Zum Denken auch ein Hauch Villa Massimo

Kölner Stadtanzeiger vom 21. Juni 1978


In erweiterter Tagungsstätte in Kreuzweingarten sind Sammlung und Gespräch möglch

Schöner Prachtbau erinnert stark an Italien

Von unserem Redakteur Bruno Schlüter



Euskirchen-Kreuzweingarten (et)

Die Villa liegt am Burgberghang: Ein Garten mit Wasserbecken, von der Veranda schweift der Blick weit ins Land, Gemälde an den Wänden. Man glaubt, in Rom zu sein, in einer Villa, wo der Geist durch Landschaft stimuliert, Kunst zur Lebensform wird.

Die erweiterte und restaurierte Villa Becker in Kreuzweingarten ist eine Zier in einer Zeit, wo auch in ländlichen Gefilden der Einheitsstil der Glaskästen mancherorts die Oberhand gewinnt. Die Studentische Kulturgemeinschaft hat hier einen Ort der Begegnung geschaffen, der am Montag in seiner neugewonnenen Schönheit den Euskirchener Stadtvätern vorgestellt wurde.

Die Villa Becker, auch unter dem Namen Tagungsstätte Hardtberg bekannt, war auch noch zu Lebzeiten ihres Erbauers Bernhard Becker ein offenes Haus für Künstler und geistig rege. Elisabeth Walraf, seine Nichte und Nachfolgerin am Burgberg, führte dann viele Jahre hier eine Kunstweberei. 1968 hatte sie das Haus in die Hand der Studentischen Kulturgemeinschaft gegeben, die hier eine Tagungsstätte für Leute schuf, die fernab großstädtischen Getriebes Gespräch und Sammlung suchten. Die Eigentümerin starb am 8. Mai dieses Jahres mit der Gewißheit, daß dieses, ihr Ziel, bestens an diesem Ort verwirklicht wird.

Dafür bürgt vor allem die Tatsache, daß das Haus den Geist des Opus Dei atmet. Diese Gemeinschaft, 1928 in Spanien von Monsignore Escrivá de Balaguer, einem Doktor der Theologie, begründet, versucht, Einkehr und christliche Aktivität zu vereinen: Das Engagement soll Resultat der Besinnung sein. Balaguer, der Gelehrte, leistete seelsorgliche Arbeit in Landpfarreien und bei Armen und Kranken der Vororte und Hospitäler von Madrid.

In ländlicher Lage perfekt renoviert und restauriert:
Die Tagungsstätte Hardtberg, auch unter dem Namen Villa Becker bekannt.


Sinnfragen gestellt

Keine Frage: Gerade in einer Zeit, da auch Gesellschaftskritiker und Wachstumsfetischisten sich darauf besinnen, daß die Zukunft ohne Nachdenken über die eigene Existenz und den Lebenssinn kaum zu bauen ist, werden Stätten, wo solches Denken noch möglich ist, immer wichtiger.

Der Vorstandssektretär der Studentischen Bildungsgemeinschaft der Mediziner, Dr. Hans Thomas (Köln), will dabei auf jeden Fall der Gefahr entgehen, sich hier in einem akademischen Zirkel abzukapseln:

"Wir wollen begreifen, daß hinter jedem Menschen eine praktische Erfahrung steht."

Eine religiöse Nabelschau also wird es nicht geben, und die Tür der Villa steht jedem offen, der intensiver und tiefer leben will und deshalb das Gespräch sucht, das an diesem Ort nicht zum Geschwafel werden soll.

Das Opus Dei hat sich das Ziel gesetzt, Sauerteig für ein echtes christliches Leben in allen Bereichen zu sein. Religiosität wird jedoch nicht als Kirchenbindung
verstanden, wiewohl das Opus Dei 1950 den endgültigen päpstlichen Segen erhielt.

Aber schon die Tatsache, daß dieser Name öffentlich in Deutschland, im Gegensatz zu Spanien, kaum in Erscheinung tritt, zeigt, daß man der oftmaligen Verwechslung mit einer Ordensgemeinschaft entgegentreten will.

Während im öffentlichen Leben die Angst vor dem Denken und die Monotonie gestanzter Arbeitsabläufe zunimmt, soll in Kreuzweingarten über menschliche Grundlagen und Lebenssinn gesprochen werden.

40 Prozent der Tagungsteilnehmer sind nach der bisherigen Statistik Studenten, 30 Prozent Menschen im Berufsleben (nicht selten auch Manager), der
Rest Schüler und Jugendliche. Alle Teilnehmer sollen lernen, nicht nur zu nehmen, sondern auch zu geben.

Bürgermeister Schlösser überreicht Geschäftsführer Rolf Berens von der Studentischen Kulturgemeinschaft einen Scheck - guter Anfang für Kulturförderung.




Bedingungen vorzüglich

Die äußeren Bedingungen dazu sind jetzt vorzüglich: Vortragsraum, Bibliothek und Studienraum, mehrere Gemeinschaftsräume und eine Kapelle, in der Peter von Steinitz aus Kreuzweingarten eine Nachbildung des Wildunger Altars schuf. Diesen Altar des Konrad von Soest hat ein Student nachkopiert, der eigentlich zu Sprachstudien in der Bundesrepublik war, sich aber gerade für acht Mark die Stunde bei einer Firma verdingte. Thomas erfuhr, daß er Restaurator ist, sprach ihn an, und er konnte von da an für längere Zeit Geld mit künstlerischer Tätigkeit verdienen.

16 Erwachsene und 28 Jugendliche, zum Teil in übereinander liegenden Betten, können in der Villa untergebracht werden. Von nächster Woche bis Ende Oktober laufen Seminare für Gruppen, die zwei bis drei Wochen bleiben. Im übrigen Jahr sind kürzere Tagungen von drei Tagen bis einer Woche Dauer vorgesehen. Dr. Thomas ist auch nicht abgeneigt, eine frühere Tradition des Hauses fortzusetzen: Werke von Künstlern zu zeigen und sie zu Gesprächen einzuladen, wenn dazu Interesse vorhanden ist. Dies ist der Fall: Viele Kunstschaffende im Kreis beklagen gerade den fehlenden Kontakt mit Gleichgesinnten.

Prachtstück unterhalb der Veranda: Die Kapelle, in der ein Student eine Nachbildung des Wildunger Altars des Konrad von Soest schuf.

Bilder: Simon Rick


Sammlung Schulte, Kreuzweingarten




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