Kreuzweingartener Humor aus früherer Zeit

Von Fritz Müller, Kreuzweingarten


Wenn man im Dorf herumhört, erfährt man noch allerlei lustige und verwunderliche Dinge aus vergangener Zeit. Wie hellt sich das Gemüt des alten Mütterchens auf, wie leuchten die Augen und wie schnell ist die Zunge gelöst beim alten Opa, wenn die Erinnerung an früher geweckt wird! Des Zuhörens wird einer nicht müde, und oft schallt ein Lachen so richtig von Herzen durch die stille Stube.

Dazumal gab es wohl kaum ein Dorf, in dem nicht das eine oder andere Original seine spaßigen Blüten trieb. Wie angeregt und nicht selten geheimnisvoll mag geplaudert worden sein abends in der Dämmerstunde. Welche Behaglichkeit und welch stilles Glück mag auch das „Nobere“ (von Nachbar) hervorgezaubert haben.

Ist es nicht schade, daß so manche köstliche Erinnerung aus füherer Zeit von vielen alten Leuten mit ins Grab genommen zu werden droht?

So dachte ich mir, daß auch in unserm Dörfchen Kreuzweingarten noch Anekdoten wach sein würden.



Kommt da zu Pfarrer Fischbachs Zeit der Manes, ein ehrenwerter Bürger des Nachbardorfes Kirspenich, auf einem Hochrad - es war wohl eins er ersten Vehikel dieser Art in hiesiger Gegend - mit Eleganz und Schneid in die Kurve an der Münstereifeler Straße gefahren, während der Herr Pfarrer auf seinem Gang durch die Gemeinde vom Münsterberg her just im selben Augenblick die Straße kreuzen will. „Grüß Gott!“ ruft leutselig der Pfarrer herüber und macht Anstalten, als ob er den Manes unbedingt einmal sprechen müßte. Dieser verlangsamt sein „Mordstempo“, landet glücklich beim Herrn Pastor, und nun er wieder Boden unter den Füßen hat, fragt er Hochwürden nach Wunsch und Begehr: „Noh, Herr Pastur, wie kann ich üch dann zu Deenste senn? Ös et jett Wichtijes?“ „Och“, sät dä Häe, „Manes, esu wichtig ös et jrad net, ich sog dich des Wägs gefahre komme un hann nu jesehn, wie du von dem Denge jeklomme bös, nu möch ich ävver och noch sehn, wie du wohl wedde op dat Gestell mags komme!“ Ein verschmitztes Lachen beiderseitig, ein freundschaftlicher Händedruck, und beide zogen weiter ihres Weges.

Die nächste Geschichte ist so wahr wie das Leben selbst. Ich zweifele ncht daran, daß gerade in Weingarten in früherer Zeit manch durstige Kehle gewesen sein mag. Wie heißt es doch in der Weingartener Zukunftsmusik?: „Em Wöngert ahn der Paafenhard, deiht e Tröppche ganz apaat; dat schmeckt fein on wied bekannt wick on breet em ganze Land.“ Aber unsere Begebenheit trug sich nach der weinseligen Zeit zu, als man bereits im Kartoffelschnaps billigen Ersatz gefunden hatte. Gerät da ein ehrenwerter Bürger der Gemeinde, der besagtem Schnaps über die Maßen zugesprochen hatte, zu später Nachtstunde vom Wege ab und landet unglücklicherweise im Mersbach, wo er am nächsten Morgen - Gott sei es geklagt - tot aufgefunden wird. Der Herr Pfarrer nimmt diesen bedauerlichen Vorfall zum Anlaß, seine Schäflein eindringlichst vor dem übermäßigen Genuß des Alkohols zu warnen, man habe ja erfahren, zu welch schlimmen Folgen er führen könne. Meldet sich da nach einem Augenblick eindrucksvoller Stille jemand aus der Zuhörerschaft und meint: „Herr Pastur, dat mag jo es senn, ävver ich meene, weniger der Alkohol als dat Wasser woe schold dran, dat dä jode Drekes zu Duet komme ös.“

