Die Tempelherrensagen der Eifel und der Ardennen
Von Max v. Mallinckrodt.


Die Sagen von den Tempelherren bilden im Sagenkranze unserer Heimatberge eine besondere Gruppe und unterscheiden sich wesentlich von den Templersagen anderer deutscher Gebiete. Denn während z. B. in Schlesien nur hin und wieder ein altes Schloß als ehemalige Templerfeste erwähnt, oder auf den großen Reichtum des Ordens angespielt wird, so haben die Templer i unserer heimischen Sage einen bösen, räuberischen Zug angenommen und wurden von den Bewohnern der Eifel und Ardennen mit einem Haß betrachtet, der zu den geistlichen Ritterorden nicht passen will.

Vergegenwärtigen wir uns in flüchtigen Umrissen die Geschichte jener einst so hoch gestiegenen und dann so grausam gestürzten ritterlichen Gesellschaft.

Im Jahr 1118 traten neun französische Ritter, Kampfgenossen Gottfrieds von Bouillon, vor den Patriarchen von Jerusalem, um in seine Hände das Gelübde der Armut, der Keuschheit, des Gehorsams und vor allem der Verteidigung der zum heiligen Grabe wallfahrenden Pilger gegen Angriffe der Ungläubigen abzulegen. Das Zeichen des neuen Ordens, zwei Ritter auf einem Pferde sitzend, gemahnt daran, daß die Templer damals in tiefer Armut lebten. Ihren Namen erhielten sie von dem Hause neben dem Tempel Salomons in Jerusalem, das König Balduin II. Ihnen zur Wohnung anwies. Die Tapferkeit der Tempelritter war bald so hochberühmt, daß ihnen von allenthalben Gaben und Stiftungen in reichster Fülle zuströmten. Die anfängliche Armut des Ordens ging bald verloren. Sein Reichtum wurde geradezu sprichwörtlich und verleitete die Ordensritter zu üppiger Lebensweise. Aber noch schlimmere Dinge wurden den Templern nachgesagt. Durch den langen Aufenthalt im Orient hätten sie ketzerische Gedanken aus der Welt des Islam aufgenommen und seien schließlich geradezu vom Christentum abgewichen. Es ist sicher richtig, daß es im Orden gewisse mit der Kirchenlehre unvereinbare Strömungen gab, die wohl auf die südfranzösische Albigenser Bewegung zurückzuführen sind, daß aber der ganze Orden mit seinen vielen tausend Niederlassungen in Deutschland, Frankreich, Italien, England, Spanien, Portugal und im Orient samt und sonders dem Christentum untreu geworden sein soll, das ist höchst unwahrscheinlich.

Die Geschichte weiß ja auch, welcher Beweggrund dem Prozeß zugrunde lag, dem der Orden schließlich erliegen sollte. Philipp IV., der Schöne, von Frankreich, ein Fürst von eisernem Willen, großer Staatsklugheit und kältestem Herzen, hatte das Papsttum durch die Verlegung der päpstlichen Residenz von Rom nach Avignon völlig unter seine Botmäßigkeit gebracht. Sein zweiter Schlag galt den Templern, die sich von jeher als eine Miliz des heiligen Stuhles gefühlt hatten, und deren Anzahl, Kriegstüchtigkeit und ungeheurer Reichtum Philipp von Frankreich als eine Gefahr für seine staatsmännischen Pläne erschien. So schritt er entschlossen zur Vernichtung des Ordens. Papst Clemens V., dessen schwachen Widerstand der Wille des Despoten bracht, berief den Hochmeister Jacob von Molay und die Großgebietiger des Ordens von Cypern nach Frankreich, angeblich um einen neuen Kreuzzug mit ihnen zu überlegen. Der Großmeister kam und wurde mit allen Würdenträgern und vielen Rittern durch die Schergen des französischen Königs verhaftet. Nach grausamem, jahrelangem Prozeß, bei dem die Folter eine große Rolle spielte, wurden im Jahre 1310 vor einem Tore von Paris vierundfünfzig Tempelritter verbrannt, und ein Jahr später starb der Großmeister selbst den gleichen schreckensvollen Tod, obwohl alle bis zu ihrem letzten Atemzuge ihre Unschuld beteuert oder die durch die Folterungen erpreßten Geständnisse widerrufen hatten. Aber der König hatte sein Ziel erreicht, die Gefahr war beschworen und die Bahn für seine staatsklugen Pläne schien frei. Aber nur kurze Zeit durfte er sich seines Erfolges freuen, denn er starb vor Ablauf eines Jahres und die Sage erzählt, daß der sterbende Großmeister ihn vor Gottes Richterstuhl gefordert habe.

