Forstamt Bad Münstereifel
Forstgeschichtliches zum Hardtwald bei Stotzheim, Kreis Euskirchen

Von Gerhard Naumann


Sorgen um Übernutzungen im Hardter Wald

Die fast ständigen kriegerischen Auseinandersetzungen der Kurkölner hinterließen auch am Hardtwald deutliche Spuren. 1702 zerstörten Franzosen die Stadtbefestigungen von Euskirchen. Was anschließend geschah, schildert Pesch 1901 so spannend, daß seine Worte hier auszugsweise wiedergegeben werden sollen:

„Als nun am 16. Nov. der Kommandant, Major von Dannenberg die zerstörte Stadt betrat, befahl er sogleich, dieselbe wieder in Vertheidigungszustand zu versetzen und zu dem Zwecke vornehmlich Pallisaden zu besorgen. Da aber die Stadt angeblich keine Waldungen besaß, um Holz für den Bau der Pallisaden zu bekommen, so kommandierte er die Bürger unter Aufsicht seiner Soldaten, in der benachbarten Hardt, die aber Eigentum des Erzstifts Köln war, das nötige Holz auf Karren und Wagen zu holen. Am 17., 18. und 20. November geschah diese und jedesmal ging eine Eskorte von 10 bis 20 Dragonern mit. Hier aber im Gebiete des von ihnen wegen seines Bündnisses mit dem raublustigen Ludwig XIV. Verhaßten kölnischen Kurfürsten ließen die Jülichschen Unterthanen, die Bürger von Euskirchen, ihren Unmut an dem Busche in freventlicher Weise los. Der Busch wurde gänzlich verdorben.

Am dritten Tage des mutwilligen Treibens ließ der kurkölnische Amtmann Franz von Quentel ungefähr 20 Pferde dem Uebelthäter abspannen und auf die Hardtburg bringen. Am 23. November nahmen dann auf amtlichen Befehl hin Schultheiß Wilhelm Momeßheim, Mathias Eschweiler und Anton Vilz, Scheffen des Dingstuhls in Stotzheim des Amtes Hardt, mit Zuziehung des amtlichen Gerichtsschreibers Everhard Tils eine Aufstellung des von der Euskirchener Bürgschaft verübten Schadens im Hardter Busch vor. Es fand sich, daß der Schaden an geraubten Bäumen auf rund 1890 Reichstaler (berichtigt nach der Originalquelle) sich belaufe“. (Es waren nach dem Bericht 80 Alteichen, 600 jüngere Eiche, 150 junge Eichen-Stahlen, 600 Buchen und eine große Menge Schlagholz entwendet worden, ergänzt nach der Originalquelle). „Den Hergang der mutwilligen That theilte der Amtmann dem Kurfürsten von Köln sogleich mit unter Beilegung des gerichtlichen Attestes. Daraufhin erstattete das Erzstift durch den Dechanten und Kapitular Gerhard Rensing dem Kurfürsten von der Pfalz über das Ereignis Bericht unterm 26. November 1702. In demselben wird in der verbindlichsten Form der Kurfürst von der Pfalz ersucht, völlige Instandsetzung des beschädigten Busches zu befehlen, durch ein Edikt seiner Unterthanen jeden weiteren Einfall unter namhafter Strafe zu verbieten und eine Kommission zu bilden, welche den Schadenersatz reguliert.

Die Bürger Euskirchens ließen sich jedoch so leichten Kaufes ihre Pferde und ihre Kannen vom Amtmann nicht wegnehmen. In der Frühe des 25. Oktober sprengte ein Dragoner von der Euskirchener Garnison vor das Thor der Hardtburg und verlangte die Herausgabe der weggenommenen Bauernpferde, widrigenfalls Gewalt gebraucht würde. Man antwortete ihm, daß solches auf Grund der Instruktion nicht erfolgen könne. Die Antwort war kaum gegeben, als 50 Bauern sowie auch Dragoner vor der Burg erschienen. Mit Äxten und Gabeln bewaffnet rückten die Bauern mit den Dragonern gegen das Thor und bemächtigten sich desselben. Unter dem Rufe: Wo seid ihr französische Hund', ihr Räuber und Dieb'? Drangen sie mit Gewalt hinein. Nun ging ein wüstes Treiben los. Bald hier, bald dort schlugen sie mit Gabeln und Äxten ein kölnischen Mannen jämmerlich zu Boden. Der am gleichen Morgen auf die Burg gekommene Gerichtsschreiber des Amtes entwich glücklicherweise mit dem Buschhüter Jakob den verzweifelten Streichen. Die Bauern nahmen ihre Pferde und Karren; auch Ketten und andere Sachen, die dem Jakob gehörten, nahmen sie weg. Unter großem Geschrei und Scheltworten gings dann wieder hinaus. Der Gerichtsschreiber teilte das Ereignis selbst dem Amtmann mit und schloß seinen Bericht mit den Worten: „Ew. Gnaden werden wissen, was bey dieser sachen weiteres zu thuen, umb somehr, indeme ich für die empfangene harte schläg der gabelen, so sehr scharff herangangen, ein vergnügen prätendire ...“.

