen ich, zur Ehre Gotte und H. Creutz und S. Sebastiani Bruderschaft dienen ich; Ope Huberti Molitoris de Meternich, Scabini in Arlof, et Mariae Quondam, nunc apolloniae conjugis, ex secunda prima facta sum anno 1649, claudi. lamirai me fecit.
2. Maria heis ich, in die eir got luden ich, sent crisant ind darie, stemt hie bii, nu ist der goeder namen dri. Den leventichen Rofen, die doden beschrien wir, anno dominie MCCCCLXXVII.
3. In honore sancte curxis, anno dominie MCCCXCVIII.


Fachwerkhaus

vom J. 1659 im Besitz der Witwe Flink (fig. 84). Kleines zweigeschossiges Haus von zwei Fensterachsen; das Obergeschoss, auf mit rohen Masken geschnitzten Balkenköpfen vorkragend, zeigt auf den Eckpfosten ein Schuppenmuster, auf der Schwelle ein Rosettenband; die Schwelle an den Enden von zwei hockenden Figürchen getragen. Die grossen Querbinder des Hauses werden im Obergeschoss an der Vorderseite sichtbar. Die Streben unter den Fenstern des Obergeschosses sind geschweift und zeigen seitliche Ansätze. Die Fenster im Obergeschoss, ein zweiteiliges und ein dreiteiliges, sind in der alten Form erhalten, diejenigen im Erdgeschoss später verändert. Die Putzfächer zwischen den jetzt braun angestrichenen Balken mit den verschiedenartigsten, zum Teil gut erhaltenen Putzritzungen, Quaderung, geometrischen Mustern, Blumentöpfen oder Rankenwerk. Über der Hausthür in zwei kränzen die Jahreszahl 1659.


Fig. 84 Weingarten. Fachwerkhaus vom J. 1659



Bruchsteinhaus

gegenüber der Pfarrkirche. Einfacher dreiachsiger Bau von zwei Geschossen mit einem grossen Thorweg und zwei Doppelfenstern im Erdgeschoss aus dem Anfang des 18. Jh. An der Hofseite liegt neben dem Thorweg ein kleiner malerischer Vorbau (Fig. 85) mit der Treppe zur Hausthür und dem Kellereingang; über der offenen Halle mit Holzstützen ein Erkerbau in Fachwerk mit einem kleinen Fenster; er ist abgeschlossen mit einem geschweiften Giebel und zierlicher balusterförmiger geschieferter Dachspitze mit Wetterfahne.

Auf der Schwelle des Oberbaues die Inschrift: “Erbaut durch Eberhard Schmid und Barbara Kesels, Anno 1710, den 7. Apprili. - Dieser Bau stehet in Gottes Handt, Gott beheut mich fur Feur und und Brand.”

[R.]

Fig. 86. Weingarten.
Hofansicht des Hauses gegenüber der Pfarrkirche.




Sammlung: R.K.
Edition: H.K.




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