Einweihung

der restaurierten „Klagemauer“ und der „Madonna in der Klagemauer“ am 21. November 1989











Römerspuren in der Stützmauer und andere Gedanken











Daß eine Mauer viele Steine hat, versteht sich von selbst, daß diese aber auch so variationsreich sein können wie unsere „Klagemauer“, weniger. Erstaunlich daran sind die großen (und kleinen) Stücke Kalksinter aus dem Römerkanal, vor allem im Stützpfeiler rechts von der Mutter Gottes. Besonders interessant ist ein Stück Kalksinter aus dem Kanal rechts unten auf halber Höhe neben der Mutter Gottes, ein Stück gewissermaßen von der Rückseite des Römerkanals, also von jenem Teil der Sintablagerung, der gegen das Mauerwerk des Kanals steht, so daß die Spuren der Ziegelsteine des Kanals zu sehen sind.











Aus dem Römerkanal sind eine ganze Reihe Stücke Sinter in unsere Kirche gelangt. Die ganze Vorderfront des Altartisches ist aus Kalksinter. Wenn die Kalkablagerungen, fest wie Stein, gut geschnitten und geschliffen werden, dann sehen sie aus wie Marmor. Manch einer hatte schon gedacht, daß die Frontseite der Mensa, der Altartisch, unserer Pfarrkirche aus Marmor wäre. Was aber nur wenige wissen, ist die Tatsache, daß unter der hölzernen und „marmorisierten“ Verkleidung und Umrahmung dieser Altarvorderfront ebenfalls geschliffener Kalksinter rund um den Altartisch angebracht ist. Nur selten wird dieser Teil freigelegt, weil der Altar in seiner jetzigen Fassung auch nicht ideal ist, aber ohne den Rahmen schlechter aussieht.

Alle Kirchenbesucher treten über einen ganz dicken Brocken Kalksinter, wenn sie in die Kirche eintreten. Die schon ziemlich abgenutzte Eingangsstufe - „fromme Füße“ haben tiefe

Links, halbunten im Bild, ein weiterer Römerstein (mit der Mauerseite eines Kalksintersteines) aus dem Römerkanal. Deutlich zu sehen ist der Abdruck römischer Ziegelsteine.











Spuren hinterlassen und gleichzeitig den Stein „geschliffen“, ihm dabei den rötlichen Glanz abgewonnen - ist auch ein aus dem Römerkanal herausgebrochenes großes Stück Kalksinter.

Schließlich gibt es noch im Schützenheim ein großes Stück geschnittenen und auf Hochglanz geschliffenen und gravierten Kalksinter, der auch der Öffentlichkeit zugänglich ist. Es ist ein Prachtexemplar an der Wand neben der Theke.

Wer ein wenig vertraut ist mit dem Römerkanal, weiß auch, wieviel Mühe sich die Römer gemacht haben, damit es nicht zu solchen Ablagerungen komme, die ja den Fluß des klaren Quellwassers behindern. Kalkhaltiges Wasser hinterläßt nicht nur in Mutters Kochtöpfen seine Spuren, sondern eben auch in den Wasserleitungen alter und neuer Art. Die Römer hatten also trotz aller Sorgfalt nicht verhindern können, daß sich dieser Kalksinter bildete am Boden und an den Seitenwänden des Kanals. Die Wasserqualität war wohl gleichbleibend gut. Eine Großstadt wie das römische Köln verbrauchte viel davon, ging geradezu verschwenderisch mit dem guten Eifelwasser um.

Hier in unserem Pfarrgebiet erinnert uns vieles an diesen Wasserkanal: das Wachpostengebäude (auch Heidentempel genannt) am Sportplatz, das Sammelbecken und die Überführung des Wassers bei Rheder ... In unserem Heimatbuch steht ja einiges davon geschrieben.

