Kalkar |
Die Gemeinde, das Moor und die Ludgeri-Kapelle |
Von Pfarrer Nikola Reinartz |
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Es hat eine Zeit gegeben, da fuhr die Euskirchener Kreisbahn geruhsam genug von Satzvey nach Arloff über Kalkar und machte dort Station; aber das ist nur eine kurze Episode in der bewegten Geschichte des alten interessanten Dörfchens gewesen. Wohl ist inzwischen die neue Zeit ja auch mit Wasserleitung, Fernsprecher und elektrischem Licht nach Kalkar gekommen, aber im großen und ganzen liegt es noch da um sein Kirchlein gesammelt wie seit Jahrhunderten, ein still verträumtes Eiland in der weiten Mulde zwischen den Randhöhen der Eifelberge vor Eschweiler- einst die Grenze von Eifeldekanat und Eifelgau - und dem vorgelagerten Höhenzug des Billigerwaldes. So klein und unbedeutend der Ort auch scheinen mag, unbedenklich kann man das Wort der Bibel anklingen lassen; Du, Kalkar, im Euskirchener Land, bist keinesweg die geringste unter den Siedelstätten des Kreises, denn du bewahrst |
zwei kostbare
Schätze, |
Mit dem du so eng verknüpft bis, schon durch deinen Namen. Die haben ihn wohl nicht erkannt, die ihn ableiten wollten von den alten Römern und ihn zu einer Kalkstätte gemacht hatten. 1) |
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Die Kirche zum hl. Ludgerus |
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Dein Name, wie der des großen Namensvetters am Niederrhein, kommt vielleicht von dem gutdeutschen Wort "Kolk" = "Moor oder Seestätte". Dafür spricht zunächst die älteste Namensform "Kalken" oder "KalkeI" um 1300; später, gegen 1400 und noch Anfang 1800 "Kalker" ; ferner die lautliche Unmöglichkeit der Ableitung von einem auf der drittletzten Silbe betonten lateinischen "calcaria"; dann der Umstand, daß hier ebensowenig wie am Niederrhein eine Kalkbodenlage in Erscheinung tritt. 2) Dagegen ist die Ableitung von "Kolk" aufs beste beglaubigt durch die noch bestehenden Flurbezeichnungen "in den Pölen" und "im See" 3) und durch die Lage hart am Rande des Moores. In früheren Jahren fast nur zur Torf- und Streugewinnung benutzt, hat dasselbe in neuerer Zeit in naturwissenschaftlichen Freisen wegen seiner bemerkenswerten Flora steigende Beachtung gefunden, wie die sicht stets wiederholenden Lehrausflüge der beiden Bonner Hochschulen und der Kölner Universität beweisen. Es finden sich die typischen Moorpflanzen in überraschender Reichhaltigkeit, unter ihnen viele seltene Bestände, von denen Prof. Nießen in den Westdeutschen Blättern, Der Kreis Euskrichen, Seite 19 eine bunte Musterkarte vorlegt. Unter den auch für den Laien interessantern mögen hervorgehoben werden die sonst in der Eifel verschwundene hier in dichtem Bestande von 5 Ar stehende Binsenschneide mit ihren scharfen, stacheligen Blatträndern, - die fleischfressenden Pflanzen Sonnentau, goldfarben, das blaue, nur hier im Rheinland vorkommende Fettkraut, - die seltene Orchidee Torf-Glanzkraut, viele Riedgräser, Farnkraut usw. Krebst und Kiebitze, die das Bild nach der zoologischen Seite hin ergänzten, sind leider verschwunden. Seine für die Botanik so bedeutungsvolle Eigenart verdankt diese nach Osten und Westen durch eine nur wenige Meter hohe Bodenschwelle vom Erfttal und dem Zuflußgebiet des Veytales geschiedene Niederung zwischen Kalkar und dem Broicherhof - ein Teil gehört zur Gemeinde Arloff - dem undurchlässigen tertiären Ton und tonigen Sanden, über die sich eine bis vierfünftel Meter starke Humusschicht gelagert hat. Die den Pflanzenwuchs bedingende Bewässerung erfolgt, abgesehen von den