Als Papst Cemens den Orden widerstrebend hatte aufheben müssen, zog Philipp die in Frankreich gelegenen Tempelgüter für sich ein. Und wie Philipp handelten auch andere Fürsten. Am glimpflichsten aber erging es dem Orden in Deutschland. Hier verfolgte ihn niemand, kein Prozeß wartete seiner, und so konnten die Ritter nach Aufhebung des Ordens zum Johanniterorden übertreten, dem die Güter der Templer zufielen.

Diese friedliche Lösung führte auch die Besitzungen der Templer in der Eifel und den Ardennen den Johannitern zu. In Trier, in Hönningen und in Breisig bestanden Häuser des Ordens. Die wichtigste Niederlassung aber war die Kommende Roth bei Vianden, deren Ordensschloß noch heute besteht.

Es ist leicht verständlich, daß der Eindruck, den die Bevölkerung unserer Heimat vom Untergang des Ordens empfing, kein sehr tiefer oder schrecklicher gewesen sein kann. Den bäuerlichen Hintersassen der Ordensritter war es wohl gleichgültig, ob ihre Lehnsherren Templer oder Johanniter hießen, ob sie ein rotes oder ein weißes Kreuz auf dem Mantel trugen. Es waren ja doch dieselben ihnen wohlbekannten Personen, die in den wenigen Niederlassungen auch weiterhin lebten und über sie geboten.

Um so seltsamer ist es nun, daß es im Gebiete der Eifel und der Ardennen zahlreiche Templersagen gibt, die sich keineswegs an wirkliche Templersitze anschließen, sondern an Orten nachweisbar sind, an denen man den Orden wohl kaum vom Hörensagen kannte. Schon Bormann hat in seiner Geschichte der Ardennen die Ansicht ausgesprochen, daß den Templersagen weit ältere geschichtliche Ereignisse zugrunde liegen, nämlich solche aus der Zeit der Völkerwanderung. Die gewöhnliche Meinung geht nun dahin, daß sich diese uralten Geschehnisse später im Bewußtsein des Volkes mit dem Untergang des Templerordens sagenbildend verbunden haben. Es ist indessen, wie oben schon erwähnt, höchst unwahrscheinlich, daß grade in einer Gegend, inder sich das Ende des Templerordens so friedlich vollzog, der Untergang des Ordens in schrecklicher Form durch die Sage festgehalten sein sollte. Es ist vielmehr mit Sicherheit anzunehmen, daß die Templersagen sich überhaupt gar nicht auf mittelalterlichen Ritterorden beziehen.


Ehemalige Ordenskirche der Johanniterkommende in Roth, Kreis Bitburg.
Th. Wildemann, Bonn.

Die Templersagen, die in den luxemburgischen Ardennen an vielen Orten, aber grade nicht in Roth, der alten Kommende, nachweisbar sind, finden sich auch im eigentlichen Eifelgebiet zahlreich. So ist z. B. zu Büllingen, zu Kronenburg und Hallschlag.

Alle diese Sagen haben den gleichen Inhalt oder gleichen sich wenigstens sehr untereinander.

Nach ihnen bewohnten die Templer hoch gelegene, feste Schlösser, die große Reichtümer bargen. Von diesen Schlössern aus machten sie auf schnellen Pferden weite Streifzüge durchs Land und brandschatzten die Bevölkerung, die mit Furcht und Haß die Reiterscharen kommen sah.

