Das Dorfbild unserer Heimat
Dr. Helmut Lobeck

Wer als froher Wanderer mit offenen Augen die Heimat durchzieht, wird schon bald bemerken, wie sich das Aussehen unserer Dörfer von Jahr zu Jahr ändert. Geben wir uns keinen Täuschungen hin! Der ästhetische Reiz unserer malerischen Dorfstraßen schwindet und macht tötendem Einerlei Platz. Das poesiefeindliche zwanzigste Jahrhundert setzt an die Stelle der alten Fachwerkhäuser mit ihrer unendlichen Vielfalt den modernen Steinbau, der ohne Tradition in Stadt und Dorf das nämliche unverbindliche Aussehen hat. Um so notwendiger scheint es uns, alte Fachwerkhäuser zu beobachten und, wenn eben möglich, im Bild festzuhalten. Vielleicht ist es die einzige Möglichkeit, die Vergangenheit bäuerlichen Wohnens in die Zukunft zu retten. Unser Bild zeigt heute eine Straße in Kreuzweingarten. Typisch für unseren Bezirk sind die geschlossenen Höfe mit dem großen Einfahrtstor. Wir bezeichnen diese geschlossenen Höfe als fränkische Vierkantanlagen, weil sich sämtliche Gebäude des bäuerlichen Betriebes - Wohnhaus, Stall, Scheune, Geräteschuppen - um einen meist viereckigen Innenhof scharen. Da keine Lücke gelassen ist, könnten solche Höfe leicht unfreundlich und abwehrend wirken, höbe das lichte Weiß der Gefache in der schwarzen Umrahmung der Zimmerung einen solchen Eindruck nicht wieder auf. Die einzelnen Höfe sind durch große Tore erschlossen. Diese Tore müssen dem vollbeladenen Erntewagen die Einfahrt in den Hof gestatten.

Das Fachwerk unserer Heimat ist zwar nicht so reich wie etwa das in Hessen oder am Oberrhein, aber doch abwechslungsreich genug. Bei den im allgemeinen zweistöckigen Wohnhäusern ist jedes Geschoß für sich abgezimmert. Ein kräftiger, häufig verdoppelter Horizontalbalken bezeichnet die Stockwerkgrenze und ist bestimmt, die Geschoßdecke im Innern des Hauses zu tragen. Auf unserem Bilde sind deutlich die Balkenköpfe dieser inneren Geschoßdecke zwischen den beiden horizontalen Stämme zu erkennen.

Durch eine damals zweiteilige Tür betritt der Besucher die Diele des Wohnhauses, die sich quer durch das ganze Haus zieht. Diese Diele dient zugleich als Küche. Früher stand hier der offene Herd mit dem mächtigen Rauchfang, der sich in einigen Häusern unseres Bezirkes noch findet. Zu Seiten der Diele liegt die Stube, manchmal dieser gegenüber auch eine Kammer. Bei größeren Anwesen ist das fast immer der Fall. Eine oft recht steile Treppe führt von der Küchendiele in das obere Stockwerk, wo sich weitere Kammern befinden.

Interessant sind auf unserem Bilde auch die großen Tore. Damit kein Raum unnötig verloren geht, führen diese Tore durch die Wohnhäuser hindurch bzw. befinden sich über ihnen noch eine Kammer zu Schlafzwecken.

Die Stellung der Wohnhäuser zur Straße wechselt; mal stehen sie mit der Traufe, mal mit dem Giebel zur Straße. Das gerade gibt dem Ganzen seinen besonderen und abwechslungsreichen Reiz, der, da Hof dicht an Hof gebaut ist, in starker Flucht in die Tiefe führt.

Aus: Zwischen Eifel und Ville, Heimatblätter für die Kreise Euskirchen und Schleiden, Beilage der Kölnischen Rundschau, Nr. 9, September 1953, Stadtarchiv Euskirchen

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