verhältnismäßig geringen Niederschlägen durch eine frischsprudelnde Quelle, das von dem aufgewirbelten, seinen Sandmüss sogen. Mollpützchen und dem auf der Grenzscheide der Gemeinden Kalkar und Arloff sich mit dem von Antweiler kommenden Dorfgraben vereinigenden Wachenbach, welche von da an den Namen Mersbach 4) führen; dieser erzwingt sich an engster Stelle im obern Kreuz-Weingarten den Durchbruch zwischen Münsterberg und Pfaffenhardt und mündet etwas unterhalb in der Erft. Zweifelsohne befand sich dort einstmals ein großes Seebecken das dann durch den Taleinschnitt des Mersbaches seinen natürlichen Abfluß gefunden hat. Durch eine wohl mögliche Tieferlegung des Bachbettes würde sich eine weitere Austrocknung des Moores ergeben, wie es schon teilweise vor etwa 60 Jahren durch die Gradlegung des sich in weiten Kurven durchschlängelnden Bachlaufes geschah und auch nach dem Kriege projektiert wurde. Durch weitere Maßnahmen dieser Art würde aber der Bestand und der naturwissenschaftliche Wert des Bruches aufs ernstlichste gefährdet. Umdem möglichst vorzubeugen, wurden am 20. Februar 1930 der Anteil der Gemeinde Kalkar in Größe von etwa 6 Hektar von dem Kreise Euskirchen käuflich für 3.200 Mark erworben unddann wieder dem bisherigen Eigentümer gegen Tragung der auf dem Grundstück ruhenden Lasten und Abgaben zur Nutzung wie bisher pachtweise überlassen unter der Bedingung, daß der Zustand des Moores nicht verändert, insbesondere die in demselben befindlichen Quelle ncht beeinträchtigt werden dürfe. Kalkar verlor in diesem Vertrage nichts und gewann ein zweifaches: einmal eine weitgehende Sicherung des einzigartigen Moores und seiner Anziehungskraft für den Ort, sodann die Ermöglichung der Anlage einer Wasserleitung für den Ort aus dem Kaufpreis. Wir kommen zu der nicht weniger interessanten Kulturgeschichte der Siedelung am See. Wenn wir schon Kalkar den römischen Ursprung seines Namens absprechen mußten, so wollen wir damit jedoch keineswegs die Beziehung des Ortes zum Römervolk leugnen. Nicht nur ist die Kirche auf römsichem Baugelände errichtet, wovon schon äußerlich der eine oder andere mitvermauerte Ziegel zeugt, auch sonst finden sich um Kalkar noch bedeutende römische Baureste im Erdboden. So wurden 1923 in einem Grundstück Esser unweit des Weingartener Weges Mauerzüge in einer Länge von 10 Meter aufgeschlossen. 1911 ist man beim Quarzitgraben auf besonders umfangreiche, außer gewöhnlich starke Fundamente in einer dem Gymnasial-Stiftungsfonds in Köln gehörenden Parzelle "in der Mulde" rechts vom Wege nach Wachendorf gestoßen, die sich aber noch weit über die Straße die Höhe hinanziehen; auch wurde ein mit Quarzitblöcken massiv ausgemauerter römischer Brunnen aufgedeckt. Noch befinden sich wegen ihrer Lage "im See" besonders beachtenswerte antike Bauwerke in dem Grundstück Schmitten am Antweiler Pfädchen. Doch Kalkars Besiedlung reicht noch weiter in der Vergangenheit zurück. Anfang der zwanziger Jahre kamen beim Abbau einer Sandgrube am Iversheimer Wege in unmittelbarer Nähe des Dorfes als Überreste eines alten Urnenfeldes am oberen Rande leider zumeist abgepflügte Aschenurnen mit Leichenbrand zum Vorschein. Es sind nicht sehr kunstvolle, mit eingeritzten Zickzacklinien gezeichnete Gefäße, die mit einer überliegenden Schüssel bedeckt, wenig unter der Oberfläche steckten. An Beigaben fanden sich nur der Überrest eines Bronzeringelchens, eine eiserne Spange und ein kleines Näpfchen. Der Befund stimmt überraschend genau überein mit den bei K. Koenen, Gefäßkunde, Seite 116, beschriebenen germanischen