Pesch hat sich in seiner Schilderung sehr eng, zum Teil wortgleich an die Originalquelle gehalten und nicht übertrieben dargestellt. (Originalquelle: Stadtarchiv Euskirchen I Nr. 327)

Dies war sicherlich die spektakulärste Aktion Fremder im Hardtwald, nicht aber die erste. So berichtet Amtsverwalter und Kellner Thomas Brewer von der Hardtburg schon 1695 an die Hofkammer, daß in diesem Jahre „... die Soldaten und benachbarte so Köllnisch als Jülische ... gar übel im Busch gehauset ...“ (Staatsarchiv Düsseldorf Kurköln IV Akte 636), und noch schlimmer muß der schon oben erwähnte Sonderhieb für die holländischen Kaufleute 1662 im Hardtwald gewesen sein, denn er entsprach etwa 4.000 lebende Eichen, natürlich die stärksten im Wald. Obendrein sind „... die mehrsten Bäume durchbohrt worden, wodurch dann seinem Vermuten nach der Abstand und Erdorrung des Gehölzes um 10 mehr erfolgen müßte ...“.

Wahrscheinlich hatten die holländischen Kaufleute alle dicken Eichen durchbohren lassen, um festzustellen, welche innen faul waren, die dann für ihre Nutzung uninteressant waren. Daß dies die Bäume schädigte, weil sie für Pilzinfektionen geöffnet waren, liegt auf der Hand.

Zu allem Unglück hatte der Kurfürst 1684 aus Geldmangel „unser Amt und Schloß zu der Hardt“ und alle Gefälle des Amtes Hardt „dem lieben getreuen Frantz Quentell“ verpfändet. Dazu gehörten laut Pfandbrief (Akte C 636) auch die „... ordentliche Abnutzung der Wälder und Büschen, ... Windschlag und abstehende dürre Bäume, auch die Gerechtigkeit auf dem Flamersheimer Wald ...“. Grundlagen für die Berechnung der Höhe des Wertes der Pfandverschreibung waren umfangreiche Register über die Einnahmen des Amtes Hardt der Jahre 1666 bis 1682. Der Kurfürst hatte 1684 6.000 Soldaten nach Ungarn geschickt und sich das Geld hierfür durch die Pfandverschreibung besorgt.

Diese Einnahmenverpfändung an Frantz Quentell, der kurfürstlicher Amtsverwalter des Amtes Hardt war, war ein Unglück für den Hardtwald und immer wieder Anlaß für Auslegungsstreitigkeiten. Quentell durfte nur eine „ordentliche Abnutzung“ betreiben, das heißt, nicht mehr hauen als zuwächst. Dafür gab es jedoch gar kein Maßstab mangels Inventur des Holzbestandes und Abschätzung des „Normalhiebssatzes“, der die Nachhaltigkeit der Nutzungsmöglichkeiten nicht verletzte. Als weitere Vorsorge vor Übernutzung durfte Quentell nur „abständige dürre Bäume“ hauen, also keine grünen, gesunden, die noch im Zuwachs stehen und als Mutterbäume für Nachwuchs sorgen sollen. Ab wann ein Baum aber „abständig“ (=abgängig) ist, würde auch unter heutigen Kenntnissen selbst unter Fachleuten umstritten sein und bleiben. Natürlich mußte das zu Streit führen. Quentell hat die „Abständigkeit“ der Eichen in seinem Sinn sehr großzügig ausgelegt. Die von den Holländern angebohrten Eichen waren für Quentell sowieso sein Eigentum, da „die Eichbäume durch das gewaltsame Bohren ... sehr notabel beschädigt und zur Verdorrung geraten ... alweilen kein Wachsung oder Besserung des Gehölzes zu hoffen, sondern ... die angeführte Verdürrung und Verfaulung sich immer vergrößert und dahero zu letzt erfolgen müßte, daß solcher Baum auch gar verdorret und folglich unter solches abständiges Gehölz verfallen täte, welches dann (als) Pfandeichbaum condioniertermaßen eingeräumt worden ...“. Also nutzte Quentell die Eichen, bevor sie trocken und wertlos wurden, was aber der Pfandbrief gar nicht erlaubte.