Wer immer nun in die Kirche geht, im Schützenheim sitzt oder einfach an unserer wunderschönen Kirchenmauer vorbeigeht, mag nun mit etwas offeneren Augen diese Spuren aus dem Römerkanal betrachten. Die großen Stücke in der Mauer haben mich dazu bewegt, etwas mehr über diese Römerspuren nachzudenken und aus der Betrachtung heraus ein paar Gedanken niederzuschreiben. Sind wir nicht alle gerufen - durch die Taufe - „Kanal“ zu sein? Viadukt, Brücke, Kanal, Überbringer, Träger - wovon? der Frohen Botschaft, der Gnade! Wir heißen Christen - wir sind es. Also sind wir kraft der Taufe Verheißungsträger. Die Qualität dieser Botschaft ist sehr groß, wie bei dem reinen Quellwasser, bei dem die Römer sich so viel Mühe machten, es bis nach Köln zu transportieren. Sie wollten eben kein billiges Rheinwasser trinken. Die Welt von heute braucht mehr denn je das klare Wasser der Frohen Botschaft, sauber, frisch, nicht „umweltverschmutzt“ durch konsumgerechte Uminterpretierung: Billigwasser zur Beruhigung der laugewordenen Christen.

Also gut: „Kanal sein“ - Christ sein, durch und durch. Aber! Wir sind nicht Quelle der Frohen Botschaft, des Heiles, sondern nur Überbringer der Gnaden. Die Quelle ist Christus. Ohne Verbindung zur Quelle sind wir trocken und leer (ohne Verbindung zu Christus, ohne Gebet und Empfang der Sakramente laufen wir Gefahr, unfruchtbar und steril zu sein). Wir sind keine isolierten Einzelteile. Aufgepaßt, daß wir etwa nicht den Gnadenstrom unterbrechen. Das Heil kommt von Christus. Wenn ich aber nicht zu Ihm gehe (Sonntagsmesse!!), dann begegne ich nicht dem Heil und kann es auch nicht weitergeben. So hat denn der „Kirchgänger“ auch seine „soziale Funktion“ ...

Ohne Gebet, ohne Sakramente, also ohne direkte vitale Verbindung mit der Quelle ist der Christ wie der Römerkanal heute: leer - ein erbauliches Museumsstück.

Auch machten sich die Römer viel Mühe, den Kanal zu sichern und zu bewachen, gegen Feinde von außen und gegen die normalen Schäden, die so entstehen. Der sogenannte Heidentempel am Sportplatz war ja wohl eher ein Wächterhäuschen. Wachsam sein! Die Römer wußten, warum.

Auch unser Glaube bedarf des Schutzes. So manch einer versuchte schon, die Kirche von der Quelle zu trennen. Barbaren gab es also nicht nur zu Zeiten der Römer. Auch wenn es „in“ ist, über die Wächterfunktionen der Kirche zu schimpfen, über „die da oben“ - auch der Kanal könnte noch heute funktionieren wie andere dieser Art im heutigen Rom (darauf sind die Römer mächtig stolz, daß sie noch zwei aus antiker Zeit funktionierende Kanäle haben), wenn die Schutzaufgabe nicht unterbrochen worden wäre.

Die Feinde Roms - oder Kölns - versuchten in der Spätphase des Römischen Reiches einfach, den Wasserkanal zu durchbrechen, damit die Kölner ohne Wasser blieben ... Dies als Bild verstanden, paßt in die Adventszeit 1988 - aber auch in jede andere Zeit und an jeden anderen Ort.

Noch „funktioniert“ der Kanal unseres Glaubens: die Kirche. Sie muß es auch. Millionen von Menschen warten auf die klaren Wasser der Erlösung. Wir alle sind gerufen, den „Kanal“ zu schützen.











