Oberstudienrat Wilhelm Günther

Zur Geschichte des Weinbaus am Nordabfall der Eifel


Der Wanderer, welcher heute die sanften Hügelketten am Nordhange der Eifel zwischen Rur und Erft, mit ihrem milden Klima und ihren fruchtbaren Böden eine der gesegnetsten Landschaften des Rheinlandes durchwandert, ist sich in den meisten Fällen nicht bewußt, daß dieser Landstrich im Mittelalter einmal zahlreiche Weinorte mit weitgedehnten Weinbergen aufwies und daß er geradezu das Zentrum eines Weinbaues war, der seine Ausläufer nach Süden bis weit in die rauhe Eifel sandte, während er nach Norden, freilich immer vereinzelter werdend, über M.-Gladbach bis in die Gegend von Xanten hinausreichte. Abgesehen von den verstreuten urkundlichen Nachrichten über diesen Weinbau künden zahlreiche Flurnamen, die mit Wingert zusammengesetzt sind, von diesem untergegangenen Wirtschaftszweig. Einige Einzelheiten hierzu sollen die folgenden Ausführungen bieten.

Zwei Mittelpunkte des Weinbaues lassen sich herausstellen, einmal das Gebiet am oberen Neffelbach und Rothbach, also im Südteil der Zülpicher Börde, sodann das Rurtal aufwärts von Düren. Daneben hat man vereinzelt Weinbau in dem ganzen Gebiet zwischen der Swist und der heutigen belgischen Grenze getrieben, so in Burtscheid bei Aachen, bei Münstereifel und im Bereich des Swistbaches bei Meckenheim, Rheinbach und Odendorf.

Eine besondere Ausdehnung nahm der Weinbau, wie oben gesagt, am Abfall der Eifel zur Zülpicher Börde ein. Er hat hier offenbar ein hohes Alter. Ob er schon in römischer Zeit getrieben wurde, wie der verdienstvolle Erforscher der Bade, (Börde? - H.K.) Pfarrer Pohl, gestützt auf Darstellungen von traubengeschmückten Rebenzweigen an den Matronensteinen von Gödersheim, annimmt, ist möglich. In karolingischer Zeit wurde Weinbau im Bereich der Königspfalz Zülpich getrieben. Er hat im Spätmittelalter, vor allem infolge der Bemühungen der Klöster, aber auch der Jülicher Landesherren sich erheblich ausdehnen können. Hierzu einige Einzelheiten!

In Frangenheim ist Weinbau 1502 bezeugt. Weitere Weinberge lagen 1514 zwischen Froitzheim und Ginnick, woselbst sich auch ein Kelterhaus befand. Noch 1716 besaß der Kurfürst von der Pfalz, der damalige Landesherr von Jülich-Berg, um Ginnick 19 Morgen 1 Viertel 2 Pinten Weinberg. Für Muldenau läßt sich der Weinbau bereits 1334 feststellen, in welchem Jahre der Abt von Kornelimünster „am Graisberg zu Pyssenheim“ einen Weingarten kauft. Im Jahre 1716 besaß der Kurfürst hier 6 Morgen 1 Viertel 2 Pinten Weinberg. Mehrere Weinberge rings um diesen Ort herum zeigt auch die Tuschzeichnung von Roidkin vom Jahre 1726. Ein Mittelpunkt des Weinbaues war geradezu das nahegelegene Embken mit zahlreichen Nachrichten aus dem 14. bis 16. Jahrhundert. Der Wollersheimer Wein scheint dem Embkener nichts nachgegeben zu haben. Wie das Wollersheimer Weistum im Hist. Arch. der Stadt Köln berichtet, erhielt der Lehnsmann des dem Kloster Maria im Kapitol zu Köln gehörigen Hofes zu Wollersheim, wenn er seine Jahrespacht entrichtete, ein Essen von fünferlei Gerichten, die Teller so voll, daß das Essen drei Finger über den Bord reichen mußte, dazu besten Wollersheimer oder Embkener Wein soviel und solange, bis ein mit Stroh und Holz gespicktes Rad verbrannt war. Dann mußte er durch eine 7 Fuß breite und 7 Fuß hohe Türe gehen. Hielt er sich dabei am Türpfosten fest, so verfiel er wegen Trunkenheit in Strafe. Auch in Bürvenich und Eppenich blühte der Weinbau.


