Flora und Vegetation des Kreises Euskirchen

Von Theodor Müller ( † 1969 )

Eine zusammenhängende Flora des Kreisgebietes liegt noch nicht vor. Wohl besitzen wir zuverlässige Floren mit weitgespannten Verbreitungsgebieten, die auch die Flora unseres Kreises zum Teil erfassen, die aber nicht den Artenbestand der einzelnen Gegenden berücksichtigen konnten. Auch konnte in dieser Arbeit eine umfangreiche ältere, noch nicht veröffentlichte botanische Literatur verwendet werden.

Durch menschliche Eingriffe: Trockenlegung, künstliche Düngung, Siedlung, Bergbau, Straßenbau usw. werden immer größere Flächen der Natur entnommen, und dadurch immer mehr Pflanzenarten und Pflanzengesellschaften vernichtet. Es ist Aufgabe der Floristen, den heutigen Bestand unserer heimischen Pflanzenwelt festzustellen und zu erkunden, welche Arten verschwunden und bedroht sind, und welche Arten neu auftreten.


Zur Geschichte der floristischen Forschung des Kreises

Die ersten Nachrichten über die Blütenpflanzen unserer Heimat verdanken wir dem „Prodromus der Flora der preußischen Rheinlande“, welcher 1842 von Ph. Wirtgen in Bonn herausgegeben wurde. An ihm wirkten mit Direktor Katzfey (gest. 1873) und Oberlehrer Dr. Thisquen (gest. 1893), die beide am Gymnasium in Münstereifel tätig waren, sowie der Arzt Dr. Fingerhuth zu Esch bei Euskirchen (1802 - 1876). 1876 veröffentlichte Thisquen im Programm des Gymnasiums Münstereifel: „Geognostisch-botanisches Verzeichnis der in der Eifel aufgefundenen Gefäßpflanzen - Species mit eingehender Berücksichtigung der Flora von Münstereifel“.

Im Jahresbericht des Gymnasiums Euskirchen erschienen 1910 die „Beiträge zur Flora von Euskirchen“ von Prof. Dr. Hermann Klee (gest. 1950). Die Grenze des beobachteten Gebietes wird gekennzeichnet durch die Orte Weilerswist, Kuchenheim, Flamersheim, Kalkar, Mechernich, Schwerfen, Frauenberg.

1920 erschien in Wittlich die „Flora des Mittelrheinischen Berglandes“ von Heinrich Andres. Der Verfasser beschäftigt sich besonders mit der artenreichen Kalkflora im südlichen Teil des Kreises.

K. Kümmel beschrieb 1937 in pflanzensoziologischer Darstellung einen neuen Standort der seltenen mandelblättrigen Wolfsmilch am Vorgebirge, auf dem Gebiet der Gemeinde Weilerswist. 1951 berichtete Schwickerath über die letzten Hartauenwälder der Erfttrockenmulde. In dieser Arbeit wird auch die Flora de Erfttales nördlich von Euskirchen behandelt.

Weiter beschäftigte sich die „Flora des Köln-Bonner Wandergebietes“ von L. Laven und P. Thyssen (1959) mit Teilen des Kreises, insbesondere mit dem Kalkgebiet um Iversheim - Eschweiler.

Über die Moose des Kreises berichtet Johannes Feld 1958 in „Moosflora der Rheinprovinz“. Die umfangreiche Arbeit enthält Moosfunde aus dem Kreisgebiet von Andres-Bonn, Brasch-Godesberg, Laven-Köln, Müller-Kl.-Vernich, Schmidt-Elberfeld und Thyssen-Köln.

Schon 1829 erschien in Nürnberg eine Flechtenflora der Eifel von Fingerhuth aus Esch bei Euskirchen. In derselben werden auch Fundorte aus unserem Gebiet angeführt. Erst 1942 wird von Laven-Köln die nächste Flechtenarbeit veröffentlicht. Dieselbe beschäftigt sich besonders mit dem Kalkgebiet bei Münstereifel. Seit 1949 berichtet der Verfasser über unsere Flechtenflora.


Boden und Klima als Bedingung unserer Flora

Geologisch gehört der größte Teil des Kreisgebietes bis zum Fuße der Eifel zur Hauptterrasse des Rheintals. Der Boden besteht hauptsächlich aus diluvialem Flußschotter, rotem Kies und Sanden, die mit einer dünneren oder dickeren Schicht Lößlehm bedeckt sind. Der südliche Teil des Kreises wird von Gebirgsböden und Gesteinsböden über mitteldevonischen Kalk, über Sandstein und Grauwacke eingenommen. Bei Kommern erreichen Keupermergelböden, von Westen kommend, das Gebiet.