Immer kehrte dabei das bekannte Sagenmotiv wieder, daß die vorsichtigen Templer, wenn sie aus ihren Templerhäusern ausritten, die Pferde mit umgedrehten Eisen beschlagen hätten, so daß man aus den Hufspuren niemals sicher darauf schließen konnte, ob sie daheim oder unterwegs waren. Immer wieder taucht auch der Zug der Sage auf, daß die Templer einem Bauern, der sie belauscht hatte, streng verboten, ihre List irgend einem Menschen zu verraten. Dieser aber habe das Geheimnis zwar keinem Menschen, aber inmitten der Gemeinde mit lauter Stimme einem Stein oder einem Baum anvertraut.

Es wird endlich übereinstimmend erzählt, daß die Tempelhäuser dann in einer einzigen nacht alle erstürmt und verbrannt, die bösen Templer aber erschlagen worden seien.

Mit besonderer Vorliebe schließen sich die Templersagen örtlich an noch vorhandene Spuren altrömischen Mauerwerks an, und es ist wohl nicht zu bezweifeln, daß die Sage die Erinnerung an jene Zeit festhält, in der von den hochgelegenen römischen Militärstationen Reiterscharen, vielleicht eine Art von Gendarmerie, durch das Land zogen und sich durch das den keltogermanischen Landbewohnern verhaßte Eintreiben von Abgaben recht unbeliebt gemacht haben mögen.

Die List der verkehrt aufgeschlagenen Eisen ist sicher spätere Zutat, da sie als Bestandteil vieler Räubersagen auftritt. Daß den schlichten Waldbauern aber die römischen Niederlassungen reich und prunkvoll erscheinen mußten, ist leicht zu begreifen.

Schon Bormann hat darauf hingewiesen, daß dem plötzlichen Untergang der sagenhaften Templerhäuser die geschichtliche Zerstörung der römischen Militärstationen zum Vorbild gedient haben müsse, und zwar beweist er, daß es sich nicht um einen Angriff der Franken, sondern nur um den der Hunnen Attilas gehandelt haben kann. Wie eine vernichtende Flut durchzog das Raubheer des Hunnenkönigs auch die Täler unserer Eifelheimat. Kein festes Kastell durfte in ihrem Rücken bestehen bleiben. Die Besatzungen mögen erschlagen worden sein, aber die Waldbauern hatten sicherlich die Möglichkeit, sich vor den fremden Zerstörern in die dichten Wälder zu retten. Ihre ärmlichen Hütten waren schwerlich ein lockendes Ziel für die Eroberungslust der hunnischen Führer. Und so mag's geschehen sein, daß die Waldbauern am Tage nach dem Sturm der Hunnen von den schon wieder weitergezogenen Fremden nichts mehr sahen, wohl aber die gebrochenen Burgen ihrer römischen Zwingherren und in den ihrer Schätze beraubten rauchenden Trümmern die Leichen der römischen Reiter, die sie gefürchtet hatten. So ist die Zerstörung der römischen Niederlassungen im Bewußtsein des Landvolks zum Strafgericht ihrer Bedrücker geworden.

Warum aber gab das Volk in seiner Erinnerung an jenen grauenvollen Untergang den ehemaligen Machthabern den Namen „Templer“?

Ist es nicht denkbar, daß den schlichten Bauern grade das templum, die Kultstätte der römischen Soldaten, mit allerhand prunkvollen Weihegeschenken besonders auffiel, und ist es nicht ebenso denkbar, daß sie den Römern, die ihren Gott eben in einem Tempel verehrten, den Namen Templer gaben im Gegensatz zu ihnen selbst, die unter heiligen Bäumen im Freien ihren Göttern dienten?

Der zufällige Gleichklang jenes Namens mit dem der mittelalterlichen Ritter hat dann nicht das sagenerzählende Volk, wohl aber die Sammler der Sagen dazu geführt, fälschlich beide Geschichtsquellen für die Templersagen der Eifel und der Ardennen in Anspruch zu nehmen.




Entnommen: Eifelkalender 1931, Seite 129-1323, Eifelverein Düren, Sammlung Sohie Lange Nettersheim







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