Everhard Boßhammer / Ein rheinischer Landdechant (1594/1672)
von Pfarrer Corsten, Köln-Raderberg


Zum 400. Geburtstag von Everhard Boßhammer

Herausg. Kath. Kirchengemeinde Heilig Kreuz zu Kreuzweingarten





















2. Kirchengebäude und Kirchenvermögen


Die amtlichen Berichte, die Boßhammer auf Grund seiner Visitationen an die kirchliche Behörde eingesandt (22), geben uns ein anschauliches Bild von den trostlosen Zuständen, die zu Ende des Dreißigjährigen Krieges im Zülpicher Dekanat bestanden. „Homines exules et agri inculti, templa ruinosa et campanae distractae. Die Einwohner sind geflüchtet, die Felder unbebaut, die Kirchen zerstört, die Glocken geraubt. Von Elsig und von Odendorf haben die sämtlichen überlebenden Bewohner mit ihren Geistlichen sich in sicherem Versteck verborgen. In Erp, Zülpich, Bergstein, Nideggen und andern Orten sind die Kirchen und Kirchtürme von den Hessen niedergebrannt. Die meisten Kirchen sind im Mauerwerk und Dachwerk so schwer beschädigt, daß der Geistliche am Altar nicht einmal vor dem Regen geschützt ist. Durch das beständige Einregnen sind Gebälk und Gewölbe verfault, die Mauern morsch geworden. So ist kürzlich in Bürvenich eine Kirchenmauer mit dem anstoßenden Turm eingestürzt. Ebenso drohen Einsturz der Glockentürme in Billig und Rudesheim.

An andern Orten, wie Ollheim, Vlatten etc. sind die Kirchendächer so schadhaft, daß, um das Hauptschiff zu erhalten, die Seitenschiffe völlig niedergerissen werden müssen. Zudem sind viele Pfarrhäuser und Schulhäuser schwer beschädigt und darum unbewohnbar, zum Teil niedergebrannt, die Kirchhofsmauern fast an allen Orten eingestürzt. All diese Bauschäden werden von Tag zu Tag schlimmer, weil man allenthalben darüber streitet, wer die Kosten der Unterhaltung und Reparatur zu tragen hat. So sind manche Pfarrhäuser, die im Kriege eingeäschert worden, im Jahre 1660 noch nicht wieder aufgebaut. In manchen Gemeinden ist seit 20 und mehr Jahren keine Kirchenrechnung abgelegt worden, hauptsächlich wegen der großen Unkosten, die mißbräuchlich damit verbunden sind, nämlich kostspielige Gastmähler und hohe Gebühren, die die weltlichen Beamten dafür fordern.

Im Jülicher Herrschaftsbereich werden die Geistlichen auf Grund einer Polizeiordnung zu dieser Abrechnung gar nicht zugelassen. Diese Unkosten sind so groß, daß dabei mehr verzehrt als verrechnet wird. Zudem war ja auch in den Kriegsjahren, als die Ortsbewohner geflüchtet waren, eine Abrechnung nicht möglich. So kommt es, daß die jährlichen Einkünfte in Vergessenheit geraten und dem Priester an manchen Orten das Notwendigste zur Feier des hl. Opfers fehlt. In manchen Gemeinden, wo noch etwas Kirchenvermögen vorhanden war, haben die Leute eigenmächtig dieses zur Abzahlung der Kirchenkontributionen verbraucht, haben zu diesem Zweck die Kirchenländereien, die Kirchenrenten, sogar die Kirchengeräte und Kirchenglocken verpfändet, wie in Euskirchen, Wißkirchen, Kirchheim, Odendorf, Pissenheim, Scheuren und anderen Orten.

Als das ganze hessische Lager zwischen Bonn und Collen am Rhein kampiert gewessen, wurden von diesen, wie auf das ganze Land, so auch auf die Stadt Euskirchen schwere unaufbringliche Kontributionen ausgeschrieben und eiligst unter Androhung gewaltsamer Militärexecution eingefordert. Da hat der Magistrat der Stadt Euskirchen sich in Köln um Geld bemühen müssen; und weil er auf andere Weise keine Gelder bekommen konnte, hat er die kostbaren Kirchengeräte bei zuverlässigen Kirchenmeistern in Köln gegen 300 Reichstaler versetzen müssen.“

