Peter H. Irrgang

Pfarrkirche Heilig Kreuz zu Kreuzweingarten

Kirchenführer und Meditation











Der genius Loci (Geschichte 1. Teil)











Normalerweise schreibt man den ersten Aufsatz einer Sammlung nicht am Ende. Aber was ist schon normal? Jedenfalls kam ich auf die Idee dieses Artikels ohne sachliche Vorbereitung, nur einige wenige Fakten historischer Art waren nur bekannt. Jetzt habe ich neben diesem hier nur noch einen Artikel im Kopf. Oder soll ich sagen im Herzen? Ich werde ihn erst schreiben, wenn ich alle anderen Artikel korrigiert und auch "innerlich" beendet habe. Er bildet die Abschlußbetrachtung dieser Aufsatzsammlung.











Dieser "vorletzte" Artikel wäre auch gar nicht zustande gekommen, wenn mir Herr Regh nicht bezüglich der Vorgeschichte der Pfarrkirche Material gebracht hätte. So mußte ich den schon geschriebenen nachfolgenden Aufsatz "Geschichte Teil 2" benennen, so daß dieser hier zum ersten "geschichtlichen" Aufsatz wurde. Ohne diesen äußeren Antrieb von Herrn Regh wäre der Aufsatz ungeschrieben geblieben. Warum sollte ich schreiben, was mich so sehr an diesem "heiligen Berg" fasziniert? Außerdem sind die meisten Gedanken dieses Artikels nicht im Gebet in der Kirche geboren worden.











Was ist es, liebes Fleckchen Erde zwischen Erft und Mers, was dich so liebenswert macht?

Der Hügel schiebt sich wie eine flacher werdende Nase in das Tal und hat am Ende eine Kultstätte, die älter ist als der Name Weingarten, auch älter als Vingarden, Wyngarden, Wingardin oder wie auch immer die Urformen von Kreuzweingarten heißen mögen. Römer hatten hier bereits eine Kultstätte errichtet. Auch sind im Turm römische Steine eingebaut. Vermutlich waren aber auch die Römer nicht die ersten, die auf diesem kleinen Hügel Gott suchten und statt dessen Götter anbeteten. Da waren noch die Kelten. In ihrer Vorstellung beteten sie den Gott des Ortes an, dessen Namen sie nicht einmal kannten. Die Römer machten sich nämlich Sorgen, daß sie vielleicht einen Geist übersehen könnten, der an einem bestimmten Ort sein Reich hat. Deswegen verehrten sie den unbekannten "Geist des Ortes". Seitdem spricht man vom genius loci.

Folglich sind diesen Berg bereits Menschen hinaufgegangen und haben fromme Gedanken gehegt, als noch keine Christen dieses liebenswerte Fleckchen Erde betreten hatten. Glaubt man den pathetisch anmutenden Zeilen der erfundenen Geschichte "Arnulfa und Romeo", dann waren die ersten Christen bereits im 4./5. Jahrhundert hier. Leider ist diese seltsame Entstehungssage Kreuzweingartens kaum bekannt. Vielleicht ist sie nicht "historisch" genug. Trotzdem ist diese Sage schön und überraschend. Wer würde denn eine legendäre christliche Liebesgeschichte am Anfang dieses Dorfes vermuten? Wenn sie nicht schon geschrieben wäre, man müßte sie erfinden.

Die Gründung des Dorfes mit einer Liebesgeschichte in Verbindung zu bringen, ausgehend von der römischen Villa hier in Weingarten und dem Kastell in Flamersheim, könnte so etwas wie ein literarisches Mittel sein, mit dessen Hilfe der Verfasser und seine möglichen Vorgänger in der Dichtung ausdrücken wollten, warum dieses kleine, verträumte Fleckchen Erde so liebenswert ist.

Es mag einen Historiker belustigen, wenn er liest, daß man mit so viel Liebe etwas zusammenreimt, was sich historisch gar nicht erhärten läßt. Es läßt sich aber auch nicht widerlegen, so würde ich als Hirte dieser Gemeinde sagen, auch wenn ich damit vielleicht nicht die Zustimmung des Historikers ernte.

Es gibt noch eine Geschichte. Sie ist nicht hier entstanden und deshalb unverdächtiger. Und sie ist historischer. Danach soll der hl. Willibrord eine Kirche in Kreuzweingarten gebaut haben. Wir hätten dann hier bei uns - zusammen mit Münstereifel, Kreuzau und Wollersheim - bereits um das Jahr 700 eine von Willibrord angeregte oder selbst erbaute Kirche. Auch diese Aussage rührt mich. Seitdem ich das weiß, bin ich mehrmals mit unseren Jugendlichen am Pfingstdienstag nach Echternach gefahren. Schließlich hat der hl. Willibrord eine besondere Verehrung des hl. Kreuzes gepflegt. Das Fest wurde 690 in Rom eingeführt. Fünf Jahre später war Willibrord beim Papst in Rom. Ob bereits damals die hier beurkundete "bedeutsame Reliquie" nach Kreuzweingarten kam?