Gräbern in den Rheinlanden zur Zeit Christi. Ohne Zweifel haben wir hier die alten Deutschen, vielleicht unsere ältesten über den Rhein gekommenen Vorfahren. Jetzt häufen sich aber die Fragen. Waren es die frühen Stämme der Eburonen, oder der Ubier, oder der Sugambrer? Waren sie es, die den gegenüberliegenden Ringwall noch behaupteten oder ihn zerstörten ? Doch bleiben wir an Ort und Stelle. Waren sie die ersten Siedler, die den großen, schwarz gesprenkelten Tufsteinschaber, diesen seltenen Fund im Moor, noch benutzt haben, oder waren dies noch frühere, etwa Pfahlbautenbewohner? Ist der Abfluß des Seebeckens vielleicht erst in geschichtlicher Zeit erfolgt? Ein Kranz von römischen Villen und Siedlungen hat dasselbe rings umgeben; ich nenne noch südwestlich von Kalkar die auf dem Hüchelratsberg, westlich die am neuen Gutshof Wachendorf, nördlich eine auf der Antweiler Heide und eine am Nordwesthang des Münsterbergs bei Kreuzweingarten, östlich die auf dem Weiler bei den Arloffer Tonwerken. Waren es allein die Bodenschätze, Ton und Kalk, und das dem Seeboden abgewonnene fruchtbare Gelände, was zur Niederlassung lockte, oder war es auch die Schönheit der Landschaft am See, unweit der großen Köln - Trierer Militärstraße, die über Billig-Wachendorf nahe an Kalkar vorbeiführte? Sei dem wie immer, jedenfalls ist die Kalkarer Mulde zur späteren Römerzeit mehr besiedelt gewesen wie heute. Genannt wird nun Kalkar in der Geschichte, wie bereits oben angedeutet, zuerst im Liber valoris, dem Schatz- und Steuerbuch des Kölner Erzstiftes, dessen Entstehung wohl um 1300 anzusetzen ist. Und zwar unter den Pfarrkirchen des Zülpicher Dekanates, wie uns auch ein Jahrhundert später, um 1430 der Name eines betreffenden Pfarrers irn alten Bruderschaftsbuch des Münstereifeler Pfarrarchivs aufgezeichnet ist: Her Rutger van Oitzenroide, pastoir zo Kalcker. Kirchen- und Pfarrpatron war sicher schon früher der hl. Ludgerus, dessen Namen wir auf dem ältesten Denkmal des Ortes, einer Pestglocke vom Jahre 1420 finden: ,,0 bone Ludgere, populum a paste tuere !" - 0 guter Ludger, die Pest vom Volke kehr !" - Hier ist ein Doppeltes zu beachten. Zunächst die Erwähnung der Pest. Bekanntlich sind in früheren Zeiten mitunter ganze Ortschaften dieser verheerenden Seuche erlegen; ob da nicht auch Kalkar, ähnlich wie die Sage von Münstereifel geht, einmal so verödete, daß es durch Generationen sich nicht mehr erholt hat und die Pfarre einging? 1560 zählte Kalkar nur 5 Häuser und 11 Kommunikanten. Zahlreiche aufgeschüttete Menschengebeine, auf die man gelegentlich im Erdboden unter der Dorflinde am Friedhofe gestoßen ist, könnten wohl von einer solchen Katastrophe herrühren. Sodann überrascht die Verehrung des Apostels der Friesen und Sachsen, der den Bischofssitz zu Münster im Westfalenlande gegründet hat, hier in der Eifel soweit ab von der Stätte seiner Wirksamkeit; zumal dies die einzige Kirche im ganzen Erzstift Köln ist, die den Namen des hl. Ludgerus von altersher trägt, abgesehen allein von der Abteikirche zu Werden, wo der Heilige selber seine Ruhestätte gewählt hatte. Nun erwähnt L. v. Bornstedt in ihrer Lebensbeschreibung desselben, S. 227, ein von ihm verfaßtes Gebet um Abwendung eines plötzlichen und unversehenen Todes, worin es heißt: " Wende ab von uns die Pest, daß nicht ein unvorhergesehener Todesfall uns von dem Genusse Deiner himmlischen Anschauung fernhalte!" Ob er damit eine hinreichende Erklärung dieses so entlegenen Kirchenpatroziniums gegeben ist? Schon vor der Gründung von Werden hat Ludgerus, der die Bekehrung der