Unser Heimatbund

Von Fritz Müller, Kreuzweingarten


Ringsum von bewaldeten Höhen eingeschlossen, da, wo die Erft die letzten Eifelberge durchbricht, um sich in der Ebene in nördlicher Richtung ihren Lauf zu suchen, liegt friedlich und still das Dörfchen Kreuzweingarten. Diese Ruhe wird nur gestört von einem kaum unterbrochenen Durchgangsverkehr von Euskirchen über Münstereifel weiter in die Eifel hinein und umgekehrt. Wie im Schatten beider Städte blieb es bisher unberührt sowohl von jeglicher Industrie, die der Kreisstadt ein eigenes Gepräge gibt, als auch von einem größeren Kurbetrieb bzw. Fremdenverkehr, der Münstereifel zu beachtlicher Höhe aufsteigen ließ. Und doch birgt dieses von altersher beliebte kleine Dorf eine reiche Fülle nicht nur an landschaftlicher Schönheit, sondern auch vor allem von bedeutsamen Zeugen aus geschichtlicher Vergangenheit. Beides läßt sicherlich auch die heutigen Bewohner des Dörfleins mit berechtigtem Stolz, aber auch einer gewissen Ehrfurcht ihren Heimatort besonders lieben und wertschätzen.

Wo könnte ein von Hast und Unruhe geplagter Mensch unserer Zeit zuweilen besser zu einer aufrichtigen und aufrichtenden Besinnlichkeit zurückfinden, als in der altehrwürdigen Kreuzkirche auf dem Kalvarienberge, die in vergangenen Jahrhunderten so manchen Pilgern Einlaß gewährt hat? Über 700 Jahre schon zieht sie fromme Beter in ihren Bann, und war es somit eine Verpflichtung der noch Lebenden, daß sie vor Jahresfrist eine stattliche Anzahl von achtzehn alten Grabkreuzen aus früheren Jahrhunderten vor dem völligen Zerfall schützten und an der Südseite des BergkirchIeins zu beiden Seiten einer in die Kirchenwand eingelassenen romanischen Grabplatte aus der Zeit um 1200 aufstellten.

Wo könnte der für römische Baukunst interessierte Heimatfreund besseren Einblick nehmen in die antike Technik als an der am Südhang der Paffenhardt auf weiter Strecke freigelegten römischen Wasserleitung, dem bekannten Römerkanal? - Und ein Blick hinüber zum Antweiler-Kalkarer Becken: welch' reiche und seltene Pflanzenwelt birgt heute noch das Kalkarer Moor, das den Naturfreund immer wieder anzieht! Dieses sollten nur einige Hinweise sein für jene Menschen, die heute noch ansprechbar sind für die unzählbaren kleinen und großen Wunder, welche unsere engere Heimat birgt und demjenigen hütet und offenbart, der sie zu erleben anstrebt.

So führt uns ein Weg auf die jenseits der Erft liegende Höhe, den Alten Burgberg, zu einem Baudenkmal aus der Frühgeschichte, dem ältesten des Kreises Buskirchen. Wir haben vom Dorfe aus die Erft überquert und nähern uns dem Bahnübergang in Richtung auf den Hardtwald. Ein neubeschriftetes Wegeschild am Bahnhof weist hin auf die kurkölnische Landesfeste Hardtburg und den Keltischen Ringwall. In halber Höhe biegen wir vom Hardtweg rechts ab, und ziemlich steil führt der Waldweg nach oben an das Hochkreuz auf Bergeshöhe, ein Wahrzeichen des Ortes als Stätte jahrhundertalter Verehrung und Wallfahrt zur Reliquie des HI. Kreuzes auf dem Kalvarienberge inmitten des Dorfes. Hoch ragt dieses Kreuz zum Himmel empor - und dann hält den Beschauer ein einzigartiger Blick gefangen hinunter ins Erfttal mit seinen saftigen Obstwiesen und dem schmucken Dörflein und weit hin über die Höhen der Voreifel. Dieser Anblick atmet Gottes freie Luft und Frieden und läßt einen für den Augenblick vergessen, daß von jeher bis auf unsere Zeit das Leben der Menschen stärker gezeichnet ist von Kampf als von solcher Harmonie.

