Kreuzweingarten, 4. Dezember 1988

Festschrift zur Glockenweihe

Herausg. Kath. Kirchengemeinde Heilig Kreuz zu Kreuzweingarten











Pontifikalamt zur Glockenweihe am 4. Dezember 1988 (2. Adventssonntag)
von Dr. Josef Plöger











Begrüßung

Glocken, wie wir sie heute weihen, haben etwa Besonderes an sich, Glocken leben. Ich habe einmal einen Dechanten von achtzig Jahren abgelöst. Er galt als ein herber, asketisch strenger Mann. Er sagte mir - er hatte fünf schwere Glocken angeschafft -:“ Weißt Du, als die Glocken kamen, da habe ich geweint.“ So können wir auch jetzt nur mit großer Ehrfurcht vor Gott, mit tiefer Ergriffenheit dieses heilige Meßopfer feiern. Nach der Predigt werden die Glocken dann geweiht. Wir wollen bei diesem heiligen Meßopfer an alle Lebenden und Verstorbenen dieser Pfarrgemeinde denken, ganz besonders aber auch an die, die mitgeholfen haben, daß die eine Glocke wiederhergestellt und die andere Glocke neu gegossen werden konnte. Allen wollen wir unsere Dankbarkeit dadurch zeigen. Ganz besonders aber wollen wir auch beten bei diesem heiligen Meßopfer für Euren Herrn Pastor, meinen lieben Freund, und für alle, die zu ihm gehören, die zu der Gemeinschaft von Priestern und Laien (Pfr. Irrgang gehört der Personalprälatur Opus Dei an) gehörten, vor denen ich große Hochachtung habe, und ich sage das bewußt an dieser Stelle.

Und nun wollen wir uns auf dieses heilige Meßopfer vorbereiten. Vor wem stehe ich? Das ist die Frage. Ich komme zu Gott, zu Gott, meinem Schöpfer, zu Gott, meinem Erlöser, zu Gott, der mich heimholen will in die ewige Seligkeit. Wie aber komme ich? So bitten wir Ihn, daß er alles von uns nimmt, was uns von Ihm trennen könnte.



Predigt

Meine lieben Mitbrüder, liebe Brüder, liebe Schwestern im Herrn!


Glocken sind Personen

Glocken, sagte ich eben zur Begrüßung, sind etwas Besonders. Glocken leben. Wenn Glocken geweiht werden, sind wir ergriffen. Es geht uns ans Herz, und dies hat seine bestimmte Bewandtnis. Glocken behandeln wir wie Personen. Sie leben wirklich. Als die Engelglocke gegossen wurde, waren manche von euch dabei, und sie haben den Glockenguß begleitet durch ihr Gebet. Auch heute sprechen wir so von der Glocke, als wenn wir eine Person, ein Du anreden würden.

Wir werden die Glocken waschen mit Wasser, so wie ein Getaufter gewaschen wird, zu einem neuen Leben wiedergeboren wird aus dem Wasser und aus dem Heiligen Geist. Wir werden die Glocke mit Chrisam salben, so wie ein Gefirmter mit Chrisam gesalbt wird. Wir werden diese Glocken mit Weihrauch ehren, so wie wir den Altar mit Weihrauch ehren, das Symbol für den Eckstein Jesus Christus, wie wir das Evangelienbuch mit Weihrauch ehren, in dem das Wort, das zu uns kommt, das Wort Jesus Christus geehrt wird; wie der Priester als ein anderer Christus mit Weihrauch geehrt wird, ja, wie das ganze heilige Volk Gottes, die Getauften und Gefirmten, mit Weihrauch geehrte wird. Daraus schon wird deutlich, daß eine Glocke etwas Lebendiges ist, wir behandeln sie wie eine Person.

Und hören wir einmal hin, wie wir von der Glocke sprechen. Wir sagen: die Glocke schwingt, die Glocke läutet, die Glocke ruft, die Glocke klagt. Und die älteren Leute wissen noch zu sagen: die Glocke schreit! Eines Tages sagte mir eine alte Frau: „Haben Sie es nicht gehört? Die Glocke schreit!“ Sie hatte ein eigenartiges Empfinden dafür. Das Schreien der Glocke - so sagte sie - deute Unheil an. Es stirbt jemand, oder es geschieht ein Unglück.


Glockenweihe (auf dem Bild die restaurierte Friedensglocke) durch Weihbischof Dr. Josef Plöger;
links: Pfarrer Dr. Irrgang, rechts: Jürgen Müller


Die Glocke begleitet unser Leben


Glocken begleiten unser ganzes Leben. Wer begleitet sonst unser Leben? Menschen, die uns lieben, mit denen wir in Freundschaft verbunden sind, die uns etwas bedeuten. Und hier sind es Glocken, die uns begleiten. Zur Kindtaufe klingt die Glocke. Sie begleitet den Täufling in das neue Leben, in das von Gott geschenkte Leben der Gnade.