Der alte Zetteler, dazumal Landwirt in Arloff, hatte schon immer seinen Ärger gehabt auf seiner Ackerparzelle zwischen Weingarten und Kalkar. Immer wieder und jedes jahr neu entstand dieser Trampelpfad von der einen Ecke querüber zur andern, und wenn ich recht unterrichtet bin, ist es bis in unsere Zeit noch so. Ja, die Kalkarer Schulkinder konnten mit Tagen garnicht gut auf dem eigentlichen Wege nach Weingarten zur Schule kommen, der führte weiter ab und war zudem nach Regentagen kaum begehbar. Also wählten sie jedes Jahr kurz entschlossen den kürzeren und mehr trockenen Weg über Zettelers Acker querfeldein. - Nun trug es sich zu, daß eines morgens der Herr Pfarrer dieses Pfades kam, nachdem er in Kalkar Gottesdienst gehalten und sich nun auf dem Heimwege nach Weingarten befand. Der alte Zetteler aber war auch schon mit dem Pfluge auf seinem Acker und trieb sein Ochsengespann mit einem herzhaften und recht lauten: „Hü - ha - hott“ durch die frischgepflügten Furchen. „Das trifft sich gut“, dachte unser Bäuerlein, „werde mal mit dem Herrn Pfarrer darüber sprchen.“ Sie kommen auch bald nach herzlicher Begrüßung zum Thema Trampelpfad. „Herr Pastur, saht üe doch ens dä Könde, dat se net emmer över die Parzell john solle, et ös jo schlömm, emmer lofen sie mir he över dat Stöck.“ - „Hürt ens, Zetteler“, säd do dä hochwürdige Häe, „dat jeht jo net jot, wie kann ich dat dä Könde dann sage, wo dä Pastue selever över dat Pädche jeht!“

Ein Händler aus dem Nachbardorfe - genannt „Hohnde Spelles“ - ist eines Tages mal wieder im Ort. Mit seiner Kiepe auf dem Rücken geht er seinem recht mühevollen Geflügelgeschäft nach, als er auch dem Herrn Pfarrer begegnet. Wie immer, werden einige freundschaftliche Worte gewechselt, und nach einer kurzen Zwiespache meint der Herr Pastor: „Tja, do rees due de Lövve lang met dä Kiep om Röcke dörch die Weltgeschichte. Dat soll mie at sujet senn.“ Scherzhaft fährt er dann fort: „Ich wöß e besser on einträglicher Geschäff für dich.“ Gespannt, was der Herr Pfarrer wohl meinen könnte, fragte Hohnde Spelles: „On dat wäe, Herr Pastue?“ - „Tja, Hohndeköttele ze Waas (Wachs) käue, ich meene, dat brät dir mie enn.“ Ganz so scherzhaft, wie es gemeint war, wird der Rat von Hohnde Spelles aber nicht aufgefaßt; spornstreichs setzt er seinen Weg fort und hält sich zunächst für bedient.

Als dann nach einiger Zeit Pastors Nachbar Emonds für eine Festlichkeit im Pfarrhause einen Hasen beim Hohnde Spelles erstehen soll, wäre der Weg ins Nachbardorf um Haaresbreite vergebens gewesen.

„Dä kann von mir kene Has mie hann, em Levve net mie, nee, dä net!“ - „Nanu, da muß doch irgend etwas nicht stimmen“, denkt unser Nachbar. Nach längerem Hin und Her packt Hohnde Spelles dann endlich aus, und ein gewisser Groll tritt sehr deutlich zu Tage. Nachbar Emonds lacht sich im Stillen eins, beschwichtigt aber, was er kann, und führt an Überredungskunst ins Feld, was er daran besitzt. Es ginge doch wohl nicht an, daß er ohne einen Hasen den Weg zurückmachen müßte. Nun, da war es soweit: „Eigentlich soll dä Häe en jo net hann - äve - däh, - holl en möt, äve nur dä ene!“ Und damit kam der Hase ins Pfarrhaus, die Begebenheit ans Tageslicht und von Nachbar Emonds auch ins Dorf.

Wie es im Leben so ist, gibt es doch immer mal Tage, an denen die Arbeit nicht recht gelingen will. So einen Tag hatte Meister Roggendorf. Die Werkstattstür stand weit offen, und wenn ein mächtiges Hämmern nach außen klang, war ein ebenso kräftiges Fluchen dabei nicht weniger hörbar. Gerade in dem Augenblick, als sich ein mächtiger Hammerschlag mit einem gewaltigen Gepolter und einem dichtauf folgenden Kraftausdruck zu einem harmonischen Dreiklang zusammenfügte und bis hinaus zur Straße drang, erscheint in der Tür der Herr Pfarrer vom Nachbardorf, wie er häufiger im Dorf zu sehen war, begleitet von seinen vier prächtigen Windspielen. „Nun, Meister Roggendorf, es scheint heut' nicht alles glatt zu reißen bei der Arbeit? Aber dann flucht einer trotzdem doch nicht so!“ - „Ja, ja, Herr Pfarrer, üe hät schon räch, ävver wenn enem ald drei Räder zo Bruch jejange senn wie mir höck, dann möch ich wesse, off dä Herr Pastur dann noch ohne ze floche zeräsch käm!“


Entnommen: Heimatkalender für den Kreis Euskirchen 1955


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