Von Wandleppern, Zigeunern und Juden in unserer Gegend |
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Von Heinrich Klein |
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Mit Auszügen
aus der Veröffentlichung |
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Als Nachkriegskinder der Jahrgänge 1948 bis 1952 wußten wir mit einigen Begriffen und Bräuchen unserer Väter nichts mehr anzufangen. Das war auch vielleicht gut so, denn die Nazizeit brachte einige gesellschaftliche und kulturelle Einbrüche in unserer Gegend. Ich kann mich noch gut erinnern, daß mein Vater mir erzählte, um zur Erlangung seines Meisterbriefes zu gelangen, war er gezwungen, in die Partei einzutreten. Vielen seiner Altersgenossen oder Berufsgefährten ging es ebenso und es wurde noch bis in die 80er und 90er Jahre im Dorfe ab und zu darüber geredet, daß dieser oder jener im Verein oder Dorfe mit dabei war. Überall trat somit der Nachkriegs-Kreuzweingartener auf Begriffe und Tabus und es ist heute (2002) kaum vorstellbar, wie viel fahrende Zigeuner, Kesselflicker, Alträucher, Korbmacher, Kirmesleute, Zirkusleute, sonstige Fahrende, Besenverkäufer und Teppichverkäufer es einmal in unserer Gegend gegeben hat, und es hat vereinzelt auch Juden gegeben. Erstere Gruppen betrieben ein nomadenähnliches Dasein und pflegten dabei ein ähnliches soziales System wie vielleicht einmal die die umherziehenden Viehtreiber der Jungsteinzeit, aber auch die wandernden Kelten- oder Germanenstämme besaßen. Vielleicht ist es evolutionsbedingt, daß sie irgendwann einmal auch als Bedrohung angesehen worden. Vielerorts wurden sie jedoch aufgenommen und gehörten zur damaligen Gesellschaft und zum Wirtschaftssystem. Manch eine Erinnerung an frühere Ereignisse bringt uns noch Besonderheiten unserer damaligen Gesellschaft ins Bewußtsein, manchmal können wir nicht direkt mit diesen Randgruppen umgehen. Bei Dr. J. Krudewig können
wir über Wandlepper entnehmen: Soweit die Ausführungen von Krudewig. Aus den Äußerungen meines Vaters konnte ich entnehmen, daß es noch in Arloff in den 30er Jahren Juden gegeben hat und er hat ihnen auch mehrmals mit kleineren Mehlmengen geholfen. Die Übergaben sollen in den dunklen Tagen spät abends direkt am Erftbache stattgefunden haben. Es gab auch einige Kontrollen durch den damaligen Dorfpolizisten und anonyme Anzeigen. Bei den Streifzügen durch den Hardtwald kam man auch an einem Judenkirchhof vorbei, der mitten im Wald gelegen, uns Jugendliche vor ein Rätsel stellte. Etwa zwischen Hubertuskreuz und Ringwall gibt es eine Flurbezeichnung Am Judenkirchhof, die Flurbezeichnung oberhalb des Bölzberg heißt ebenso Auf dem Judenkirchhof. Mir selbst ist noch eine Stelle in Richtung Hardtburg bekannt, an der man noch eine Umzäunung sah, an Grabkreuze kann ich mich nicht mehr genau erinnern. Es soll noch bis Ende der 30er Jahre (1) Jude(n) in Arloff gegeben haben, erzählte mir ebenso mein Vater. Die Bezeichnung, die er wählte, war allerdings nicht Jude, sondern 'ne Jödd. Einzelheiten hat er mir nie erzählt; er war schwerhörig und bekam viele Dinge aus der damaligen Zeit nicht mit, wenn irgendwo versteckt hinter der Hand geredet wurde. Eine Vorliebe hatte mein Vater gegenüber einem einzelnen Fahrensmann, der immer mit kleinem Pferdchen und Wägelchen bei ihm in der Mühle vorbeikam und sich Hafer fürs Pferd kaufte. Dazu gab es immer auch einen Eimer Wasser. Dieser