Es wird geschichtlich, wenn wir die Klostergründung in Münstereifel als Ausgangspunkt annehmen. Die Prümer Abtei gründete das Monasterium Efliae (Münstereifel) 860 und gab ihr acht Mutterkirchen in der Umgebung samt deren "Zehnten" zu eigen. Sie wurden in einer anderen Urkunde im Jahre 1266 aufgezählt. Und siehe da, Kreuzweingarten ist dabei. Wir wissen nur nicht, wann diese acht Kirchen gebaut wurden. Nach diesem historischen Exkurs wieder zurück zu den Legenden.

Eine merkwürdige Geschichte geht mir nicht aus dem Sinn. Es gibt eine uralte Sage, die uns bis auf den heutigen Tag erhalten geblieben ist. Sie erzählt von der Burg Neuweiler in der Nähe von Schloßdahl an der Ahr. Die Sage ist so schön, daß ich sie im Anhang nach einer Erzählung von Spülheck wiedergeben möchte. Tempelritter waren bei uns Dauergäste. Wer hätte das gedacht! Pfarrer Becker aus Stadtkyll erzählt im Jahre 1893 eine andere Version derselben Sage. Danach gab es bereits eine Kirche in Kreuzweingarten, als die Kirche in Münstereifel noch nicht gegründet war. Pfarrer Becker schreibt:

"Bezüglich des bei 'Haus Vellen' genannten Neuweiler geht in der Ahrgegend die Sage, hier hätte zur Zeit, als noch alles heidnisch war. ein christliches Rittergeschlecht, nach andern <Aussagen> Tempelritter, gewohnt, die in Weingarten <nördlich von Münstereifel !> die Kirche besuchen mußten, da keine nähergelegene bestand; um ihre heidnischen Feinde irrezuführen, schlugen sie ihren Pferden die Hufeisen umgekehrt an und konnten so ungehindert ihrer Pflicht genügen." Das gibt nur einen Sinn, wenn hier eine Kirche bestand, in Münstereifel aber nicht. Die andere Version freilich spricht eindeutig voll Tempelrittern. Dort heißt es nicht, daß eine nähere Kirche nicht bestand, sondern daß sie nach Kreuzweingarten gingen, um Reliquien zu verehren.

Das alles mutet schon recht seltsam an. Lieber Kirchberg! Könnte es etwa sein, daß Tempelritter, über den Münsterberg kommend, in einer kleinen Kirche am Ende des Bergrückens unsere im dreißigjährigen Krieg leider verlorengegangene große Kreuzreliquie verehrten? Auch wenn fast alles dagegensprechen sollte, ist die Sage doch rührend. Schließlich ist der Tempelorden erst Anfang des 12. Jahrhunderts gegründet und 1312 von der Kirche verboten worden. Er spielt eine ganz bedeutsame Rolle in der "unendlichen Geschichte" des Grabtuches unseres Herrn Jesus Christus. Freilich dürfte die Sage zwei Elemente miteinander vermischen. Die Templer gab es noch nicht, als hier noch alles heidnisch gewesen sein soll. Vielleicht waren sie trotzdem hier, weil es eine bedeutsame Reliquie des heiligen Kreuzes bei uns gab. Das müßte darin innerhalb von zweihundert Jahren gewesen sein, etwa zwischen 1110 und 1310. Das ist sehr vage.

So bleibt nur die Feststellung: Ein christliches Rittergeschlecht und Willibrord hatten möglicherweise mit einer Kirche in Kreuzweingarten zu tun. Damals war hier tatsächlich tiefes Heidenland. Willibrord hatte es wahrlich nicht leicht mit den "sturen" Eifelern. Schließlich - und das ist historisch - wird Kreuzweingarten im Jahre 893 im Prümer Urbar erwähnt, obwohl die Kirche bereits 860 bei der Gründung des Klosters Münstereifel zu diesem Kloster geschlagen worden sein muß. Wie alt sie damals war, wissen wir nicht. Vielleicht war sie schon vom hl. Willibrord gegründet worden. Es wäre doch schön, oder?

In schlaflosen und noch dazu stürmischen Nächten hört man in der aufgewühlten Phantasie die Tempelritter auf dem Kirchberg. Sie kommen leise und beten die kostbare Reliquie wie Jesus Christus selbst an. Außer den Templern sind es die Benediktiner. Mit ihnen kommen Tausende von Pilgern im Laufe der Jahrhunderte, um dem Kreuz Christi nahe zu sein.

Kaum erwacht, läuten um 6.00 Uhr die Angelusglocken. Nicht lange danach öffnet sich die Kirche für den ersten Beter. Die morgendliche Betrachtung vollzieht sich ohne große Mühe. Hier läßt sich gut beten. Dieser Berg hat wahrlich einen genius loci. Es ist das Gebet, das diesen Ort so prägt. Wer in dieser Kirche nicht beten kann, der wird es schwer haben, überhaupt irgendwo zu beten. Wen wundert es, daß die nachfolgenden Betrachtungen alle in der Kirche entstanden?











... Thron der Gnade - gehen wir hin











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