Die Glocke läutet zur Erstkommunion. Wir traurig, wenn keine Glocken läuten können zur Erstkommunion, wie wir es während des Krieges erlebt haben.

Die Glocke läutet, wenn jemand gefirmt wird; die Glocke läutet, wenn sich junge Menschen das Jawort der Treue und der Liebe, das sie nie zurücknehmen wollen in ihrem Leben, vor dem Altar, im Angesicht Gottes geben; wenn sie zueinander sagen: Für immer Du und Du allein!

Und die Glocke läutet auch, wenn jemand zu Grabe getragen wird. Zum letzten Male begleitet sie ihn auf dem Weg rund um die Kirche auf euren Friedhof.

So begleitet uns die Glocke. Wir behandeln sie wie eine Person. Die Glocke handelt und die Glocke begleitet uns.

Die Glocke ruft! Wozu ruft sie denn? Sie ruft dreimal am Tag: Denk an Gott, vergiß Gott nicht. Sie ruft uns zu: Betet! „Der Engel des Herrn“, so beten wir dann, „brachte Maria die Botschaft“. Es dürfte keinen Tag in unserem Leben geben, ohne gebetet zu haben.

Früher war es üblich, daß jedes Kind, bevor es zur Schule ging, den Segen von Vater oder Mutter erhielt. Es wurde mit geweihtem Wasser gesegnet. Die Mutter machte ihm ein Kreuz auf die Stirn. Die Glocke ruft uns zu, morgens nie aus dem Hause zu gehen, ohne gebetet zu haben. Und am Mittag, wenn es Ruhe gibt, wenn es ein wenig still wird, dann sollten wenigstens die, die zu Hause bleiben können und nicht im Lärm der Stadt arbeiten müssen, beim Läuten der Glocken einen Augenblick die Hände falten. Das Herz kommt dann wieder zur Ruhe. Was auch immer gewesen ist im Tagesablauf, vielleicht an Aufregung, an Sorgen, wir finden uns bei Gott wieder und vergessen wie ein kleines Kind auf dem Arm der Mutter allen Kummer.

Und keinen Abend dürfen wir schlafengehen, ohne gebetet und eine kleine Gewissenserforschung gehalten zu haben. Es könnte unser letzter Tag gewesen sein. Dreimal am Tag ruft uns die Glocke: Kommt und betet!

Und dann ruft uns die Glocke, zur Kirche zu kommen, um in der Gemeinschaft der Gläubigen die heilige Messe zu feiern. Mancher mag dasein, der Zeit hat, auch wochentags zu kommen. Früher sagte vielleicht der eine oder andere: „Wenn ich einmal in Rente gehe, wenn ich einmal pensioniert bin, dann werde ich auch wochentags gern zur heiligen Messe kommen, jetzt kann ich es ja nicht.“ Jetzt ist er längst pensioniert, jetzt ist er längst Rentner. Vielleicht darf ich daran erinnern, wie schön es ist, auch wochentags zur heiligen Messe zu kommen, um für andere da zu sein, die es nicht können oder nicht wollen.

Person sein heißt immer „mit sein“ und „für sein“; mit anderen da sein und für andere da sein. Die Welt und ganz besonders unsere Heimat hat es nötig, daß heute Menschen da sind, die für andere eintreten und für die anderen beten. Was für ein Einbruch ist da erfolgt, auch in der Voreifel, auch in der Eifel, bis hinauf in das höhengebiet! Als ich vor dreizehn, vierzehn Jahren, anfing, dieses Gebiet zu besuchen, gab es Gemeinden, die noch bis zu achtzig Prozent Kirchenbesucher hatten. Welcher Einbruch ist da erfolgt, daß selbst solche Gemeinden oft nur noch dreißig oder fünfunddreißig Prozent haben, und andere haben vielleicht nur noch zwanzig oder achtzehn oder siebzehn Prozent Kirchenbesuch. Ist es da nicht nötig, daß wir uns rufen lassen: Komm, tritt für den anderen ein, bring dieses kleine Opfer und komm? Und für alle gilt dieses „Komm“ am Sonntag. Die Glocke ruft uns zu: Kein Sonntag ohne heilige Messe.

Ich freu mich heute morgen ganz besonders, daß so viele Kinder hier sind. Es ist etwas Besonderes heute, daß der Bischof gekommen ist; daß die Glocken geweiht werden. Aber so muß es jeden Sonntag sein. Niemand darf von euch am Sonntag fehlen. Komm, ruft uns die Glocke, komm zum Gebet; komm, wenn du wochentags Zeit hast und tritt für die anderen ein, die es vergessen, an Gott zu denken; komm jeden Sonntag, höre auf das Wort Gottes, feiere das heilige Opfer mit.

