Die Hardtburg

Von Heinz Firmenich

Eine einmalige Wasserburganlage im Rheinland


Unweit von Stotzheim (Kreis Euskirchen) liegt in der „Hardt“, einem Bergwalde des Forstamtsbezirks Ville, versteckt die wasserumgebene Ruine der Hardtburg. Die erst 1969 vom Staatshochbauamt Köln unter Mitwirkung des Landeskonservators Rheinland wieder aufgenommenen Instandsetzungs- und Sicherungsarbeiten denkmalpflegerischer Art veranlaßten den Verfasser, über die im ersten Bauabschnitt durchgeführten, noch im Arbeit befindlichen und die im nächsten Jahr geplanten Restaurierungsarbeiten der Forstverwaltung des Landes Nordrhein-Westfalen zu berichten.


Renier Roidkin, Hardtburg (um 1720)
Foto: Kreisbildarchiv

Zunächst soll ein kurzer historischer Abriß dieser im Typ einmaligen Wasserburganlage im Rheinland auf Grund historischer Quellen und der Testgrabung des Landesmuseums Bonn gegeben werden. Die ursprüngliche Anlage war eine von stehendem Gewässer („Wasserkessel“) umgebene palisadenumhegte Motte mit hohem Holzturm aus dem 10. oder 11. Jahrhundert. Aus seinen Erfahrungen bei den Ausgrabungen anderer Burgen des frühen Mittelalters hatte wegen des ovalen Grundrisses der heutigen Kernburganlage Hans Kisky bereits vor rund einem Jahrzehnt die Motte als Vorgänger der Hardtburg angenommen. Deren Holzturm und Palisaden wurden vermutlich in einer Fehde durch Brand zerstört. Ein Wohnturm (Donjon) aus Bruchsteinmauerwerk der näheren Umgebung trat an seine Stelle, wobei die ganze Anlage wohl erweitert und verstärkt wurde. Urkundlich wird diese befestigte Wasserburg als „munitio quae dictur Hart“ 1166 erwähnt. Als Bauherrn vermutet man Rudolf von Hart, Untervogt der Grafen von Are-Hochstaden, als Inhaber der Vogteirechte der Benediktinerabtei Münstereifel.

Diese „Burg im Walde“, im südlichen Hoheitsgebiet der Grafen von Are-Hochstaden, erstürmte 50 Jahre später (1205), gewiß nicht ohne deren Beschädigung, der Kölner Erzbischof Bruno IV. Von Sayn (1205 bis 1208) im Laufe der Fehden des Thronstreites zwischen dem Staufer Philipp von Schwaben und dem Welfen Otto IV., Sohn Heinrichs des Löwen. Durch die sogenannte „Hochstaden'sche Schenkung“ des Grafen Friedrich 1246 fiel die Hardtburg mit den Burgen Are und Hochstaden endgültig dem Kölner Erzstift zu. Erzbischof Walram von Jülich (1332 bis 13949) gibt die Festung 1340 den kurkölnischen Rittern Arnold, Vogt von Bornheim, und Dietrich Pythane von Nörvenich zu Lehen. Sie mußten mit seiner Hilfe die Burg entsprechend neuerer fortifikatorischer Erkenntnisse ausbessern und verstärken. Aus dieser Zeit stammt gewiß der Vorburgbering mit den erkerartig auskragenden, runden Flankierungstürmen auf den vorspringenden Ecken. Die als starkbewehrter Posten gegen Jülich ausgebaute mittelalterliche Wasserburg hatte keinen Palas, sondern nur an die Wehrmauer des Kerns angebaute kasernenartige Unterkünfte für die Besatzung. Ihre äußere Erscheinung ist nur auf einer Skizze des wallonischen Malers Renier Roidkin um 1720/30 überliefert.