Der „Hartische Amtsverwalter“ Thomas Brewer und der „dasige Buschförster“ zeigten denn auch der Hofkammer die Überhiebe des Quentell an, wodurch es schließlich 1715 zu einer „Churfürstlichen Cameral Comission Besichtigung und Taxation des Hardter Busches“ (Akten 636 und 641) kam mit endlos langen Verhören und Protokollen. Äußerer Anlaß waren 200 Eichen, die Quentell abhauen ließ und sie verkaufte. Quentell machte sie als abständig geltend, also als sein Eigentum, über das er frei verfügen konnte.

Die Commission aber hatte zu prüfen, ob es sich um „gute trachtbare Bäume“ gehandelt hat, deren Verkauf nur zugunsten der Kurfürstlichen Kasse gehen konnte. Nachdem Amtmann Quentell nach dem Verhör „seinen Abtritt benommen“ hat die Commission unter Zuziehung verschiedener Zimmerleute zunächst die abgehauenen 200 Eichen besichtigt und nach ihrem normalen Verkaufswert taxiert und anschließend die nutzbaren stehenden Bäume des Hardtwaldes nach dem gleichen Prinzip taxiert, was mehrere Tage in Anspruch nahm.

Schnell einigte man sich über die 200 Eichenstämme: Man hat nach Besichtigung „von Stück zu Stück“ die „“... Bäume sampt und sonders Teils wegen Alter, wie auch wegen Verdorrung und Fäulichkeit dermaßen schier abständig befunden, und mithin von denen Zimmermeistern erklärt worden, daß, wenn selbige nicht dieser Zeiten abgehauet und vernützet würden, mehrger zu Schaden gehen, und hernach weniger an Geld zu machen sein würde, des gewiß halber hatten selbige Zimmermeister verneint, daß solche Bäume zu jung seien angebragt, ...“.

Die Taxierung der stehenden Bäume im Hardtwald - es wurden wohl nur die Eichen in nutzbarer Stärke besichtigt und angezeichnet - ergab:

„tüchtige“
„halbtüchtige“
„fast abständige“

Bäume
Bäume
Bäume

4946
538
4876

Stück
Stück
Stück

Zus.:


10360

Stück

Wert zus.:


23-539

Reichstaler.


Demnach standen im Hardtwald pro Hektar ca. 50 nutzbare Eichen, wovon die Hälfte abgängig war. Diese entspricht dem Bild, daß wir uns vom damaligen Mittelwald machen: Der Oberstand, überwiegend Eichen, stand recht locker und war lückig, ließ viel Licht durch und die Kronen waren recht groß. Für die Mastnutzung durch Schweineeintrieb waren die Eichen also gut geeignet, ihre Schäfte waren aber kurz, tief beastet und oft voller Wasserreiser, die Nutzholzausbeute also gering. Der Unterstand bestand aus mehr oder weniger dichtem Stockausschlag aus Buche, Hainbuche und Eiche, wobei man einige Eichen als „Laßreitel“ in den Oberstand durchwachsen ließ, der übrige Unterstand wurde aber in ca. 20Jährigem Umtrieb als Brennholz und Eichen z.T. als Lohholz genutzt (=“Schlagholz“). Frische Schläge wurden eingehegt, also mit Weide- und Nutzungsverbot versehen; erst wenn die Stockausschläge höher waren und vom Vieh nicht mehr abgefressen werden konnten, wurden die Flächen wieder freigegeben.

Diese Art der Waldbewirtschaftung war also durchaus planmäßig und vorsorgend, was noch durch zusätzliche Eichenpflanzungen und die intensive Berücksichtigung des Unterstandes bei Fällungen im Oberstand unterstrichen wird.

Es bleibt in den Akten offen, ob und welche Konsequenzen aus der umfangreichen Arbeit der Commission gezogen wurden. Nach 1715 ist aber von der Pfandverschreibung in den Akten nicht mehr die Rede.

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© Copyright 22.10.2003 Forstamt Bad Münstereifel
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