Weinberg in Winden bei Düren, 1911 - R. Ophoven


Noch 1716 besaß der Kurfürst in Bürvenich 6 Morgen 1 Viertel 2 Pinten Wingert, endlich in Schwerfen 3 Morgen 3 Pinten.

Wie beträchtlich der Weinbau in Bürvenich und Schwerfen war, ist auch daraus zu ersehen, daß um 1500 aus den Kermeter-Schlagbüschen bei Gemünd jährlich die Rahmen von 36 Morgen als Wingertpfähle für Bürvenich und Schwerfen zu liefern waren. Seit 1557 wird die Zahl auf 30.000 Rahmen im Jahr, seit dem Ende des Jahrhunderts auf 14.200 und seit 1623 auf 3.730 Stück festgesetzt, woraus ersichtlich ist, daß der Weinbau seit der Wende vom 16. zum 17. Jahrh. allmählich zurückging. Vielleicht sind klimatische Veränderungen hierfür die Ursache. Die Weinberge werden bis ins 18. Jahrh. vom Kurfürsten auf 12 Jahre gegen die Hälfte des Ertrages an Trauben verpachtet.

Wenden wir uns nun dem Weinbau im Rurtal zu! Auch hier ist die Kultur der Weinrabe uralt. Die vineae von Winthere, welche zwischen 1064 und 1075 aus dem Besitz der Grafen von Hengebach An Erzbischof Anno von Köln übergingen, sind wohl sicher Weinberge in Winthere an der Rur, wo die Hengebacher Besitz gehabt hatten. Im 14. Jahrh. spätestens hat sich der Weinbau bis nach Heimbach hinauf ausgedehnt. Der Trunkwein, der den Neuvermählten an der Schloßpforte zu Maubach seit 1343 ausgeschenkt wurde, stammt sicher aus einheimischen Kreszenzen, ebenso wie die seit dem Ausgang des 15. Jahrh. nach offenbaren regelmäßigen Weinspenden an Pastor, Offermann, Pförtner, (xxx?)binder und die Förster an den Festtagen des Jahres durch den (xxx?)grafen.

Wertvolle Hinweise zum Weinbau zwischen Heimbach und Abenden geben die Heimbacher Burggräfereirechnungen, in denen der Zehntwein notiert wurde. Es handelt sich um weißen, meist aber roten Wein. In der Menge des Ertrages konnte er sich nicht mit dem Weinbau von Schwerfen messen. Während der Heimbacher Weinzehnt im Jahre 1513/14 3(xxx?-Fuder?) 4 Ohm 5 Viertel betrug, lieferte Schwerfen im gleichen Jahr 10xxx (Fuder?) 3 Ohm 10 Viertel Zehnt. Immerhin brachten gute Jahre wesentlich (xxxmehr?) so 1584 15 Fuder 4 Ohm 11 Viertel. Auch der Pfarrer von Heimbach bekam seinen Zehntwein, den er im Jahre 1559 mit 4 oder Ohm a(ngab?) In manchen Jahren mußte man sich auch der die Reben plündernden (Diebe?) erwehren. Hierfür wendet der Burggraf 1516 „2 Pont pulffers“ auf. (Es?) erfroren die Reben, ja sogar die Weinstöcke, so 1598, 1600, 1608, (?), 1615 und 1616. Im 17. und 18. Jahrh. geht überhaupt der Weinbau zurück und der Zehnt erreicht manchmal nur wenige Ohm oder sogar nur (?) Quart. Im Jahre 1788/89 betrug er 1 Ohm 6 Maß. Der Weinbau war offenbar im Erlöschen, als die Franzosen 1794 einrückten, den(en die?) Überlieferung seit alters, aber wohl übertreibend, die mutwillige (Zer-?)störung der Weinstöcke zugeschrieben hat. Immerhin hat es in Hei(mbach?) und Hausen, vor allem am Hundsauel, wo die alten Wingertster(rassen?) deutlich sichtbar sind, noch etwas Weinbau bis um die Mitte des 19. Jahrh. gegeben. Die Pfarrei Heimbach hat 1839 noch ¾ Morgen Weingärten. Zuletzt hat das Kloster Mariawald bis vor einigen Jahrzehnten einen kleinen Wingert am Mühlenberg kultiviert, der aber junger Anlage(n wich?).