Es gibt nichts Schöneres, es gibt nichts Wertvolleres als die heilige Messe. Die heilige Messe ist der Gipfel, dem das Tun der ganzen Kirche zustrebt. Alles, was die Kirche tut, und alles, was wir unternehmen, alle unsere Räte, unsere Institutionen, unsere sozialen Einrichtungen, alle mündet aus wie im Gipfel einer Pyramide in der heiligen Messe, im Opfer Jesu Christi. Das ist unüberbietbar. Höheres, Größeres, Schöneres gibt es nicht.


Weihbischof Dr. Josef Plöger
bei der Festansprache


Zum Namen der Glocke


Wir behandeln die Glocke wie eine Person, die Glocke selber handelt, die Glocke ruft uns. Glocken tragen Namen. Die eine Glocke erfüllt uns wirklich mit Ehrfurcht. Sie ist ja gegossen worden, als wieder Frieden eingekehrt war in unserem Land. Zweidrittel der Bevölkerung war tot: erschlagen, gestorben an Hunger, an Seuche, an den Folgen dieses dreißig Jahre langen Krieges. Die Menschen verbargen sich in den Wäldern, wenn von irgendwoher wieder Truppen durch das Land zogen, die die Menschen erschlugen, die Häuser ausraubten und in Brand steckten. Krieg ist etwas Furchtbares! Die Menschen sehnen sich nach Frieden. Und so gossen sie 1649 die Glocke, die immer den Frieden verkünden sollte.


Weihbischof Dr. Josef Plöger bei der Weihe der Friedens- und Engelglocke


Frieden ruft diese Glocke. Niemals mehr dieses Töten und Morden und Rauben und Brandschatzen. Niemals mehr! Doch wie oft ist es dazu wieder gekommen! Man kann die Welt nur bessern, wenn man den Menschen ändert. Das Herz muß sich ändern. Der Mensch muß den Frieden wollen. So ruft diese Glocke bald von neuem - zu Weihnachten denke ich - über diesen Ort und über die Eifel Frieden. Und die andere Glocke ist den Erzengeln und den Schutzengeln geweiht, und darüber freue ich mich besonders. Es gibt nämlich vergessene Wahrheiten. Wer denkt heute noch an die Engel? Wer betet noch zu den Engeln? Diese Glocke erinnert uns an die Erzengel, an Michael - Wer wie Gott? - der das Böse bekämpft und besiegt, Sie erinnert uns an Raphael - Gott heilt -, der die Menschen begleitet auf ihrem Weg und den Kranken Gesundheit schenkt. Sie erinnert uns an Gabriel - den Mann Gottes, den Starken Gottes - der Maria die Botschaft gebracht hat.

Die heiligen Engel sind reine Geister, sind Geschöpfe, sie stehen vor Gott, sie loben Gott, sie beten ihn an. Sie ziehen uns gleichsam mit, daß wir uns in diesem Strom des Gebetes der Engel eintauchen lassen, um Gott zu loben, zu preisen und anzubeten. Die Engel sind Boten Gottes, sie werden gesandt, um die Botschaft Gottes, frohe Botschaften, den Menschen zu bringen: „Der Engel des Herrn brachte Maria die Botschaft“.

Die Engel Gottes sind gesandt, um uns zu schützen: „Michael, der Engel des deutschen Volkes, und der Schutzengel, der mit jedem geht auf seinem Weg. Die Schutzengel sind nicht nur für die kleinen Kinder da, sondern wir alle brauchen diesen Schutz der geistigen Wesen, die Gott uns schenkt. Fragen wir uns einmal: wann denken wir eigentlich an die Engel, die mit uns durch das Leben gehen, die uns begleiten?

Vergessene Wahrheiten, und deshalb freue ich mich so, daß bald hier vom Turm eine Glocke anschlägt, die den Engeln geweiht ist, damit wir daran denken: Es gibt rein geistige Wesen, die vor Gott stehen, die Gott loben und anbeten, die von Gott als Boten in diese Welt gesandt werden und die da sind, um uns zu schützen und unsere Gebete hinzutragen zu Gott.

Und einst mögen sie, wie es vom heiligen Michael gesagt wird, unsere Seele begleiten, wenn wir hintreten vor den Thron Gottes, wo unser Leben gewogen wird, damit wir bestehen können.

Meine lieben Brüder und Schwestern, auch wenn ich heute morgen etwas länger gesprochen habe. Ich habe gespürt, wie sehr Sie zugehört haben, so daß es schon richtig gewesen ist. Denn dies ist ein besonderer, ein einmaliger Tag im Leben eurer Gemeinde. Glocken leben mit uns, Glocken handeln, Glocken verkünden, Glocken begleiten uns durch das ganze Leben. Und bald werden fünf Glocken von diesem Turm erklingen. Welche Freude wird das zu Weihnachten sein. Amen.











Festschrift zur Glockenweihe vom 4. Dezember 1988
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