Aus dem
Rheinischen Antiquarius - von Stramberg 1864
(S 797 ff)
Angaben zum Haus Broich, zu
Weingarten, zur Capelle zu Billig und Rhederer Funde
Der Erft näher, an dem von Antweiler herunterkommenden Wässerlein liegt das Haus Broich,
ein weiland zum Cölnischen Landtag qualificirter Rittersitz, der bereits im J. 1669 al der Jesuiten Eigenthum vorkomme und ihnen ein Tusculanum wurde. Nach Aufhebung des Ordens zog der Kurfürst von der Pfalz das Gut als Domaine ein. Die französische Regierung verkaufte dasselbe als Nationaleigenthum für 10.300 Franken (2740 Rthlr.) an den General von Ritz zu Wachendorf.
Weingarten
hart an der Erft, zeigt noch
bedeutende Spuren der römischen Wasserleitung. Bei Umlegung der
von Münstereifel nach Roitzheim und Euskirchen führenden
Straße, 1839, ist man auf die Fundamente und Bodenreste
großartiger Gebäude aus der Römerzeit gestoßen,
deren Fortsetzung man im October 1851 im Thal südlich von
Weingarten angetroffen hat. Bei der ersten Entdeckung sind nebst
einem Mosaikboden Heizkeller und Münzen aufgefunden worden. An
der Westseite des Dorfes tritt der Römercanal zu Tage, und
zweifelsohn ist auch ebenda der Weinbau versucht worden, von welchem
der Ort seinen schönen Namen ererbt hat. In älterer Zeit
ist der Name Kreuzweingarten viel gebraucht worden, von der Lage der
Kirche im Abhang des Bergs, als einer Erinnerung an den Berg des
Kreuzes. Diese Kirche sowie die Capelle zu Billig standen schon im
13. Jahrhundert unter dem Stift zu Münstereifel, wie aus dem
Indult des Erzbischofts Heinrichs von 1247 erhellet. Auch hatten die
Stiftsherren einigermaßen die Civilherrschaft in Weingarten,
betheiligten sich deswegen am Dingstuhl zu Arloff und brachten den
Scheffen in Vorschlag. Weingarten, dessen Pfarrkirche s.t.
Kreuzerfindung, bildet mit Kalkar, Billig, Rheder ein Kirchspiel, das
677 Insassen zählt. Die vereinigte Gemarkung besagter
Ortschaften wurde im J. 1817 zu 444 Morgen Ackerland, 100 M. Wiesen
und 128 M. Waldungen angegeben. Von letzern gehörten 68 M., der
Pfaffenharth genannt und von dem Stift zu Münstereifel
herrührend, den Domainen, 68 M. aber den beiden Ortschaften. Das
Stift zu Münstereifel besaß den Capitelshof zu Weingarten,
welcher von der französischen Regierung für 45.000 Franken
[Anm. 8.000?] verkauft und später parcellirt wurde. Den Pfarrer
ernannte das Stift Münstereifel. Wingarden canonici
Monasterienses tenent ab ecclesia. Sunt in Wingarden mansus 10.
Solvit unusquisque in censu et in omni servitio, ut caeteri de
Evernesheim. Est ibi vinea ad carradas 9, prata ad carradas 6, sylva
ad porcos 20, molendina duo. Also Cäsarius.
Zu Rheder
hat der Kirchenrendant Straßer
im Jahr 1838 auf seinem Acker, nordwestlich vom Dorf auf der etwas
erhabenen Stelle, wo die Landstraße sich von Nordwest nach Nord
umbiegt, ein Grab entdeckt, worin zwei Gerippe, das eine mit dem
Schädel zu des anderen Füßen, lagen. Das Grab war aus
röthlichem Sandstein zusammengesetzt und mit solchem zugelegt.
Die Steine sind roh behauen und wahrscheinlich nicht in der Nähe
gegraben. Innere Länge 6' 4'', Breite 2' 3'' am Scheitel, 1' 9''
am Fuß. Die Fugen waren sorgfältig mit Kieselthon
verstopft. Von demselben Sandstein hat sich am Grab ein Denkstein
gefunden, 2' 11'' hoch, 1' 3'' breit, mit der Inschrift:
I O M
ET
GENIO LOCI
M. VL
MATERNVS
BF COS PRO S
::SVIS. V.