Der Norden des Kreises um Lechenich und Gymnich liegt unter der 100-m-Höhenlinie. Im Süden erreicht das Kreisgebiet im Michelsberg mit 588 m seinen höchsten Punkt. Das Klima ist verschieden. Laut Mitteilung des Wetteramtes Essen schwankte die Jahresmitteltemperatur zwischen 9 und 7,5 Grad. Auf den Höhen über 500 m am Südrande des Kreises sind etwa 6,5 bis 7 Grad anzunehmen. Die 9-Grad-Isotherme verläuft etwa längs der 200-m-Höhenlinie südlich von Euskirchen. Der nördlich davon gelegene ebene Teil hat ein Jahresmittel wenig über 9 Grad. Am Fuße der Eifel, im Regenschatten des Gebirges, über Zülpich, Euskirchen zieht sich eine Trockenzone hin, welche zu den regenärmsten Gebieten Deutschlands zählt. Die jährliche Niederschlagsmenge bleibt unter 500 mm. Nach Norden und Süden steigt die Regenmenge wieder an. Die Niederschlagsmengen von folgenden Regenmeßstationen sind: Zülpich 548 m, Euskirchen 549 mm, Erp 590 mm, Metternich 651 mm, Münstereifel 629 mm, Mutscheid 673 mm.

Die Pflanzendecke änderte sich im Laufe der Jahrtausende nach der letzten Eiszeit so, wie das Klima schwankte, zwischen Zeiten, die kälter oder wärmer, niederschlagsreicher oder trockener waren und im Zusammenhang mit der Struktur des Bodens.


Natürliche Pflanzengesellschaften

Darunter sind die heutigen, durch die jetzigen Klimaverhältnisse entstandenen Pflanzengemeinschaften verstanden. Unsere Heimat liegt in der Zone mit nördlich-gemäßigtem Klima. In dieser Zone geht die natürliche Entwicklung dahin, daß alles Land, wenn der Mensch nicht eingreift, mit Wald bedeckt wird. Der Wald ist die standortgerechte Pflanzengesellschaft.

Ausnahmen bilden Kalktriften und Keuperböden in Südlage. Auf diesen konnte sich die Grasstreppe und ihre Kennpflanzen erhalten, die in früheren Warmzeiten aus dem Süden und Südosten Europas eingewanderte sind, z. B. viele Orchideen und die Mitglieder des Bunten Erdflechtvereins.

Für eine Anzahl Pflanzen bildet das Kreisgebiet die Nordwestgrenze und wird dadurch zu einer wichtigen pflanzengeographischen Grenzlinie.

Von den vielen natürlichen Pflanzengesellschaften seien einige seltene und pflanzengeographisch bemerkenswerte Assoziationen beschrieben.


a) Hartauenwald

Die natürliche, ursprüngliche Pflanzengesellschaft des mittleren Erfttales ist der Hartauenwald. Er tritt in trockenen Gebieten an die Stelle des Erlenwaldes, welcher mehr Feuchtigkeit und Niederschlag benötigt und in welchem die Schwarzerle, Alnus glutinosa, vorherrscht.

Der Hartauenwald wurde beschrieben von Schwickerath. Kerpenerbroich und der Parrig, der Kerpener Gemeindewald im Nachbarkreis Bergheim, sind die letzten Vertreter dieses Waldtyps in unserer Heimat. Er ist gekennzeichnet durch eine Anzahl Hartholzbaumarten, durch Ulme, Esche, Ahorn und Hainbuche. Auch ist die Eiche nicht selten. Die Erle tritt zurück.

In der Strauchschicht sind zu nennen: Traubenkirsche, Pfaffenhütchen, Schneeball, Hartriegel, Feldahorn, Hasel, Schlehe und Weißdorn. Die Krautschicht setzt sich zusammen aus Aronstab, Moschuskraut, Waldbingelkraut, Efeu, Waldveilchen, Wohlriechendem Veilchen, Scharbockskraut, Gemeinem Labkraut, Gundermann, Hainrispengras usw.

Wir stehen in der Erftmulde nur noch vor Resten dieser ehemaligen deckenden Waldgesellschaft. Als vor der Erftbegradigung der Fluß in vielen Windungen und Armen seinen Lauf nahm, hatte der Auenwald noch Existenzmöglichkeit. Einzelne Ulmen, Eschen und Hainbuchen an den Weihern der Wasserburgen und an wasserumschlossenen alten Höfen weisen auf den ursprünglichen Auenwald hin.

