Everhard Boßhammer / Ein rheinischer Landdechant (1594/1672)
von Pfarrer Corsten, Köln-Raderberg


Zum 400. Geburtstag von Everhard Boßhammer

Herausg. Kath. Kirchengemeinde Heilig Kreuz zu Kreuzweingarten





















4. Der Klerus, sein sittlicher Wandel und seine wirtschaftliche Lage


Hier spricht offensichtlich ein Mann, der nicht nur selbst von einer hohen Auffassung des priesterlichen Berufes getragen ist, der auch seine Zuhörer zu seinem Ideal emporheben will. Boßhammer hat jedenfalls in dieser Art noch oft über castitas und caritas zu seinen geistlichen Mitbrüdern gesprochen. Er hatte wohl auch Grund, ihnen die castitas, die standesmäßige Keuschheit, so nachdrücklich zu empfehlen; denn manche von ihnen lebten in Konkubinat. Nur langsam hat er durch stetes Mahnen und Drängen hier Wandel schaffen können. Nach seinem Bericht vom Jahre 1660 (46) hatte er in diesem Jahre, also 8 Jahre nach Antritt seines Amtes, so viel erreicht, daß „diejenigen, welche ihre Konkubinen nicht entlassen wollten, des immerwährenden Drängens müde, ihre Benefizien preisgaben und wegzogen. Manche haben ihre Konkubinen wohl aus ihrem Hause entfernt, dulden sie aber in der Nähe; außerdem behalten sie ihre Kinder bei sich im Pfarrhause entgegen der kirchlichen Vorschrift.

Um den Landklerus jener Zeit gerecht zu beurteilen, muß man die allgemeine sittliche Verwilderung, wie sie der Dreißigjährige Krieg allenthalben im Gefolge hatte, in Betracht ziehen, muß man auch seine zumeist unzureichende Vorbildung berücksichtigen. Abgesehen von den 30 Ordensgeistlichen, welche nach einer Aufstellung Boßhammers (47) im Zülpicher Dekanat Seelsorge ausübten, hatten die übrigen Landgeistlichen, wie allgemein üblich, ihre wissenschaftliche und praktische Ausbildung bei einem verwandten oder befreundeten Landpfarrer erhalten. Solche, die wie Boßhammer auf einer Universität studiert hatten, bildeten jedenfalls unter dem damaligen Landklerus seltene Ausnahmen.

Wohl dem, der als geistlicher Spirant einen so wehrwürdigen, so tüchtigen Meister gefunden wie Boßhammers Neffe, Antonius Viltz. Ihn hatte der geistliche Onkel schon als Knaben zu sich genommen und für den geistlichen Sand sorgsam erzogen. In seiner letzten Krankheit vermachte er ihm seinen besten Chorrock „wann er primitius wird“, und seine wertvollsten Bücher, nämlich die Controverspredigten von Georg Scherer und das große Pastoralwerk Hortus pastorum, concionatorum, catechistarum et confessariorum von Jakob Marchant. Es liegt auf der Hand, daß solch eine, nur aus dem Pfarrhause stammende Ausbildung ihre großen Mängel hatte. Und doch können wir diesen einfachen Landgeistlichen unsere Hochachtung nicht versagen, wenn wir die ungeheuren Schwierigkeiten berücksichtigen, unter denen sie ihres Amtes walteten.

Man denke nur an ihre traurige wirtschaftliche Lage, wie Boßhammer sie schildert (48). „Allgemein wird geklagt über die habsüchtigen geistlichen und weltlichen Collatoren, die den Landgeistlichen das ihnen stiftungsgemäß zustehende Einkommen schmälern, indem sie bei der Übertragung der Benefizien gewisse Einkünfte sich vorbehalten. Nach dem Zülpicher Registrum Capitulare hatten vor dem Kriege alle Pfarrer des Dekanates einen sacellanus oder altarista als Gehilfen in der Seelsorge. Infolge der von Judas her bekannten Habgier sind diese Stiftungen gänzlich eingegangen. Die gestifteten Dienste, vielfach auch der notwendige Gottesdienst, werden nicht mehr gehalten.“ Bei seiner Klage über die geistlichen Collatoren hat Boßhammer vor allem die religiösen Orden im Auge, welche unter dem erdichteten oder mißbräuchlichen Titel des Personats schon so viele Pfarrstellen inkorporiert oder vielmehr von Grund aus zerstört haben, zum größten Schaden für die unsterblichen Seelen. Infolge der unseligen Inkorporationen haben die Pfarrer der volkreichsten Pfarreien das erbärmlichste Einkommen. Durch die ironische Bemerkung: dies alles geschieht sub titulo: ad majorem die gloriam gibt Boßhammer deutlich zu verstehen, welchen Orden er hier besonders im Auge hat.

Seitdem die beiden Pfarreien St. Martinus in Euskirchen und St. Lambertus in Cuchenheim (seine eigene Pfarrei) im gleichen Jahre 1632 dem Jesuiten-Kollegium zu Münstereifel durch den Herzog von Jülich inkorporiert waren, hatte Boßhammer ja auch die üblen Folgen solcher Vereinigung täglich vor Augen. „Euskirchen hat seit jenem Jahr in 20 Jahren 15 Pfarrer gehabt. Hier, wie auch an vielen anderen Orten, müssen wohl die Pfarrer unsterblich sein, weil man nirgendwo ihr Grab findet. In Cuchenheim soll die schon verfügte Inkorporation erst nach dem Tode des jetzigen Inhabers in Kraft treten. Aber die sichere Voraussicht des demnächstigen Besitzwechsels hat die Gemüter der Pfarreingesessenen ihrer eigenen Pfarrkirche so sehr entfremdet, daß die meisten weniger daran denken, dieselbe baulich zu unterhalten, als vielmehr sie zu berauben und zu zerstören. Schon die bloße Furcht vor einer möglichen Inkorporation hat in einigen Gemeinden, wo erst kürzlich Pfarrkirchen errichtet und eingeweiht worden sind, bewirkt, daß die den Kirchen versprochene Dotation ihnen teilweise wieder entzogen oder übel belastet wurde, wie in Montjoie und Embken. Da so viele Benefizien eingegangen und die Stolgebühren in der langen Kriegszeit außer Gebrauch gekommen sind, wissen viele Geistliche nicht den notwendigen Lebensunterhalt zu finden, müssen darum betteln oder jene landwirtschaftliche Arbeiten verrichten, die die Kölner Diözesansynode 1662 als durchaus ungehörig sub poena suspensionis verbietet (49). Auch haben manche Pfarrer, um leben zu können, die Bedienung von mehreren Kirchen übernommen, indem sie an Sonn- und Feiertagen zuerst in der einen Kirche zelebrieren, dann in der andern predigen.“


5. Die religiösen Orden


Zum 400. Geburtstag - Everhard Boßhammer von Pfarrer Corsten
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