L. M.
Dr. Lersch erklärt diese Inschrift: Jovi optimo maximo et Genio loci Marcus Ulpius Maternus, beneficiarius Conulis, pro se et suis, votem solvens lubens merito. Im Juni 1839 fand man zu Rheder eine Münze der Eburonen, welche Dr. Krosch im 4. Heft der Rheinischen Provinzialblätter für 1839, Seite 15 beschrieben hat. Im Winter 1842 hat Straßer noch etwa 14 Gräber gefunden, die von Steinen derselben Art und Form zusammengesetzt, alle nach Osten gerichtet waren und in Zwischenräumen von 2 bis 3 Fuß getrennt nebeneinander lagen. Es befanden sich in denselben Gebeine, Reste von Pfeilen, der Rest eines Schwertes, fast alles vom Rost verzehrt. In einem Grab waren einzige Glaszierrathen ohne Bedeutung. Meistens waren diese Gräber zwei Fuß unter dem Boden, zwischen denselben oder an deren Kopfende, sorgfältig in Kiesgrund gestellt, viele Urnen, Näpfchen und Lampen von Thon; einige Gefäße von feinem rothen Thon; kleine Kupfermünzen, deren sich an einer Stelle eine Menge in einem Gefäß zusammen gefunden haben; ein viereckiges Glasfläschchen mit einem Seitengriff. Das Glas war sehr angegriffen, die Münzen sind meistens sehr oxydirt, die Thongefäße hingegen gut erhalten. In den Gefäßen waren Asche und Reste von verkohlten Gebeinen. Deutlich zu lesen sind noch die Prägen von Maxim ..., Gratianus, Constantinus, Honorius, Theodosius, Arcadius, Valen ... Ein Goldstück enthält die Umschrift: Nerva Caes pat ap co -, auf der Abseite: Fortuna august s::c.
Anfangs Mai 1842 hat Straßer
ungefähr 10 Fuß von der Lagerstelle des oben beschriebenen
Votivsteins wieder einen solchen gefunden, welcher horizontal
anderthalb Fuß tief im Grunde lag, darunter ein kurzes Schwert
und, wie es scheint, der Rest einer Lanzenspitze. Etwa 3 Fuß
davon war 3 Fuß unter dem Boden ein Grab. Das Material des
Steins sieht aus wie gebackener Thon, hat auch dessen Klang; selbst
die Zeichnungen und der Mangel von Meißelfurchen sprechen für
ein Thongebilde. Der Umstand, daß die Schrift gemeißelt
ist, was man an den Ausbrockelungen der runden Schriftzüge und
an der ungleichförmigen Winkelbildung erkennt, führt zur
Annahme, daß solche Tafeln zum Verkauf gebacken wurden. Folgt
die Inschrift:
T M FIR:
MINO VO
TVM REFE
RET IVS
TINI
PAT
ERNA
V L S M
Nach der Erklärung des Hrn. Bärsch ist in dieser Inschrift zu lesen: Deo invicto Mithrae Firmino votum refere(n)te Justini() Paterna votum (solvit lubens merito). Indem also Firminus, Vormund der Justina paterna, ihre juristische Abhängigkeit und Unfähigkeit zu einer solchen Handlung durch seine Ausführung des Gelobten aufhebt, hat sie sich zugleich ihres Gelübdes entledigt. Im Sommer 1842 ist nördlich von Rheder, etwa 5 Minuten vom Dorfe, ziemlich tief im Grunde ein Gedenkstein gefunden worden, der eine viereckige Säule darstellt, nahe 2 Fuß hoch, etwas über anderthalb Fuß breit, 13 Zoll dick, von feinem Korn und zu den weißgrauen Sandsteinen gehörig. Die Inschrift lautet: IVLIAE PETERNAE COIIVGI CARISSIMAE. Im Januar 1851 sind wieder nordwestlich von Rheder 1 bis 4 Fuß tief im Boden mehre Gräber gefunden worden, deren Richtung ebenfalls nach Osten. Straßer bemerkt, daß die Gerippe meist von ungewöhnlicher Größe waren. Nebenbei fand man eine Silbermünze vom Imp. Severus, eine Kupfermünze von Diocletianus, eine von Arcadius, eine von Honorius Augustus, ferner verschiedene Gefäße, als: Krüglein, Deckel, eine Ampel und einen rundnapf, theils von weißer, theils von rother und gelber Thonerde. In demselben Jahr fand man daselbst in einem römischen Grab, welches allen äußern Zeichen zufolge die Überreste eines Mannes der untern Volksclasse umschlossen hatte, in einem Krug hundert römische Münzen.
