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Historischer Artikel
Kölnische Rundschau
Samstag, 25. März 1989





Der Kölner wartet rund 8000 Glocken und ist auch für die Sicherheit in den Glockenstühlen zuständig

Gerhard Hoffs ist der Mann, auf den die Osterglocken hören
Von Anja Schütz




Erftkreis. „In der Karwoche fliegen die Glocken nach Rom und essen Brei“ - mit diesem Ammenmärchen wurde wohl Generationen von Kindern das Schweigen der Glocken bis zur Osternacht erklärt. Daß „Brei“ aber nicht dafür verantwortlich ist, daß die Glocken das ganze Jahr über einwandfrei klingen und funktionieren, weiß kaum jemand besser als der Kölner Gerhard Hoffs. Er betreut die Geläute in den gesamten Bistümern Köln, Aachen und Essen, insgesamt rund 8000 Glocken in beinahe 2000 Kirchtürmen.

Der hauptberufliche Kirchenmusiker arbeitet seit 1976 selbständig als Glockenfachmann und freier Mitarbeiter der Erzdiözese Köln. Eingearbeitet wurde er vom Euskirchener Kirchenmusikdirektor Jakob Schaeben, der bei seinem früheren Schüler ein außerordentlich gutes Gehör erkannt hatte.




Mit dem Fachmann zum Glockenstuhl

Die Bedeutung eines sogenannten „absoluten Gehörs“ spielt Hoffs herunter: „Die Routine ist viel wichtiger.“ Außerdem gehört zu seiner Arbeit nicht nur die Beurteilung des Glockenklangs. Die technische Seite des Geläuts sowie die Sicherheit im Glockenstuhl muß er ebenso beurteilen können. Die rund 50 deutschen Glocken-Sachverständigen werden deshalb in Seminaren von Baufachleuten, Statikern, Technikern und Elektrikern immer wieder fortgebildet und auf mögliche Problemstellen hingewiesen.

Wir begleiteten Hoffs kürzlich auf den Turm der Rommerskirchen-Oekovener Kirche St. Brictius. Die dortige Kirchengemeinde hatte ihn zu einer Untersuchung des Geläuts bestellt.

Gerhard Hoffs steigt die enge Treppe zum Glockenstuhl hoch. „Hier gibt es überhaupt keinen Hauptschalter“ empört sich der 58jährige, als er oben ankommt. Ein Hauptschalter sei notwendig, damit im Glockenstuhl arbeitende Monteure das Geläut abstellen können. „Was würde sonst passieren, wenn die Putzfrau in der Sakristei das Licht anmachen will und aus Versehen den Glockenschalter erwischt?“ meint Hoffs und erläutert, daß Beulen am Kopf oder Defekte am Trommelfell dabei noch zu den „harmloseren“ Verletzungen zählen würden.


Nach den „Limburger Richtlinien“ prüft Gerhard Hoffs die Kirchenglocken


In dieser kleinen Tasche hat Gerhard Hoffs sein Werkzeug

Nach einer generellen Inspektion des Glockenstuhls - „An die Falltür gehört ein Schnapper“, diktiert er dem zuständigen Architekten in dessen Notizbuch, - will Hoffs allein auf dem Glockenstuhl bleiben und den Klang des Geläuts überprüfen. Mit Ohrstöpseln geschützt, schlägt er nun die einzelnen Glocken an, mißt mit der Stimmgabel den Klangaufbau, die Lautstärke und den Nachhall.

Ein Anstreicher vor dem Portal der Kirche schüttelt den Kopf über das unregelmäßige Geläute und blickt ungläubig auf seine Armbanduhr, merkt sonst aber nichts. Im Gegensatz zu Gerhard Hoffs, der eine Viertelstunde später kopfschüttelnd vom Glockenturm steigt. „Haben Sie gemerkt, wie unregelmäßig die kleine Glocke klingt?“ will er vom Architekten wissen. Der verneint und wird von Hoffs belehrt: „Die braucht einen neuen Antrieb.“

Seine Beanstandungen vermerkt Hoffs anschließend in einem Bericht, der sowohl an die Kirchengemeinde als auch an das Generalvikariat geht. Nach der Regulierung der Schäden wird er den Glockenstuhl erneut überprüfen.

Bei seinen Kontrollen darf sich Gerhard Hoffs nicht nur auf sein Gehör verlassen. Der Klang „kirchenwürdiger Glocken“ muß den „Limburger Richtlinien entsprechen. Darin ist genau festgelegt, wie lange der Hall dauern muß, wie der Klangaufbau zu erfolgen hat, wie die einzelnen Teiltöne aufeinander abgestimmt sein müssen und vieles mehr.

Zu den Aufgaben des Glockenfachmanns zählt aber nicht nur die Überprüfung fertiger Geläute. Ehe eine Kirche neue Glocken anfertigen läßt, erstellt Hoffs eine Empfehlung hinsichtlich Durchmesser, Größe und Töne der Glocken. Die Größe der Kirche und des Ortes berücksichtigt er ebenso wie den Klang benachbarter Geläute.


Mit dem Architekten begutachtet Hoffs den Glockenstuhl

Die acht deutschen Glockengießereien dürfen keins ihrer Erzeugnisse aus 78 Prozent Kupfer und 22 Prozent Zinn an eine Kirche ausliefern, die nicht ein Glockensachverständiger zuvor getestet und für „kirchenwürdig“ befunden hat.

Zahlreiche Aufträge aus dem Ausland

Das Risiko für den Gießer reicht noch weiter. Es kann durchaus sein, daß eine Glocke in der Gießerei perfekt klingt. Auf dem Kirchturm aber, wo Gerhard Hoffs oder ein Kollege die Glocke noch einmal testen muß, kann dieselbe Glocke dumpf oder auch scheppernd klingen. Die Gießerei muß dann auf ihre Kosten eine neue anfertigen. Ein teures Risiko, denn: „Es gibt überhaupt keine Glocken mehr unter 3000 Mark“, erklärt Hoffs. Je nach Größe könne eine Glocke leicht über 100 000 Mark kosten.

Sein Fachwissen hat der 56jährige Kölner, der auch schon zahlreiche Aufträge im Ausland erledigte, bereits in zwei Büchern erfaßt. Auch für seine Nachfolge habe er bereits mehrere junge Leute „ausgeguckt“, die er rechtzeitig an die Glocken heranführen wolle, verriet er uns.




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