Forstamt Bad Münstereifel
Forstgeschichtliches zum Hardtwald bei Stotzheim, Kreis Euskirchen

Von Gerhard Naumann


1829: Fortsetzung der traditionellen Mittelwaldwirtschaft

Die erste Forsteinrichtung von 1829 - genannt: „Generelle Beschreibung der Königlichen Waldungen der Oberförsterei Kottenforst“ -, erarbeitet von dem königlichen Referendar Weyer, basiert auf eine erste Vermessung und Einteilung des Waldes in Abteilungen, die in den Jahren 1825 - 27 vom Forstvermesser Roesen gefertigt worden war. Sie spiegelt die damals übliche Bestandesgliederung in Hochwald, Mittelwald und Niederwald (=Schlagholz) wieder.

Der Hochwald, die heute fast ausschließlich vorkommende Betriebsform, besteht in der Regel aus Kernwüchsen (Ansamung, Pflanzung), gelegentlich auch aus durchgewachsenen Stockausschlägen; die Bestände werden im Rahmen von Durchforstungen laufend aufgelichtet und erst in voll erwachsenem Zustand endgenutzt. Der Niederwald besteht meist aus Stockausschlag, in der Regel aus Eichen, Hainbuchen, Buchen, Erlen, Birken; er wird in jugendlichem Alter von etwa 20 Jahren genutzt und schlägt dann erneut aus den Stöcken aus. Der Niederwald ergibt nur Brennholz oder Kohlholz, kein Nutzholz, und ist hier häufig auch in der Form des Eichenschälwaldes betrieben worden, um Eichenrinde für Gerbereien zu gewinnen.

Der Mittelwald ist eine Zwischenform zwischen Niederwald und Hochwald: eine untere Schicht aus Stockausschlag wird in niedrigem Umtrieb bewirtschaftet und eine locker stehende obere Schicht aus durchgewachsenen Stockausschlägen („Laßreitel“) oder aus Kernwüchsen (Samenpflanzen) in höherem Umtrieb, um Nutzholz und Mast zu gewinnen.

Mittelwaldformen herrschten 1829 im Kottenforst und im Hardtwald vor. Sie bestanden schon im 18. Jahrhundert (siehe oben) und waren sicher auch durch die französischen Forstleute besonders gefördert worden, denn in Frankreich war der Mittelwald die häufigste Betriebsform. Sie erlaubte auch die seit Jahrhunderten getätigte Bevorzugung der Eiche, die sich sowohl im Niederwald (=“Schlagholz“) wegen ihrer besseren Stockausschlagfähigkeit und der Lohenutzung gegenüber der von Natur aus vorherrschenden Rotbuche durchsetzte als auch im Oberstand des Mittelwaldes bevorzugt wurde, weil sie allein das begehrte Bauholz lieferte, zudem die beste Mastnutzung erlaubte und obendrein eine lichtdurchlässigere Krone hat im Vergleich zur Buche, so daß die Stockausschläge im Unterstand besser wachsen konnten. Seit Jahrhunderten hatte der Mensch also konsequent die Eiche auf Kosten der Buche gefördert und damit die natürliche Waldgesellschaft verändert. Noch heute haben wir einen Eichenanteil in unseren Wäldern, der um ein Vielfaches höher ist als die natürliche Eichenbeimischung in den hiesigen Buchenwaldgesellschaften.

Für den Bereich des Hardtwaldes wurden 1829 ermittelt:






Laub-Hochwald:
Mittelwald:
Eichenschälwald:
Kiefernbestände:
zusammen Holzbodenfläche

- nichts -
104,5 Hektar
76,0 Hektar
1,5 Hektar
182,0 Hektar

-
57 %
42 %
1 %
100 %






Keine andere Försterei des Kottenforstes hatte soviel Eichenschälwald aufzuweisen wie der Hardtwald. Schon 1829 war der Hardtwald überaus stark von der Eiche geprägt, die nicht nur den Schälwald, sondern auch im Mittelwald dominierte. Die ersten zögerlichen Nadelholzanbauten mit Kiefer sind noch unbedeutend. Sie stammen alle aus der preußischen Zeit, sind also nicht älter als etwa 20 Jahre.