Billig
hat eine Capelle zum h. Cyriacus. In dem antoninischen Etappenverzeichnisse folgen nach Marcomagum (Marmagen) die beiden Namen Belgica und Tobiacum, dann die Colonia Agrippina. Nehmen wir hierzu als feststehend an, daß von Marmagen eine Heerstraße nach Zülpich, Lechenich und Hermülheim, eine andere nach Euskirchen, Liblar und Herrmülheim ging, so war diese letztere unfehlbar über Billig gerichtet, und ist demnach die alte Zingsheimer Straße über Eschweiler eine Verbindung Marmagens nach Billig, Euskirchen, Lommersum ein etc. gewesen. Ein Zweig dieser Straße ging nach Bonn oder nach Rodenkirchen. Nehmen wir hinzu, daß die vielen Wohnungen vornehmer Römer, von welchen die Spuren bei Zievel, Antweiler, Wachendorf, Weingarten sich gezeigt haben, die Nothwendigkeit eines Schutzlagers bedingten; daß ferner dieses Lager als Observationspunkt nach allen Richtungen hin eine weite freie Aussicht haben mußte: so bleibt kein Bedenken, die Castra Belgica nach Billig zu verlegen. Nebstdem, daß die deutsche Benennung diese Ansicht unterstützt, haben sich als sprechende Zeugen in der Gemerkung und Umgegend von Billig in frühern Zeiten eine Menge römischer Münzen und noch bis in die jüngsten Decennien viele Gräber und Monumente gemeiner Römer gefunden. Scherzweise sagte man noch vor 30 Jahren: Die Steine zu Billig haben die Heiden liegen lassen. Wirklich war dieses Dorf theils zwischen, theils an hausgroße Massen einer dichten Lava angelegt,die man insgesamt den Kaiserstein nannte. Seit Ausführung der Heerstraße ist der größte Theil dieser Steinmassen wegen ihrer basaltartigen Festigkeit hierauf verwendet worden. Man will in dem Kaiserstein den Mittelpunkt einer bedeutenden römischen Niederlassung, deren Vorwerke zu Kessenich, Lessenich, Wachendorf, Kastenholz, Kirspenich und Elsig, erkennen. Dafür möchte der im J. 1809 am Kaiserstein ausgegrabene Denkstein mit der Inschrift:
Q PETRONIVS
Q
ANIENSIS
RVFVS II. S. E.
PARVM FELIX MILITIAE,
der zu beiden Seiten mit Genien verziert ist, sprechen. Wenn aber ferner behauptet wird, die fränkischen Könige hätten auf den Vorwerken von Belgica eine großartige Landwirthschaft gegründet, es sei dieser wirthschaftlichen Anlage wegen der Canal gegraben, der bei Weingarten von der Erft ausgehend, durch das Wiesenthal bis Wüschheim reicht, indem das Kesselthal, nördlich Belgica, worin Kirspenich, Arloff, Iversheim, Kalkar und Wachendorf gelegen, früher ein See gewesen sei, dessen Ablauf durch das Erftthal in einem Durchbruch des Gebirgsdammes bei Weingarten veranlaßt worden, so will ich diese Angaben weder bestreiten noch viel weniger beweisen.
Rhein. Antiquarius, 3. Abth. 12. Bd.
Sammlung Hans Regh
Edition
wingarden.de - 9.2.2003 - H.K.
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