heidnischen Sachsen sich zur Lebensaufgabe gestellt hatte, sich mit dem Gedanken einer Klostergründung beschäftigt, das eine Pflanzschule für Missionare und gleichzeitig in gesicherter Lage bei neuen Sachsenausftänden ihre Zufluchtsstätte sein könnte. Von Karl, dem großen Frankenkönig, der dem von ihm hochverehrten Manne schon früher das Erzbistum Trier angeboten hatte, wurde jene Absicht in jeder Weise begünstigt. Aber Ludgerus schwankte lange in der Wahl des geeigneten Ortes; unter anderem steht fest, daß er auch eine Stätte "am Kreuz an der Erft" ins Auge gefaßt hatte. Wenn diese auch wohl sicher am Unterlauf der Erft zu suchen ist, so läßt sich doch der Gedanke nicht ganz von der Hand weisen, daß er auch an den Oberlauf gedacht haben mag, wo das Königshaus der Karolinger reiche Erbgüter besaß und wenig später das Tochterkloster von Prüm gegründet wurde. Dann würde die Kapelle zu Kalkar, ebenfalls in der Nähe einer Stätte alter Verehrung des hl. Kreuzes an der Erft, in ihrem Namen wie so manche andere Ludgerikirchen das persönliche Andenken an den Heiligen wachhalten. |
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Kalkarer Moor. Mitten im Cladium-Bestand. Im Hintergrund Broicherhof |
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Gesichert ist die Nachricht, daß die Kapelle in alter Zeit Herzoglich-Jülichsches Patronat gewesen ist. Die Urkunde darüber vom Jahre 1489 - mit den Druckfehlern! - kann bei Katzvey, Münstereifel, S. 110, nachgelesen werden. In derselben erklärt Herzog Wilhelm, daß er aus sonderlicher Gunst, Zuneigung und Gnade, die er allezeit gehabt und noch habe zu dem ehrbaren, lieben und andächtigen Dechant und Kapitel seiner würdigen Stiftskirche in seiner Stadt Münstereifel derselben die Kirche - St. Ludger Capelle genannt - Kalker, die von ihm als Landesfürsten und weltlichen Patron zu verleihen gebürt, mit allen Renten, Nutzungen, Einkünften und Gefällen klein und groß, wie sie ein Rektor derselben Kapelle jährlich gehabt hat, der vorgenannten Stiftskirche zu Münstereifel einverleibe und mit derselben vereinige... Dechant und Kapitel sollen aber einen ehrbaren Priester, den sie setzen und entsetzen mögen nach ihrem Gutdüngen, bestellen, daß der Gottesdienst in der Kapelle und auch die Kapelle ehrlich und wohl gehalten werde ohne Versäumnis nach aller Notdurft; ferner sollen sie zu ewigen Tagen alle Jahre zu drei Zeiten sein, des Herzogs, seiner Vorfahren, seiner lieben Hausfrau und Gemahlin, seiner Kinder und Nachkömmlingen Gedächtnis in der Stiftskirche mit Messen, Vigilen, Gebeten und Geleuchte ehrlich halten. Kirchlicherseits blieben von da an die Geschicke Kalkars bis zur französischen Revolution mit dem Stift Münstereifel verflochten. In weltlicher Hinsicht hatte die Gemeinde bereits früher unter dem Jülichschen Amte Münstereifel ein besonderes Gericht mit eigenem Schultheiß gebildet 5), das im Jahre 1767 außer Kalkar mit einem Areal von 118 ha und 65 Einwohnern noch Weiler mit 293 ha und 73 Einwohnern und Eschweiler mit 440 ha und 113 Einwohnern umfaßte. Kalkar selber war also die kleinste Gemeinde in der Honschaft, wie es bis heute noch mit 95 Einwohnern die kleinste Gemeinde des Kreises Euskirchen geblieben ist, klein aber stolz auf seine Selbständigkeit, die es nie aufgegeben hat. Wesentlich anders ist die kirchliche Entwicklung verlaufen. In den Jülichschen Erkundigungen 6) heißt es im Jahre 1536: "Kalcker ist eine capelle durch den lantfursten in dat collegium incorporeirt ind ouch mortificiert" (= seiner Selbständigkeit benommen). Weiterhin 1650 : "Die sacramenta holen sie zu Arloff"; ein vom Stift bestellter Kaplan hieß Symon von Collen - "hat zu Collen nur zwei jar studiert, ist ein organist, aber nit vil in der lateinischer sprachen geubt". Gleichwohl loben ihn die Kirchmeister "seiner lehr, lebens und wandels". "Offermann geit under den nabern umb van pletzen zo Kalcker gelegen." 