Die wenigen Überreste unseres Ringwalles erinnern an Kriegszeit: Kampf des Einzelnen wie auch von Völkergemeinschaften um Erhaltung und Sicherung des Lebens. Dies war bei den Menschen der Vorzeit nicht weniger von Bedeutung, als es zu unserer Zeit die Völker in ihrem Selbstbehauptungskampf erstreben. Dieses Ziel ist durch Jahrtausende das gleiche geblieben, wenn auch die Art und Weise des Kampfes sich mit der Zeit gewandelt hat. So dürfen wir in dem Ringwall von Kreuzweingarten eine Verteidigungsanlage sehen, die in vorrömischer Zeit vermutlich von Bewohnern unserer engeren Heimat als Zufluchtsort bei feindlichen Angriffen erbaut worden ist. (Hier sei verwiesen auf die Ausführungen v. Pfr. Reinartz über den Ringwall an anderer Stelle dieses Kalenders.)

Nicht unerwähnt soll das frühere Haus Broich bleiben als jetzige Niederlassung der Schönstätter Marienschwestern. Abseits von Hast und Verkehr führen Wege, die an verschiedenen Punkten einzigartige Ausblicke aufs Dorf und in die Umgegend freigeben und an denen Bänke zum Rast,en aufgestellt sind, durch den Broicher Wald bzw. das Mersbachtal dorthin. "Maria Rast", eine Stätte des Gebetes zur Gottesmutter und der Erholung.

Wenn nun unser Dorf diese Schätze einer wirklich landschaftlichen Bevorzugung und einer bis in die Frühzeit zurückreichenden geschichtlichen Tradition birgt, wie beides im Rahmen dieser Ausführung nur andeutungsweise gestreift wurde, so erwachsen daraus seinen Bewohnern auch besondere Aufgaben in der Heimat und Volkstumspflege. Aus dieser Verpflichtung heraus und auf Anregung des früheren Ortspfarrers Reinartz kam es vor drei Jahren zur Gründung des hiesigen Heimatbundes. Es ist dies kein neuer Ortsverein, der zu den schon bestehenden hinzu gekommen ist, und soll es auch nicht sein. Er soll vielmehr in seinem Endziel alle Dorfbewohner zusammenführen und verbunden halten in ständigem Bemühen und Wirken um die "Verschönerung des Ortsbildes, Gestaltung des angrenzenden Waldes zum Erholungsaufenthalt durch Pflege und Beschilderung von Wegen und Schaffung von Ruheplätzen, Erhaltung und Schutz der geschichtlichen Denkmäler sowie Pflege des überkommenen Brauchtums" (Satzung § 1). Es ist eine lohnende und bedeutungsvolle Arbeit gerade in unseren Tagen, in denen sich eine tiefgreifende Umgestaltung unseres Lebens vollzieht durch den rastlosen Fortschritt der Technik. Fast könnte man meinen, daß alles Überkommene nichts mehr gelte und verloren gehe, ein Gedanke, dem wir uns nicht hingeben wollen. Das wäre ein Aufgeben, dem der Heimatbund eine bewußte Hinwendung zu dem von unseren Ahnen Überkommenen entgegensetzen möchte, um daraus zu einer Form des dörflichen Lebens zu finden, wie sie auf unsere heutige fortschrittliche Zeit paßt.

