Forstamt Bad Münstereifel
Forstgeschichtliches zum Hardtwald bei Stotzheim, Kreis Euskirchen

Von Gerhard Naumann


Ablösungen der Berechtigungen

Der preußische Staat hat intensiv versucht, alte Berechtigungen Dritter im Wald, so auch im Staatswald, abzulösen, was z.T. mit Geld, z.T. mit Landabfindungen geschah. Hierfür wurde eine gesetzliche Grundlage geschaffen: die Gemeinheitsteilungsordnung von 1821, die aber erst durch die gesetzlichen Ergänzungen von 1850 und 1851 auch für das Rheinland Gültigkeit bekam (Quelle: Hesmer, H.). Es lag auf der Hand, daß versucht wurde, auch die Berechtigung der Gemeinde Stotzheim „... trockene Erdstöcke zu brechen, trockenes Leseholz und das vom Winde zusammengewehte Laub an den Stellen, wo solches ohne Nachteil für die Anpflanzung geschehen kann, zu sammeln ...“ abzulösen.

Während der französischen Herrschaftsjahre waren die Gerechtsame der Gemeinde Stotzheim nicht angetastet worden (Stadtarchiv Euskirchen, Amt Kuchenheim I Nr. 56). Die Bürger Stotzheims waren hellwach, um zu verhindern, daß de facto Einschränkungen ihrer Rechte von der Forstverwaltung vorgenommen würden. 1848 beschwerten sie sich darüber, daß Nadelholzpflanzungen vorgenommen und Lohschläge aufgegeben würden, wodurch sie sich in ihren Rechten beschnitten fühlten. In großangelegten Bereisungen und Versammlungen mußten die Stotzheimer davon überzeugt werden, daß ihre Befürchtungen haltlos waren.

Eine weitere Einschränkung sahen die Stotzheimer 1848/49 in den überhand nehmenden Holzdiebstählen und sonstigen Freveltaten (woran sie sicher auch beteiligt waren). Im Grunde ging es den Stotzheimern darum, zu verhindern, daß Bürger anderer angrenzenden Ortschaften sich im Hardtwald gütlich taten. Da dies auch Anliegen der Frostverwaltung war, einigte man sich darauf, 12 (!) „Forstschutz-Gehilfen“, die von den Stotzheimer Bürgern gestellt und von der Forstverwaltung vereidigt wurden, einzusetzen, die in Begleitung des Hardtburger Försters besonders zur Nachtzeit und bewaffnet Streife gingen.

1851 wurde der Gemeinde Stotzheim von der Regierung Köln ein Ablöseangebot unterbreitet: Sie sollten als Gegenleistung für die Ablösung der Gerechtsame einen Teil des Hardtwaldes zu Eigentum bekommen. Die Rede war von 109 der 677 Morgen großen Fläche des Hardtwaldes. Die Regierung hatte diesen Gegenwert in einem Gutachten berechnet. Die Stotzheimer waren jedoch nicht einverstanden, schätzten den Wert der Berechtigung höher ein und wollten, wenn überhaupt, nicht Wald, sondern Geld als Abfindung: „In Erwägung jedoch, daß die Gemeinde darauf bedacht nehmen muß, auf eine sichere Geldeinnahme zu rechnen, um endlich zum Bau einer neuen Kirche zu gelangen.“ Also wollte man weiter verhandeln, aber es geschieht so schnell nichts. Erst 1861 teilt man den Stotzheimern mit, daß die Königliche Regierung nunmehr bereit sei, für die Ablösung der Rechte 3.000 Reichstaler zu zahlen. Dies ist den Stotzheimern aber auch zu wenig. In den trockenen Jahren 1857-59 habe man den Wert der Gerechtsame deutlich zu schätzen gelernt und außerdem sei der Holzpreis gestiegen. Obwohl der Gemeinderat 1852 die Ablösung beschlossen habe, sei man heute anderer Auffassung.

1862 teilt die Regierung dem Landrat mit, daß sie die Ablösung nunmehr nach § 3 des Gemeinheitsteilungsgesetzes förmlich eingeleitet habe, und nennt den Namen des beauftragten Regierungskommissars.

Der Landrat ist zwar der Auffassung, daß auch auf dieser gesetzlichen Grundlage eine zwangsweise gerichtliche Ablösung unzulässig ist, doch das war auch gar nicht die Absicht der Regierung. Sie wollte nur Druck machen, um zu einem außergerichtlichen Verhandlungsergebnis mit der Gemeinde zu kommen. Mit öffentlich bekanntgegebenen Vorladungen der Berechtigten zu einem Verhandlungstermin auf der Hardtburg am 1.7.1862 begann das förmliche Verfahren. Vorher hatte sich der Gemeinderat von Stotzheim am 29.6.1862 mit der Sache beschäftigt und beschlossen, eine Ablösesumme von 7.000 Reichstalern zu fordern, was dann auf der Hardtburg im Termin vorgetragen wurde. Die Regierung hatte den Wert der Servitute neu berechnet und bot nunmehr 3212 Taler an. Diese Bewertung wurde auch der Gemeinde zur Verfügung gestellt und ihr empfohlen, sich einen Gutachter zur Überprüfung zu nehmen und dann im Rat erneut darüber zu entscheiden. Im übrigen wurde der nächste Verhandlungstermin auf der Hardtburg schon festgelegt.