1732 wird das Dorf Kalkar als zur Pfarre Kirspenich gehörend angeführt. Diese doppelte Zuständigkeit führte gelegentlich zu Differenzen zwischen Stift und dem Pfarrer von Kirspenich, so 1771 wegen der Feier des Ludgerusfestes, das seit alter Zeit vom Pastor am 26. März gehalten und verkündigt wurde. Aus den Generalvikariatsakten, die sich ausführlich mit dem Streitfall befassen -der Pfarrer von Kirspenich scheint obgesiegt zu haben - geht hervor, daß der Stiftsgeistliche nur an Sonn- und Feiertagen die Frühmesse zu Kalkar hielt, 8) wofür er vom Stift besoldet wurde, während dieses durch die landesherrliche Verordnung die Einkünfte der Kapelle und den Zehnten von allen zehntpflichtigen Ländereien in der Gemeinde bezog. Die Obliegenheit des Pfarrers war die Spendung der Sakramente, Taufe, Trauung, Osterkommunion, Krankenversehen (und wohl auch Beerdigung), wofür er (außer den üblichen Gebühren) von der Kapelle selber nichts erhielt. Für den Genuß des Zehnten trug das Stift neben der Verpflichtung der Unterhaltung des ewigen Lichts ins besondere auch die Baulast. 9) 1762 zeigen nun die Vorsteher der Gemeinde Kalkar, Goddert Schmitz, Mattheis Zimmermann und Henrich Hurth im Amtsverhör zu Münstereifel an: "wie daß sie den Kirchenthurn, welcher völlig destruiert, instand wieder erbawet hätten, gleich wie nun das Schiff auch vollig außer stand, als batten zur Herstellung dessen hiesiges Capitulum als Großzehntinhaber anzuhalten". Daraufhin wird vom Amtsvorsteher dem Kapitel auferlegt, falls es nicht erhebliches einzuwenden hatte, das verfallene Schiff der Kirche in wesentlichen Stand zu setzen und zwar innerhalb drei Monaten. Die Gegenseite aber zeigte sich schwerhörig und antwortete nicht. Nach neun Monaten ergeht eine neue Aufforderung an das Stift, worauf dieses eine Verpflichtung abweist und die Antragsteller an das Geheimkabinett in Düsseldorf verweist, scheint aber nicht durchgedrungen zu sein. 10) 1770 ist die Kapelle, der jetzige Bau, von Grund auf neu errichtet worden. 11) - Bei der Neueinrichtung der kirchlichen Verhältnisse unter französischer Verwaltung zu Anfang des vorigen Jahrhunderts wurde Kalkar sowohl von Münstereifel wie auch von Kirspenich losgelöst gemäß der als Grenze der beiden neuen Dekanate Münstereifel und Euskirchen genommenen Erftlinie und 1804 zuerst Antweiler, dann bei Aufhebung dieser Pfarre 1807 mit derselben Lessenich und endlich 1818 bis heute der Pfarrei Kreuz-Weingarten zugeteilt. |
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Germanische Graburnen von Kalkar |
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Die 1770 neuerbaute Kapelle ist ein einschiffiger, solider Bruchsteinbau ohne besonderen architektonischen Schmuck. Die Einrichtung ist dörflich schlicht. Der Barockaltar mit Reliquienschreiben der Trierischen Märtyrer und der hl. Ursula und Gefährtinnen zeigt als Vorsatzbild den hl. Ludgerus mit den aus seiner Legende bekannten Wildgänsen. In dem durch gute Verhältnisse ausgezeichneten Turme hängt neben der alten Ludgerusglocke die neue Marienglocke. Sie trägt die Inschrift: MatrI plae V lrg InI a VgV stae Delparae CalCarlenses CLIentes non IngratI - in deutscher Sprache: Der lieben Mutter, der erhabenen Jungfrau und