Für seine engere Heimat und in ihr tätig zu sein, setzt voraus, daß wir sie kennen und von ihrer Geschichte wissen. Der Heimatbund soll also den Dorfbewohnern die heimische Geschichte vermitteln und sie an den überkommenen Denkmälern, Sagen, Legenden, Liedern und Flurbezeichnungen, Schriften und mündlichen Überlieferungen wach und lebendig halten. Das Wissen um sie ist schon ein Band, das sich um die Gemeinde legt und dem Einzelmenschen ein Gefühl des Geborgenseins in seinem Dorfe gibt. Dieses Gefühl einer heimatlichen Geruhsamkeit ist ferner dann auch eine der Grundlagen zur Persönlichkeitsbildung in unserer Volkstumsarbeit. Der Blick und die Auffassung des Dorfmenschen in seiner verhältnismäßig kleinen, aber nun bekannten, lebendigen und vor allem überschaubaren Dorfwelt werden urteilssicher, und die Gefahr, zum Massenmenschen zu werden, ist in etwa gebannt. Das kann nicht heißen, daß damit der Blick des dörflichen Menschen eingeengt werden solle, im Gegenteil, er wird wacher und aufgeschlossener auch für das Geschehen außerhalb des Dorflebens draußen in der Welt, wenn es auch dann nicht immer nur kritiklos hin genommen wird.


Kreuzweingarten
Photo: Carl Brandt


Eng verbunden mit dieser Geschichts- und Volkstumspflege ist immer auch die Jugendpflege. Gerade hier, und heute erwächst dem Heimatbund eine wertvolle und dringliche Aufgabe. Nicht alles, was die moderne Zivilisation heute auf das Dorf ausstrahlt, kann als gut aufgenommen werden, ebenso wenig wie alles Überkommene nun mit allen Mitteln als wertvoll festgehalten werden muß. "Es gilt nicht allein das Alte zu bewahren, es gilt noch mehr, das Überkommene den neuen Gegebenheiten anzupassen und aus unserer Zeit heraus neue Formen der Gemeinschaftskultur zu entwickeln. Jede Zeit ist nicht nur Nachfahre, sondern auch Ahne der kommenden Geschlechter." - "Ausbildung eines lebendigen Geschichtsbewußtseins, Schutz vor der Vermassung, Pflege der Persönlichkeit sowie Ausbildung einer neuen, zeitgemäßen Gemeinschaftskultur" (Klersch "Die Aufgaben der Heimat und Volkstumspflege in der Gegenwart". Schriftenreihe des Rheinischen Heimatbundes) sind Bereiche, denen der Heimatbund seine Aufmerksamkeit schenkt und um deren Verwirklichung er sich nun schon drei Jahre müht.

Der Heimatbund berührt somit eine Vielzahl von Arbeitsgebieten, daß praktisch das gesamte dörfliche Leben mit all seinen Bewohnern erfaßt werden müßte. Der Einsatz des Einzelnen ist ebenso vielfältig wie doch immer auch von einer persönlichen Note und einer persönlichen Bereitwilligkeit getragen und abhängig. Je tiefer und klarer das Bestreben des Bundes erkannt und verstanden wird, umso größer müssen eigentlich die Bereitschaft und das Mittun werden. Es ist notwendig, sich in kurzen Zeitabständen zusammenzufinden, um die dörfliche Gemeinschaft wirklich zu praktizieren und zum Erleben zu bringen. Zur Gestaltung dieser Abende tragen alle diejenigen bei, die für das jeweils Vorgesehene in der Lage und bereit dazu sind. Es wechseln in bunter Folge Feierabende mit belehrenden und geselligen Zusammenkünften sowie Aussprache und Vorführungsabende mit geplanten und notwendig erachteten praktischen Arbeiten im Dorf selbst oder außerhalb in der nahen Umgebung. Wir wollen die Anforderungen nicht zu hoch stellen, wesentlich aber ist das Bemühen möglichst vieler im Dorfe aus voller und eigener Kraft in aufrichtiger, Gemeinsamkeit, Jugend und Alter, Kirche, Gemeinde und Schule.


Entnommen: Heimatkalender für den Kreis Euskirchen 1954


Texte und Veröffentlichungen Kreuzweingartens ©

Zurück zur Indexseite
© Copyright woengede