Als Sitz der Amtsverwaltung des kurkölnischen Amtes Hardt erfüllte sie ihre Aufgabe bis zur Flucht des letzten Kurfürsten Maximilian Franz von Österreich (1784 bis 1801) vor den anrückenden französischen Revolutionstruppen (1794). Mit ihm verließe auch der letzte Amtmann Graf Leopold von Belderbusch seinen Wirkungsbereich. Nach der kurzen französischen Herrschaft am Rhein übernahm der preußische Forstfiskus die inzwischen verfallene Burgruine und richtete im barocken Amtshaus und dessen Nebenbauten sein Revierforstgehöft ein. Im Sinne der romantischen Vorstellungen des 19. Jahrhunderts ließ man die Mauern von Efeu und anderen Klettergewächsen überwuchern und gebot auch dem Baum- und Strauchwuchs auf den Erdwällen und den Beringen keinen Einhalt. Zu Ende des vergangenen Jahrhunderts entstand das heutige zweigeschossige Forstdienst- und Wohngebäude neben dem übel „gestutzten“ Torturm. Die Ruine überließ man weiterhin dem Verfall, da zwar wohlgemeinte aber zu bescheidene Sicherungen ihn nicht aufhalten konnten.


Lageplan der Hardtburg

Die Burganlage gliedert sich grundrißmäßig in eine Kern- und Hauptburg und eine ihr nach Nordwesten vorgelagerte größere Vorburg. Letztere betritt man über eine Brücke durch ein Spitzbogenportal, bei dem noch der Gatterschlitz der ehemaligen Zugbrücke sichtbar ist. Neben dem Turm steht das vorerwähnte Wohnhaus des Revierförsters mit seinen Nebenbauten, rechts ein Fachwerkschuppen mit spätgotischem Giebel und links da Wirtschaftsgebäude (ehemaliges Amts- oder Forsthaus). - Schießscharten im Bruchsteinmauerwerk des Erdgeschosses zeigen heute noch die ursprüngliche Bestimmung dieses Hauses. - Eine bis zu 7 Meter hohe Ringmauer umgürtet die Vorburganlage. Sie ist an der Nordwestseite mit rechteckigen und an der Nordostseite mit runden Flankiertürmchen verteidigungsgerecht bestückt. An der Innenseite der Ringmauer sind noch Schwibbögen und Mauerlöcher des ehemaligen hölzernen Wehrganges zu erkennen.

Ein schwach mit Wasser gefüllter Halsgraben riegelt die Vorburg zu eigentlichen Kernburg ab. Ein Zugang war über eine Holzbrücke, die in den Zwinger führte. Ein höher gelegener schmalerer Zwingerteil wehrt als zweite Sicherung den Haupteingang zum Burgkern. Hier erhebt sich der ungegliederte Bergfried. Nur die Tachytquadern an den Ecken betonen die Außenflächen seines Bruchsteinmauerwerks. Der Zugang des Turmes liegt aus Sicherheitsgründen im ersten Obergeschoß in der Nordwestansicht. Innen wird der Bergfried durch Schlitze belichtet und durch Schießscharten geschützt. Den Dachfuß bildete früher wohl ein Zinnenkranz, und ein hohes, beschiefertes Zeltdach überdeckte das Bauwerk, wie Roidkin's Zeichnung zeigt. Starke hohe Ringmauern mit außen vorgelegten Pfeilern schützen die Bauwerke innerhalb der Kernburg.

Eine Mitte Oktober 1964 vom Verfasser mit einem Vertreter des Landeskonservators durchgeführte, bauaufsichtliche Untersuchung des vorbeschriebenen Bestandes der Burgruine erwies akute Einsturzgefahr bei der äußeren Ringmauer über dem Halsgraben und Steinschlag beim Bergfried. Das Staatshochbauamt Köln wurde deshalb mit der Durchführung der erforderlichen Sicherung und Restaurierung nach den Grundsätzen heutiger Denkmalpflege beauftragt.