Die vielen alten Hecken, die etwa bis zur Jahrhundertwende Wege, Gärten und Weiden einfaßten, gaben Zeugnis von dem ehemaligen Pflanzenreichtum. Am Kleinvernicher Kirchweg konnten im letzten Rest ehemaliger Hecken folgende Holzarten festgestellt werden: Ulme, Eiche, Traubenkirsche, Pfaffenhütchen, Holunder, Hartriegel, Schlehe, Hasel, Efeu, Weißdom, Brombeere (Rubus suberectus) und Stachelbeere. Durch die Holzgewächse windet sich der wilde Hopfen empor. Im Jahre 1960 mußte auch diese "historische Heckenruine" einem Drahtzaun weichen.

Die Hartauenwälder werden bedingt durch die Trockenheit der Erftmulde, deren jährliche Niederschlagsmengen nur 650 mm erreichen. Aus anderen Trockengebieten Deutschlands sind die ulmenreichen Hartauenwälder noch bekannt aus der Oberrheinischen Tiefebene und aus Mitteldeutschland.


b) Halbtrockenrasen (Mesobrometum)

Durch die weite fruchtbare „Kultursteppe“ des mittleren Erfttales zieht sich von Osten nach Westen ein kleines Trockental, welches zwischen Großvernich und Hausweiler ins Erfttal mündet. Geologisch handelt es sich um eine Verwerfung. Die Nordseite wird gebildet von einem steilen, trockenen, kiesigen, diluvialen Hang in Südlage, Dehle genannt. Hier hat eine wärmeliebende, artenreiche Pflanzengesellschaft Zuflucht gefunden, die dem Halbtrockenrasen (Mesobrometum) zugerechnet werden kann. In der Strauchschicht ist besonders der kurze, gedrungene Strauch der Weinrose häufig. Der Name bezieht sich auf das schöne Weinrot der Blüte. Der Strauch verbreitet einen angenehmen Duft, der von den zahllosen Stieldrüsen ausströmt, welche Laub- und Kelchblätter bedecken, Zweige und Stämmchen sind dicht mit kleinen Stacheln besetzt.

Weiter sind in der Strauchschicht zu nennen: Hundsrose, Weißdorn, Hartriegel, Schlehe und Süßkirsche; in der Krautschicht: Frühlingssegge, Aufrechte Trespe, Nelkenschmiele, Wolliges Honiggras, Goldhafer, Schafschwingel, Roter Schwingel, Zittergras, Weichhaarige Trespe, Kamm-Schillergras, Fiederzwenke, Wetterdistel, Kugeldistel, Dürrwurz, Wiesenflockenblume, Skabiosenflockenblume, Jakobskreuzkraut, Schafgarbe, Gemeiner Beifuß, Katzenpflötchen, Margerite, Ackerschimmelkraut, Deutsches Schimmmelkraut, Gemeines Habichtskraut, Spieß-Löwenzahn, Scharfes und Kanadisches Berufskraut, Rapunzel- und Geknäuelte Glockenblume, Taubenskabiose, Gemeines und Echtes Labkraut, Mittlerer Wegerich, Steifer Augentrost, Breitblättriger und Gamander Ehrenpreis, Großblütige, Kleinblütige und Schwarze Königskerze, Dost, Wirbeldost, Thymian, Salbei, Himmelsschlüssel, Wilde Möhre, Viersamige, Zottige und Platterbesenähnliche Wicke, Hornklee, Sichelklee, Gemeiner Schneckenklee, Kreichende Hauhechel, Behaarter- und Färberginster, Frühlings- und Silberweißes Fingerkraut, Große Fetthenne, Färber-Wau, Knolliger Hahnenfuß, Finger- und Körnersteinbrech, Kleiner Wiesenkopf, Saatdotter und Hungerblümchen.


c) Südosthänge des Eschweiler Tales

An den Südosthängen des Eschweiler Tales bei Münstereifel auf mitteldevonischem Kalk hat sich eine wärmeliebende, artenreiche, seltene Flora erhalten. Trockenwald- und wärmere, orchideenreiche Laubmischwaldgesellschaften durchdringen sich und wechseln ab mit Trocken- und Halbtrockenrasengesellschaften. Insbesondere ist der „Elsbeerenwald“ gut entwickelt.