Die Holzeinschlagsplanung für die 1. Periode vor 20 Jahren sah eine Nutzung von jährlich folgenden Mengen vor:












Eichennutzholz
Scheitholz (Brennholz) Eiche
Scheitholz (Brennholz) Buche
zusammen

= 14 fm
= 103 fm
= 12 fm
= 129 fm = 0,7 fm/je ha *)











Hinzu kamen Knüppel und Reiserholz also Äste und dünnste Stämmchen, die ein weit größeres Quantum ausmachten. Dieser Nutzungsansatz ist sehr niedrig, denn die Waldbestände standen zum Teil recht lückig und der Anteil des Niederwaldes war hoch, weshalb überwiegend Schwachholz genutzt wurde.

Einige Bestandesbeschreibungen von 1829 mögen den Einblick vertiefen:










Eulenbruch

„Gemischtes Hainbuchen-, Eichen - und Buchenschlagholz mit Eichen und Buchen-Oberholz von 30-80 Jahren, guter Bestand. Die Abteilung wird als Mittelwald im 25jährigem Umtrieb bewirtschaftet“

Unter dem Castenholzer Weg

„Gemischtes Eichen - Buchen - und Hainbuchenschlagholz mit 40-80jährigen Eichen und Buchen-Oberholz, schlechter Bestand; hin und wieder mit Kiefer eingemischt. Schälwald in 20jährigem Umtrieb, Kiefern sollen zur Verbesserung des Bodens 60 Jahre übergehalten werden; Anpflanzen der leeren Stellen mit Eichen.“










Jede Abteilung wird in solcher Weise beschrieben und planerisch bewertet. Eine Änderung der Betriebsform z.B. von Niederwild bzw. Schlagholz in Hoch- oder Mittelwald wird aber nirgends vorgeschlagen. Der Mittelwald wird vom Forsteinrichter als besonders geeignet zur Befriedigung der verschiedensten Holzbedürfnisse bis hin zur Lieferung von Rebpfählen bezeichnet und soll beibehalten werden. Eichenschälwälder sollen in nur 20jährigem Umtrieb bewirtschaftet werden, „... da die Rinde von älterem Holz wegen der geringeren Kraft zur Fabrikation des Leders keinen so hohen Werth, wie jene von jüngerem Holz hat und daher weniger gesucht ist. Unter den zu Eichenschälwaldungen bestimmten Distrikten befinden sich einige, welche gar kein Oberholz haben, beides ist für die Bewirtschaftungsart nachteilig, und muß daher das richtige Verhältnis, so wie die Schläge zum Abtriebe kommen, zu erreichen gesucht werden. Dieses richtige Verhältnis besteht, wenn man den Hauptzweck der Eichenschälwaldungen, nämlich die Erziehung der besten und größtmöglichen Menge von Lohrinde im Auge behält darin, immer einiges Oberholz zum Schutz des Unterholzes und zur Besamung etwa entstehende leere Stellen überzuhalten, wozu 20-30 Laßreitel, Überständer, und geringe Stämme pro Morgen vollständig hinreichen ...“.


Abb.1 - Der Hardtwald nach der Vermessung 1825/27, mehrfach berichtigt und ergänzt bis 1878, aus Teilstücken zusammengesetzt, nicht maßstabsgetreu und nicht genordet. (Quelle: Archiv Forstamt Bonn).

Die waldbaulichen Vorstellungen des Forsteinrichters waren also recht konkret, die traditionelle Waldbau wird aber beibehalten. Die Oberförsterei wurde von der Forstinspektion verpflichtet, die Forsteinrichtungsvorschläge genau zu beachten und bei der Aufstellung der jährlichen Hauungs- und Kulturpläne umzusetzen „... und jede dienlich gefundene Abweichung jedesmal vorher zur Genehmigung in Antrag (zu) bringen ...“.