Da - wie bei fast allen rheinischen Burgen - keine einwandfreien planerischen Angaben von der Hardtburg vorlagen, ließ es zunächst eine genaue örtliche Vermessung durch einen bestellten Landmesser vornehmen. Mit den eigentlichen Sicherungsarbeiten wurde eine erfahrene Bauunternehmung aus Euskirchen betraut. Ihre Leitung und die eingesetzten Fachkräfte hatten sich bereits bei der Sicherung anderer Burgen im Landkreis Euskirchen und im Siegkreis bestens bewährt. Im Frühjahr 1965 konnte dank des besonderen Verständnisses der Forstverwaltung für das Baudenkmal und der tatkräftigen Mithilfe des Forstamtes Ville mit den Restaurierungs- und Sicherungsarbeiten zügig begonnen werden.

Schon kurz nach der Arbeitsaufnahme am nordöstlichen Vorburgbering, neben dem Forsthaus, wurde nach Entfernung des überaus starken Efeubewuchses festgestellt, daß die Mauerwerksschäden erheblich größer waren, als man ursprünglich annehmen konnte. Fast die ganzen Fundamente an dieser Stelle lagen frei, da im Laufe der Zeit die ehedem angeschütteten Erdböschungen abgerutscht waren. Nur durch komplizierte Unterfangungen war eine Sicherung des aufgehenden Bruchsteinmauerwerks möglich.

Da dieses Mauerwerk aber im oberen Teil auch noch durch langandauernde Verwitterung morbide und bröcklig geworden war, wäre ein Ausbessern oder Ausflicken bei der großen Länge höchst unwirtschaftlich gewesen. Man entschloß sich deshalb zur Erneuerung der Mauerkronen, nachdem ein Bruch mit dem ursprünglichen Steinmaterial (Eifeldolomit) in Iversheim gefunden werden konnte. In der Höhe wurde die Aufmauerung entsprechend dem vorhandenen Zustand beibehalten. Additionen aus ästhetischen oder sonstigen Gründen wurden sorgfältig vermieden. Die gleiche Sorgfalt während des Abbruchs und der Erneuerung der Bruchsteinmauerflächen, der Mauerkronen und –pfeiler waltete auch bei der Instandsetzung der nordwestlichen Mauer und der Nordostecke der Kernburg. Nach erfolgter Säuberung fugte man die gesicherten Mauerwerksteile mit Trasskalkmörtel. Auf eine möglicherweise früher vorhandene dünne Putzschlämme, wie sie bei anderen Burgen des Rheinlandes eindeutig nachgewiesen ist, wurde wegen fehlenden Befundes verzichtet.


Bergfried und Ringmauer von Nordosten

Die Holzbrücke über den Wassergraben der Kernburg, an der südlichen Nordostecke, erleichterte dem Bauunternehmer Material- und Gerätetransport. Mit eigenen Kräften führte das Forstamt Ville Rodungen und Meliorationen im näheren und weiteren Bereich der Burg durch. Den um den Burgweiher führenden Waldweg baute es aus und ermöglichte so dem Besucher einen genußreichen Umgang. Diese kleine Wanderung um die Burg vermittelt ihm wegen des gelichteten Baumwuchses auf der Kernburgböschung und dem jenseitigen Weiherufer das besondere Erlebnis eines heute nur noch in Frankreich und in England vorzufindenden Burgtyps. Leider konnten die baulichen Restaurierungsarbeiten im darauffolgenden Jahr nicht weitergeführt werden. Es trat eine nahezu vierjährige Pause ein. Während dieser Zeit wuchs aber das Interesse der Bevölkerung an dem wenig bekannten Baudenkmal, das sich jetzt, nach dem ersten Abschnitt der Sicherungsarbeiten, in so eindrucksvoller und vorher nicht bekannter Weise darbietet.


Bergfried mit Weiher von Nordosten

Erst in diesem Jahr konnten die Sicherungsarbeiten wieder aufgenommen werden. Es ist zu hoffen, daß sie im nächsten Jahr, wie vorgesehen, endgültig zum Abschluß gebracht werden können. Ziel der Forstverwaltung ist die Schaffung einer gesicherten Besuchsmöglichkeit der Kernburg durch die Öffentlichkeit. Dazu wurde ein Brückenbauwerk aus Holz über den Burgweiher südlich der Kernburg errichtet.