alte Mann mit Pferd hatte etwas sehr Natürliches an sich und wich eigentlich von unserem Zigeunerbild ab, er war eher wie ein Eifelbauer auf Reisen. Es hat auch seinerzeit noch einige nach dem Kriege Heimgekehrte gegeben, die auf der Suche nach einer Mahlzeit bei uns klopften. Sie wurden meistens in unsere Küche hineingeführt und bekamen einen Kaffee vorgesetzt. Dann wurden ihm ein paar Brote gemacht und noch einige mit auf den Weg gegeben, meistens noch 1 oder 2 Eier hinzu. Später kamen solche Heimkehrer immer seltener und am Schluß ist mir noch jemand gegenwärtig, der schon gar keine Butterbrote mehr haben wollte und nur auf Geld aus war. Dies war fast schon der letzte seiner Art an unserer Türe. Mit in diese Kategorie gehörten Besenverkäufer oder Aufnehmervertreter, und solche mit Knöpfen und Gummibändern im Bauchladen. Irgendwo habe ich gelesen, daß noch bis Anfang des 19. Jahrhunderts die Landstraßen voll gewesen sein sollen von diesen Wanderverkäufern mit einer Kiepe auf dem Rücken. Vielfach waren dies jedoch auch kleine Bauern, die in die Städte zum Markt zu Fuß gingen. Etwas mulmige Gefühle hatte ich damals Zigeunern gegenüber, die meistens zu zweit, dritt oder viert an die Türe kamen, oder die Toilette im Hof besuchen wollten. Meine Mutter hat einmal eine erwischt, die in der Zwischenzeit sich im Schlafzimmer im 1. Stock des Hauses zu Schaffen gemacht hatte. Danach wurden sie nicht mehr ins Haus gelassen. Meistens erbaten sie sich jedoch Wasser in mehreren Behältern, die sie mit sich führten. Quartier hatten sie etwa 250 m in der Steenkuhl bezogen, einem Steinbruch in Richtung Rheder, der zur Verbreiterung der B 51 angelegt worden war. Weiter oberhalb dieses Steinbruches gab es noch einen Ort, direkt vor dem heutigen Euskirchener Wasserwerk, dort stand direkt nach dem Kriege ein Haus. Und noch vor dem Steinbruch gab es die kleene Steenkuhl etwa 150 von unserem Haus entfernt. Dort stand öfters der obige Fahrensmann. Erinnerungen an solche Bilder werden heutzutage noch wach, wenn man in modernen Fußgängerzonen an jemand vorbeigeht, der Futter für die Tiere sammelt, oder anläßlich eines Zirkus- oder Zoobesuches. Wenn auch wir Kinder gegenüber solchen gesellschaftlichen Randgruppen ängstlich oder mit Vorurteilen versehen erzogen wurden, so mögen doch heute Umweltschützer, Grüne, Green Peace usw. unsere Gesellschaft immer wieder auf diese Außenstehenden hinweisen. Mir ist noch aus den 90er Jahren bekannt, daß in Euskirchen Familien im sogenannten Rosental wohnen, in Kölner Stadtteilen Bilderstöckchen und Bickendorf ebenso, deren Herkunft offenbar auf alte Gesetze der Handeltreibenden oder Zigeuner beruhen. In Stotzheim soll es einst neben den Wandleppern die sogenannten Fullemer gegeben haben, worauf jedoch diese zurückzuführen sind, ist momentan nicht bekannt. Manche modernen Zigeuner sieht man heutzutage mit modernen Wohnwagen und großen Zugfahrzeugen unterwegs. Oft sieht man zahlreiche Wohnwagen in Süddeutschland zu mehreren zusammenstehen, und meine Erinnerungen und Gedanken schweifen zu den Nomadenstämmen der Jungsteinzeit, die einst am Erdwerk der Straße nach Billig sich niederließen. Und es wird uns die Weite unserer Geschichte, unserer heutigen Nomaden, der Königtümer, unserem Mittelalter oder den Orient, der Keltenzüge, der Germanenwanderung und Kreuzzüge bewußt. |
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