Gottesgebärerin, ihre dankbaren Schützlinge zu Kalkar. Das Chronogramm zeigt die Jahreszahl 1925. Der kostbarste Schatz der Kapelle ist die beglaubigte Reliquie ihres hl. Patrons, welche derselben von dem ehemaligen Subregens des Kölner Priesterseminars, Domkapitular Dr. Ludger Pingsmann, testamentarisch vermacht wurde. Am 26. November 1904 fand in würdiger Feier die Übertragung von Kreuz-Weingarten aus statt. Man kann jedoch nicht sagen, daß die damals ausgesprochene Hoffnung einer Neubelebung der Verehrung des h. Ludgerus sich entsprechend erfüllt hätte. Die älteren Leute wissen sich noch wohl zu erinnern, wie einst der 26. März, der Tag des hl. Ludgerus, in Kalkar unter großer Beteiligung von Andächtigen aus der umgebung, insbesondere um Schutz gegen böse Geschwüre zu erlagen, gehalten wurde. Die dann erfolgte Verlegung der Feier und die kirmesmäßige Aufmachung des Festes hat der Andacht entschieden Abbruch getan. Die Verehrung des hl. Ludgerus wäre aber wenn je im deutschen Volke, so besonders heute zeitgemäß. Selber deutschen Blutes, in dem entscheidungsvollen Jahrhundert, wo das absterbende germanische Heidentum mit dem siegreich vordringenden Christentum im letzten Kampfe lag, edlem friesischen Geschlechte entsprossen, hat er in seinem Volke, in seiner eigenen Familie die Nacht des Heidentums in Aberglauben, Götzendienst und Menschenopfer zur Genüge kennen gelernt, um seine ganze Kraft, sein ganzes Leben in den Dienst der christlichen Religion zu setzen, und ist der Apostel nicht nur der Friesen sondern auch der Sachsen geworden, der das Werk des hl. Bonifatius in der Bekehrung der Deutschen zum Christentum vollendet, und dadurch die nationale Einheit und nie wieder erreichte Größe Deutschlands im katholischen mittelalter mitbegründet hat. Sein von Dr. Pingmann auf Grund genauer Quellenstudien gezeichnetes Lebensbild kann nicht genug zur Lektüre empfohlen werden. Vor allem aber wollen wir, die wir berufen sind, heutzutage das Erbe des hl. Ludgerus zu bewahren und zu verteidigen, uns die Gnade dazu erflehen inder Verehrung seines Heiligtums in dem einzigen bei uns ihm von alters her geweihten Tempel zu Kalkar an seinem Festtage, dem 26. März. Möge denn St. Ludgerus sich als mächtiger Schutzpatron nicht nur gegen leibliche Seuchen und Krankheiten, sondern auch in den schlimmen geistigen Nöten und Wirrnissen der Gegenwart seinem Volke zeigen! |
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Quellenangaben (incl. 1. Teil) |
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*) Anm. Woenge.de - Wie schon bei Reinartz - Ringwall läßt der Zeitbiografische Verlag aus scheinbar editorialen Gründen die letzen zwei Kapitel weg. (Die Literaturvermerke wurden nachträglich von woenge.de eingefügt). Reinartz spricht von zeitgemäßer Verehrung des hl. Ludgerus in der heutigen Zeit; also der Nazizeit. Auch hier sei noch einmal auf die Gabe der Feder von Reinartz hingewiesen, in vielen seinen Schriften zum Zeitgeist Stellung zu beziehen und Historisches und Gegenwartsgeschichte zu kombinieren. Die letzten beiden Kapitel und die Quellenhinweise stammen aus der Veröffentlichung des Eifelvereins. Es ist natürlich möglich, daß Reinartz für den Eifelverein eine eigene Version schrieb, die sich auch im Anfangskapitel unterscheidet. |
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Aus einer Veröffentlichung des Eifelvereins - Druck Euskirchener Volksblatt A.-G. 1934 |
Textsammlung: Hans Regh |
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Texte
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