Die bereits 1965 begonnene Mauerflächen- und –kronensicherung im Bereich der Kernburg wird jetzt unter Leitung des Staatshochbauamtes weitergeführt. Der Bergfried erhielt bei gleichzeitiger Instandsetzung und Verblendung seines Außenmauerwerkes, eine neue Bruchsteinabdeckung. Um die Stabilität seiner Bausubstanz zu erhöhen und ihn im Inneren zugänglich zu machen, wurde die letzte Geschoßdecke in Stahlbeton mit Ringverankerung gegossen. In den anderen Geschossen sind entsprechend dem historischen Befund Holzdecken vorgesehen. Das Publikum kann dann später den Bergfried über eine Außentreppe, mit abgestrebtem Zwischenpodest aus Holz, durch den ursprünglichen Zugen im ersten Obergeschoß betreten. Auf den noch vorhandenen Kragsteinen aus Trachyt ruht das Podest. Innerhalb de Turms führen hölzerne Geschoßtreppen zur oberen Plattform, von der man einen ausgezeichneten Fernblick in die Eifel und ihr Vorland haben wird. Den Besuchern wird durch Anlage einer überdachten Feuerstelle die Möglichkeit zum Spießbraten o. ä. gegeben.


Torturm-Eingang zur Vorburg

Die Bestandssicherungen erstrecken sich in diesem Jahr noch auf den westlichen Teil der Vorburg in der erwähnten Ausführungsart. Die Wiederherstellung des Torbogens zwischen Vor- und Kernburg wurde im vergangenen Jahr vollendet, während die Mauerwerkssicherung am Halsgraben noch ansteht. Der Halsgraben wird ausgebaggert und seine Umfassungen werden erneuert. Sein Bett führt dann bis an die äußere südliche Ringmauer. Ein kleiner Holzsteg soll hier die Vorburg mit der Kernburg verbinden. Als Grabensohle soll dann eine starke Kiesbettung mit ausgesuchten großen Bruchsteinen und wasserhaltenden Fugen dienen. Möglicherweise wird man auch nur eine Tonsohle einbauen, bevor der Graben wieder mit Wasser gefüllt wird. Nivellierung oder Regulierung der Wege im Bereich der Kernburg, bei gleichzeitiger Befestigung mit leichtem Unterbau und Dolomit/Lavalit-Gemisch sowie die Neupflasterung der Hofzufahrt zum Gehöft, unter gleichzeitiger Entfernung wilden Bewuchses innerhalb des Gesamtgeländes durch das Forstamt, werden die geplanten Wiederherstellungsarbeiten beenden.

Das Land Nordrhein-Westfalen - Forstverwaltung - wird dann der breiten Öffentlichkeit auch den Innenbereich der Hardtburgruine mit ihrem trutzigen Bergfried zur Besichtigung freigeben können. Mögen die Besucher ihr dafür durch verständnisvolle Rücksichtnahme auf das Baudenkmal von überregionaler Bedeutung und auf seine reizvolle Umgebung danken.

Paul Clemen, P. Polaczek: Die Kunstdenkmäler des Kreises Euskirchen, Düsseldorf 1900.
Hans Kisky: Burgen, Schlösser und Hofesfesten im Kreise Euskirchen, Euskirchen 1960 - dort einschlägiges Schrifttum -.
Werner Sieper: Die Hardtburg. In: Heimatkalender des Kreises Euskirchen 1961.
Werner Bornheim gen. Schilling: Rheinische Höhenburgen, 3 Bde., Neuss 1964.

Entnommen: Heimatkalender des Kreises Euskirchen 1971

© Copyright 2003 Kreisarchiv - Der Landrat
©
Copyright woenge.de 2003