Boßhammer äußert 1654 dem Generalvikar seine ernste Besorgnis, daß die Kirche in Euskirchen ihre kostbaren Geräte wohl niemals zurückbekommen werde (23). „In Kirchheim, wie auch in Odendorf, haben die dortigen Bauern ihre größte Kirchenglocke verkauft und den Erlös unter sich verteilt. Die Kirchheimer Glocke im Gewicht von 1600 Pfund hat der dortige protestantische Burgherr, Freiherr von Quadt, für 200 Reichsthaler von den Bauern gekauft und nach Köln an Laurentius Korn auf der hohen Pforten verkauft. Diese Glocke tut jetzt in einer nahen bei Neuß gelegenen Kirche ihren Dienst (24).“ „Viele Kirchen sind in ihrem Besitz dadurch gefährdet, daß so viele Stiftungsurkunden in der langen Kriegszeit verloren gegangen sind. Das Dekanatsarchiv, das auf der Zülpicher Burg in Sicherheit gebracht war, ist bei der Erstürmung durch die Hessen zugleich mit der Burg gänzlich verbrannt. Infolge dessen herrscht hinsichtlich aller kirchlichen Vermögensfragen überall solche Rechtsverwirrung (25).“

Die Neuordnung der Pfarrarchive wie auch die Errichtung eines neuen Dekanatsarchivs war darum eine der ersten Sorgen des Zülpicher Dechanten. Immer wieder drängt er bei den Pfarrern darauf, daß sie nova registra omnium reddituum, und zwar in probanti forma aufstellen und dem Dechanten ein Verzeichnis aller kirchlichen Einkünfte einsenden, das im Dekanatsarchiv deponiert werden soll. Leider haben seine Bemühungen in dieser Richtung bei seinen Pfarrern wenig Verständnis gefunden. Zwar wurde ganz in seinem Sinne 1662 durch die Kölner Synode allen Benefiziaten unter Strafe von 4 Goldgulden geboten, sie sollten innerhalb eines Jahres ein Verzeichnis aller Einkünfte und Verpflichtungen ihres Benefiziums in zwei amtlich beglaubigten Exemplaren aufstellen, davon eines im Pfarrarchiv, das andere im Dekanatsarchiv, in einem besondern, dreifach verschlossenen festen Schrein deponieren (26). Auf dem nächsten Landkapitel wurde diese Verordnung bekanntgegeben und zugleich beschlossen: „Aus den Absenz- und Strafgeldern wird ein neuer Archivschrein hergestellt und mit drei Schlüsseln gesichert; davon nimmt einen der Dechant, die andern die beiden Kämmerer in Verwahr (27).“

Boßhammer hat nun Jahr für Jahr seinen Capitularen jene Verordnung eingeschärft, eine vom Notarius plublicus Johl Haus beglaubigte Kopie des bezüglichen Capitelsbeschlosses einem jeden durch den Capitelsboten zugestellt. In bitterster Stimmung klagt er am 16. Juni 1669 (28) dem Generalvikar: „Von allen 86 Geistlichen meines Capitels sind heute nur vier dieser Verordnung nachgekommen. Alle andern haben kein Verzeichnis eingeschickt, weil sie argwöhnisch glauben, was der Kämmerer Joh. Dietmar, Pfarrer in Müddersheim, ihnen vorgeredet: Diese Verzeichnisse würden als Grundlage für eine neue Steuer gebraucht. Nun möge der Generalvikar bestimmen, wieviel Strafgeld für solche Widersätzlichkeit von jedem Säumigen zu zahlen sei. Denn Disziplin muß sein; und je länger ich Dechant bin, um so mehr erfahre ich die Berechtigung der Inschrift, die unsere Vorfahren in der Vorhalle der Basilika St. Gereon zu Köln in Erz gegraben haben:

Dum disciplina cessat regnatque simultas,
Perit ecclesie potestas simulque facultas. (28a)

Wo in der Kirche die Zucht schwindet und die Zwietracht waltet,
Da schwinden auch ihre Macht und ihr Reichtum

Ich scheue es nämlich, weiterhin Verordnungen der Behörden und Synoden zu publizieren, wenn sie nicht durchgeführt werden, dann würden unsere Synoden bald zur Fabel und zum Gespött werden.“ In seinem Antwortschreiben vom 21. Juni verweist der Generalvikar den Dechanten auf den klaren Wortlaut der von der Synode festgesetzten Strafsentenz. „Wer also widerspenstig ist, gegen den soll strafend vorgegangen werden, nötigenfalls unter Anwendung der weltlichen Gewalt. Und wenn der weltliche Landesherr hierzu seinen Arm nicht leihen will, soll die Sache vor unsern Erzbischof gebracht werden; der wird mit seinem weltlichen Schwert das geistliche Schwert, d. h. seine Synodaldekrete, schützen und verteidigen. Die Einrede des Pfarrers von Müddersheim ist keine Einrede und nicht zu beachten. Es soll außergerichtlich vorgegangen werden (procedendum de plano). Die praktische Durchführung soll dem Dechanten überlassen bleiben, der ja bei seiner genauen Kenntnis aller Umstände und Verhältnisse viel besser und schneller vorgehen kann als der Generalvikar aus der Ferne (29).“


3. Die Capitelsversammlungen


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