Der Forsteinrichter beschäftigte sich auch mit den bestehenden Berechtigungen; „... Eine weit lästigere Servitut steht der Gemeinde Stotzheim in dem Forste Hardt zu; dieselbe hat nämlich in diesem Wald das Recht des Laubscharrens, des Stöckerodens und des Raff- und Leseholzsammelns. Zur möglichsten Abwendung der sehr nachteiligen Folgen dieser Servitut sind inzwischen ganz zweckmäßige Maßregeln angewandt, wozu insbesondere gehört, daß das Laubscharren nur in 15jährigen und älteren Beständen und bis zu 3 Jahren vor der Hauung und das Roden der alten und ganz abgestorbenen Stöcke nur in 5jährigen Distrikten, welche jedes Jahr besonders auszuweisen sind, an den festgesetzten Büschtagen, nämlich zweimal in der Woche geschehen darf ...“.

Immer wieder wurden Mißbräuche beim Laub- und Raff- und Leseholzsammeln der Stotzheimer angeprangert. 1819 schreibt z.B. der Landrat des Kreises Rheinbach an den Bürgermeister von Cuchenheim (Stadtarchiv Euskirchen Akte Amt Kuchenheim I Nr. 56), daß von Seiten der Forstbehörde Klage darüber geführt worden ist, daß von den zum Raff- und Leseholz-Sammeln Berechtigten in den Waldungen sehr häufig junge Stämmchen und Äste abgebrochen würden, um solche dadurch zum Absterben zu bringen und hernach als Leseholz sammeln zu können. Desgleichen 1843: Die Holzdiebereien in der Hardt nehmen so überhand, daß zu befürchten steht, daß dieser Wald „durch fremdes Gesindel gänzlich zu Grunde gerichtet wird“. Daher warnt der Landrat die Stotzheimer über den Bürgermeister von Cuchenheim, sich ordnungsgemäß zu verhalten, damit sie nicht ihre Rechte verlieren.

1844 stellt die Fostverwaltung im Hardtwald 70 Schock Reiser zum halben Taxpreis für die Armen der an den Hardtwald angrenzenden Ortschaften zur Eindämmung des Diebstahls zur Verfügung.

Eine weitere Gerechtsame beschäftigt den Forsteinrichter: „... Auf dem Forste Hardt, und zwar einem kleinen Districte desselben, der Judenkirchhof genannt, lastet die Gerechtsame, das es den jüdischen Einwohnern der Gemeinden Arloff, Kirspenich, Stotzheim und Cuchenheim zusteht, dort ihre Todten zu begraben.

Eine Urkunde über das Entstehen dieses sonderbaren Gerechtsams ist zwar nicht vorhanden; allein es ist notorisch bekannt, daß solches bereits seit mehreren 100 Jahren ungestört ausgeübt worden ist ...“.

Zur Jagd schreibt der Forsteinrichter 1829, daß der Hardtwald verpachtet ist. An Wild gebe es Rehe, Hasen und hin und wieder Kaninchen, auch Schnepfen und „Schneißvögel“ (Wacholderdrosseln). „Das Schwarzwild, welches jährlich in einzelnen Stücken aus den Gebirgsgegenden herüberwechselt, hält nicht Stand, und wird nach den höheren Bestimmungen zu jeder Jahreszeit abgeschossen, um die Landleut gegen Beschädigung ihrer Felder zu schützen. An Raubtieren finden sich vorzüglich: Füchse, Dachse, wilde Katzen, Baum- und Steinmarder. Die Wölfe sind beinahe gänzlich vertilgt und nur zuweilen wechseln sie aus den höheren Gebirgsgegenden herüber, halten sich aber nicht lange auf, da sie hier auf alle mögliche Weise verfolgt werden ...“.

Die Revision der Forsteinrichtungen von 1839 beschränkte sich darauf, die Hiebsplanung leicht abzuändern. Dies geschah durch Korrekturen im Betriebsplan von 1829, ein eigener Betriebsplan wurde 1839 also nicht geschaffen. Daher lohnt es sich nicht, darauf einzugehen.

*) Anmerkung: Die verwendeten Umrechnungszahlen von früheren Maßangaben auf Festmeter sind im Anhang ausgewiesen.

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