Baum- und Strauchschicht:

Krautschicht:

Elsbeere in Baum- und Strauchform
Traubeneiche
Stieleiche
Hainbuche
Mehlbeere
Feldahorn
Liguster
Echter Kreuzdorf
Ackerrose
Feinfilzige Rose
Süßkirsche
Roter Hartriegel
Bergahorn
Wolliger Schneeball
Felsenmispel
Waldgeißblatt
Berberitze
Zitterpappel
Eingriffliger Weißdorn
Zweigriffliger Weißdorn
Haselnuß
Gewöhnliche Waldrebe
Schlehe
Steinbeere
Rotbuche
Blut- Storchschnabel
Salomonssiegel
Pfirsichblättrige Glockenblume
Schwalbenwurz
Himmelsschlüssel
Abgebissener Pippau
Sanikel
Kammwachtelweizen
Finger-Segge
Filzfrüchtige Segge
Vogelfuß-Segge
Aufrechte Trespe
Blaues Kopfgras
Wunder-Veilchen
Nickendes Perlgras
Frühlings-Segge
Behaartes Hartheu
Rotes Waldvögelein
Weißes Waldvögelein
Hängender Mensch
Zweiblättrige Kuckucksblume
Berg-Kuckucksblume
Große Händelwurz
Gamander Sommerwurz
Blauroter Steinsame
Nickendes Leinkraut
Purpur-Knabenkraut
Gebranntes Knabenkraut
Eiförmiges Zweiblatt
Knackelbeere
Rotbraune Sumpfwurz
Männliches Knabenkraut
Gemeine Akelei



d) Kalkarer Moor

Das Kalkarer Moor ist das einzige größere im Kreise. Weit bekannt ist es durch die vielen seltenen Sumpfpflanzen, welche hier ihre letzte Zufluchtstätte gefunden haben. Es steht unter Landschaftsschutz, ein vom Kreis erworbener Teil seit 1928, der übrige Bereich seit 1937.

Pflanzensoziologisch handelt es sich nach M. Schwickerath um ein Kalkreiches Flachmoor mit drei Moorpflanzengesellschaften, die gekennzeichnet sind durch die Charakterarten Pfeifengras (Molina coerulea), Schwarzes Kopfried (Schoenus nigricans) und Stumpfblütige Binse (Juncus subnodulosus). Außer diesen Kennarten wurden im Moor festgestellt :

Samenpflanzen (Phanerogamen)

Natterzunge
Breitblättriger Rohrkolben
Schneide
Gemeines Sumpfried
Armblütiges Sumpfried
Plattgedrücktes Quellried
Sumpf - oder Flechtsimse
Borstige Moorsimse
Schmalblättriges Wollgras
Schlankes Wollgras
Breitblättriges Wollgras
Sumpf-Dreizack
Zweihäusige Segge
Davalls Segge
Floh-Segge
Kamm-Segge
Falsche Fuchs-Segge
Hasenfuß-Segge
Rispen-Segge
Blaugrüne Segge
Hirsen-Segge
Filzige Segge
Faden-Segge
Gelbe Segge
Grüne Segge
Saum-Segge
Lücken-Segge
Schnabel-Segge
Ufer-Segge
Sumpf-Segge
.
Schilfrohr
Zittergras
Hunds-Straußgras
Glanzfrüchtige Binse
Knäuel-Binse
Flatterbinse
Spitzblütige Binse
Sumpf-Schwertlilie
Herbst-Zeitlose
Echte Sumpfwurz
Breitblättriges Knabenkraut
Geflecktes Knabenkraut Fleischfarbenes Knabenkraut
Kleines Knabenkraut
Große Händelwurz
Glanzkraut
Großes Zweiblatt
Kuckucks- Lichtnelke
Sumpf-Dotterblume
Scharfer Hahnenfuß
Brunnenkresse
Rundblättriger Sonnentau
Mittlerer Sonnentau
Großer Wiesenknopf
Echtes Mädesüß
Blutwurz
Bach-Nelkenwurz
Sumpf-Hornklee
Gilbweiderich
Blut-Weiderich
Sumpf-Weidenröschen
Wiesen-Silge
Große Bibernelle
Wald-Brustwurz
Kümmelblättrige Silge
Sumpf-Haarstrang
Fieberklee
Sumpf-Vergißmeinnicht
Gemeiner Ziest
Sumpf-Ziest
Wasser-Minze
Bittere Kreuzblume
Quendel-Kreuzblumne
Kleiner Klappertopf
Großer Klappertopf
WaId-Läusekraut
Herzblatt
Gemeines Fettkraut
Kleiner WasserschIauch
Übersehener WasserschIauch
Moor-Labkraut
Sumpf-Labkraut
Kleiner Baldrian
Gemeiner Teufelsabbiß
Wasserdost
Knollige Kratzdistel
Kohlkratzdistel
Sumpfkratzdistel
Ruhr-Flohkraut
Färber-Scharte
Rauher Löwenzahn
Hunds-Lattich
Sumpf-Pippau


Entnommen: Kreis Euskirchen - Jahrbuch 1970

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