Von Heimbach ist der Weinbau im Spätmittelalter die Rur und die (xxx) aufwärts gedrungen, wie der Wingertsberg bei Woffelbach und bei Wingertsley bei Monschau zeigen. Um 1300 sind in der Nähe des d(xxx?) zu Steinfeld gehörigen Hofes Malsbenden unweit Gemünd zwei Weinberge angelegt worden, von denen die Flurnamen Wingertchen und Wingertsberg zeugen. Diese Anlagen waren freilich im 16. Jahrh. wieder(xxx?) gegeben. Noch kurzlebiger werden die Versuche gewesen sein, die die Klöster in weit rauherer Lage, etwa das Kloster Steinfeld ar(xxx) „Wingertsheck“ bei Krekel, unternahmen. Auch im Rurtal unterhalb von Nideggen künden noch manche Flurnamen von alten Weinbergen.

Bis an die Schwelle der Gegenwart hielt sich der Weinbau bei (xxx?) und Üdingen, von dem schon mehrfach in der Literatur berichtet wurde (vgl. auch Zschft. „Die Eifel“ 1953 S. 150 und 1954 S. 138), so daß ich (xxx?) auf wenige Bemerkungen beschränken möchte. Nach der Erwähnung im 11. Jahrh. (siehe oben) können wir wohl den frühmittelalterlichen Ursprung des Weinbaues um Winden annehmen. In Jülicher Zeit unterstanden die Wingerte der Kellnerei Nideggen. Im Jahre 1716 verpachtete der Kurfürst hier 7 Morgen 1 Viertel Weinberg gegen die Hälfte der Trauben. In guten Jahren wuchs hier wirklich ein feuriger roter Wein, „echter Windener Burgunder“, wie die Beschlußbücher der Gemeindevertretung Winden noch 1860 betonen, ein Wein, der in der Tat von Gastwirten in Köln und Aachen als Burgunder verkauft wurde. Hier bestand der Schregelsche Weinberg noch um 1915. Wenn auch dort der Weinbau trotz aller Bemühungen, z.B. des Dürener Landrats Kesselkaul in den Jahren 1910-1912, erloschen ist, so tragen verschiedene Ursachen die Schuld: Konkurrenzunfähigkeit gegenüber den durch erhöhte Pflege verbesserten Mosel- und Rheinweinen, wachsende Gefährdung durch die Reblaus und vor allem die Abwanderung zur Industrie, mit deren Löhnen der Weinbau nicht wetteifern konnte. Noch aber künden zahlreiche Flurnamen, Ruinen von Weinberghäuschen, verbliebene Einzelrebstöcke und vor allem die Berichte der ansässigen Bewohner von diesem erst vor kurzem verschwundenen letzten Rest einer sicher tausendjährigen Rebkultur am Nordhang der Eifel.


Landschaft bei Weingarten a.d. Erft - W. Illigen


Quelle: Eifel - Jahrbuch 1958
Sammlung Hans Regh
Edition Dezember 2002 H.K.
(xxx = beschädigte Vorlage, es wurden angenommene Wortergänzungen gebraucht, zwischen den Worten Wenden und frühmittelalterlichen) - Korrekturen aus Originalvorlagen zwischen den beiden Fettgedruckten Worten erbeten.


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