Diese 7seitige Bewertung ist in vielfacher Hinsicht aufschlußreich, daher nachfolgend einige Zitate (Stadtarchiv Euskirchen, Amt Kuchenheim I Nr. 56):
„... Der Wald wird teils als Hochwald, teils als Schlagholz bewirtschaftet, indeß ist er nach diesen Kulturarten nicht örtlich eingeteilt, sondern die Hochbäume stehen zerstreut unter dem Schlagholz und nehmen der Fläche nach etwa ein Fünftheil des Waldes oder rund 140 Morgen ein ... Die Umtriebsperiode des Hochwaldes ist 120 Jahre, die des Schlagholzes 20 Jahre und die abgetriebenen Schläge werden 12 Jahre in Schonung gelegt ... Der Holzbestand ist durchschnittlich ein mittelmäßiger ...“.

Die veranschlagte jährliche nutzbare Laubmenge: 79.840 Pfund „... Hinsichtlich der Streugüte verhält sich das Laub zum Roggenstroh wie 5:2 und sind also 79.840 Pfund Laubstreu = 31.936 Pfund Stroh ...“. Als Strohwert wird 5 Reichstaler für 1.000 Pfund angegeben. Der Sammelaufwand wurde abgezogen:
„... und eine Frau kann in einem Tage sehr wohl 3 Tücher Laubstreu jedes zu 200 Pfund, pro Tag also 600 Pfund scharren und eintragen ...“ (!)
Bei der Berechnung des Wertes der Stockrodung ging man davon aus, daß jährlich im Hardtwald 45 Atleichen gefällt würden. „Ein rüstiger Mann ist im Stande, mit Anwendungen des Beils und der Hacke an einem Tage 3 Stöcke zu roden und nach Hause zu bringen.“

Die errechneten Werte waren:





für Streuberechtigung
für Stockholzroden
für Leseholzsammeln
zus. rd.

137 Taler
7 Taler
15 Taler
160 Taler

„... welche durch Zahlung eines dem zwanzigfachen Betrage gleichkommenden Kapitals von 3.212 Rtlr ablösbar sein würde ...“.

Die Gemeinde hatte sich inzwischen einen eigenen Gutachter besorgt, der den Wert der Rechte mit 5.618 Talern feststellt, weshalb die Gemeinde beschloß, ihre Forderung von ursprünglich 7.000 auf nunmehr 6.000 Taler zu reduzieren, was dann auch bei der 2. förmlichen Anhörung am 18.8.1862 in der Hardtburg vorgetragen wurde.

Inzwischen hatte sich der Regierungskommissar aus dem Staatsarchiv Düsseldorf Urkunden und Schriftstücke über die Berechtigungen der Stotzheimer schicken lassen, die er auch den Stotzheimern zur Verfügung stellte. Er hatte darin erkannt und den Stotzheimern gegenüber festgestellt, daß das Laubscharren gar nicht auf eine Berechtigung zurückgeht, sondern eine „precario (=bittweise, widerruflich) gestattete Ausübung“ sei, so daß in Zweifel zu ziehen ist, daß für das Laubsammeln überhaupt eine Ablösung erforderlich ist. Vielmehr müsse die Regierung überlegen, ob sie nicht die Laubstreu-Berechtigung überhaupt bestreiten müsse.

Die Gemeinde soll sich daher nochmal juristisch beraten lassen und ihre Forderungen überdenken.
Da nichts geschieht, macht die Regierung weiteren Druck auf die Gemeinde und stellt ihr die Hälfte der bisher aufgelaufenen Kosten des Ablösungsverfahrens mit 66 Reichstaler in Rechnung.
Der Regierungskommissar läßt nicht locker, sondern stellt einen förmlichen Ablösungsplan auf, der gleich als Vertrag konzipiert ist: Ablösesumme 3.212 Rtlr abzüglich
½ der Verfahrenskosten. Dieser Ablösungsvertrag ist Gegenstand der nächsten förmlichen Verhandlung auf der Hardtburg am 1.6.1864. Am 10.6.1864 unterschreiben die Parteien schließlich den Vertrag, der bald darauf genehmigt und rechtskräftig wird.
Zwar versuchten einige Bürger Stotzheims die Rechte anschließend als personengebundenen für sich zu reklamieren und sprachen der Gemeinde das Recht ab, diese Bürgerrechte abzulösen, das war jedoch durch das Gemeinheitsteilungsgesetz anders geregelt, so daß die Regierung diese Begehren leicht abschlägig bescheiden konnte.
Einwohner die danach noch solche Nutzungen im Hardtwald haben wollten, konnten einen entgeltlichen Leseschein beim Hardtburger Förster dafür lösen.

Erinnern wir uns: 1622, also vor rund 250 Jahren, wurde diese „von alters her“ bestehende Berechtigungen zum Leseholzsammeln im Weistum von Stotzheim schriftlich fixiert. Schlimmer aber war das Laubsammeln, daß erst später zur Gewohnheit wurde. Sicher hat die preußische Forstverwaltung ziemlichen Druck ausgeübt, diese „Berechtigungen“ abzulösen, weil diese kaum kontrollierbar waren und sicher zu vielen Beschädigungen des Jungwuchses und der Fruchtbarkeit des Bodens im Walde geführt haben. Diese Situation hat die Gemeinde Stotzheim in den Verhandlungen für sich lange auszunutzen versucht, letztendlich aber vergebens.

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