Es gab noch andere Gründe, weshalb zu wachen war: Erdrutsch, schwachgewordene Mauern, wegsickerndes Wasser, schlechtgemachte Reparaturarbeiten, Ausbesserungen usw. Die Römer verstanden etwas von „technischer Wartung“ ... Und wir Christen? Wir sahen schon, daß sich die Römer viel Mühe gaben, das Wasser sauber zu halten. Dafür bauten sie Sammelbecken als Reinigungsanlagen. Eine davon stand in Rheder vor Beginn des Aquäduktes nach Stotzheim zu. In dieser Anlage wurde das Wasser unter Ausnutzung der Zentripedalkraft gereinigt.

Wenn wir schon „Kanal des Glaubens“ sein wollen, dann brauchen wir dringend solche Reinigungsanlagen: die heilige Beichte. Oder glauben wir, unser immer wieder verunreinigtes christliches Leben einfach so weitergeben zu dürfen? So hat denn auch die Beichte ihre „soziale Komponente“ ...

Daß das Wasser, das die Römer nach Köln holten, nicht nur gut und sauber war, sondern auch kühl, also selbst im Sommer sehr bekömmlich trotz des langen Weges, lag vor allem daran, daß die Wasserleitung unter der Erde lag: „wiederum geschützt vor Feinden und schlechten Umwelteinflüssen, vor Eisbildung im Winter und vor Erwärmung im Sommer. Nur selten kam der Kanal also nach außen - für alle sichtbar: ein Bild unserer Alltagssituation als Christen. Wir brauchen die Wirksamkeit in der Tiefe unseres christlichen Lebens in der Geborgenheit und Verborgenheit des Lebens als Bürger dieser Welt, in die wir nun einmal eingetaucht sind. Unser Christsein muß aber dort wirksam sein.



Eingetaucht in unsere Welt - an dem Platz stehend, den Gott uns zugewiesen hat: die Welt der Arbeit, der Freizeit, der Familie, der Hobbys etc. - tragen wir in uns für uns und die anderen Menschen die Verheißung Christi: frisch, belebend, dynamisch und verborgen (!) - oder geht es die Öffentlichkeit etwas an, wenn jemand täglich den Rosenkranz betet oder zur hl. Messe geht, seine Arbeit aufopfert aus Liebe zu Gott und den Menschen?

Verborgen, ohne öffentliche Zurschaustellung, ohne Werbung für die eigene Christliche Haltung, damit die Botschaft „angenehm“ bleibt, labend, und dadurch wirksam - aus der Tiefe heraus: Schließlich doch und erst recht öffentlich.

Dennoch, trotz Vorsicht und Verantwortungsbewußtsein: Wir sind nur schwache Menschen. Auch die Römer konnten nicht verhindern, daß der Kanal eingeengt wurde durch die Kalkablagerungen.

Es ist schon wichtig, sich der Sünden bewußt zu sein. Das darf uns aber nicht traurig machen. Wenn wir also über den Block Kalksinter schreiten beim Betreten der Pfarrkirche, oder sitzen im Schützenheim oder beten beim stillen Betrachten unseres Altares oder einfach vorübergehen an den Römerspuren in unserer Kirchenmauer:


Herr, ich vertraue nicht auf meine Verdienste,
sondern auf Deine Barmherzigkeit




Wer einmal am offengelegten Stück des berühmten Kanals dort oben am Römerkanal gegenüber Haus 12 gestanden und den Kanalschnitt betrachtet hat und dann diesen sogenannten Kalksinter sah, kann sich kaum vorstellen, daß man daraus etwas so Schönes machen könnte wie die Frontseite unseres Altares. Es sieht aus wie bester Marmor, dazu noch die schöne Gravourarbeit.

Bei all unserer Hinfälligkeit und „Unansehnlichkeit“, was Gott daraus machen kann in Seiner Güte und Allmacht, das können wir uns nicht träumen lassen.

Aber: man muß Ihn machen lassen ... wollen, daß er schneidet und schleift, sonst bleibt man wie das äußere Schwarzgrau des Kalksinters im alten Römerkanal ...











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Festschrift zur Einweihung der restaurierten „Klagemauer“

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