Das Müllerhandwerk in den 30er bis 50er Jahren

Beschreibung eines Mühlenbetriebes vor und nach dem Krieg von Heinrich Klein


Die Förderung der Kleingewerbetreibenden brachte eine Menge Kleinbetriebe im landwirtschaftlichen und gewerblichen Sektor. Nationalsozialismus und Kriegswirren bedingten einen Parteieintritt für angehende Müllermeister.

Die Mehlmüllerei umfaßte einen Mahlgang für Weizen- und Roggenmehl mit mehrmaligem Durchlauf und / oder in Kombination mit Walzenstuhl und Sichter, sowie einen Mahlgang für Roggenschrot, der um 1960 durch eine Schrotmühle ersetzt wurde. Eine Getreide- und Futtermittelmüllerei für die Herstellung von Mischfutter für Schweine, Kühe und Hühner war neben einem kleinen Landhandel mit Fertigfuttermitteln eine weitere Erwerbsgrundlage. Später wurde der Betrieb um eine Saatgutreinigungs- und -beizanlage erweitert, die in den 70er Jahren den Haupterwerbszweig darstellte, als die Mehlmüllerei bereits eingestellt war. Obwohl die Mühle an der Erft gelegen war, verfügte sie nicht über Wasserkraft.

Bis in die 50er Jahre wurde nebenbei noch Brennholz auf einer Kreissäge im Lohnverfahren geschnitten, vor dem Kriege bestand eine Kleinlandwirtschaft mit Deutz-Traktor, als der Betrieb noch von 2 Brüdern betrieben wurde, im Straßenbau wurde vorübergehend in den 20er und 30er Jahren Sand gefahren, es gab vor und während des Krieges eine Milchkuh, Hühner, später eine Schweinemast mit etwa 30 Schweinen bis 1970, zeitweise wurden 100 Masthähnchen gehalten. Mit dem Aufkommen der Reithöfe wurde die Haferquetscherei zu einem weiteren Standbein des Mühlenbetriebes. In geringem Maße wurden Pflanzenschutzmittel und Keimhemmungsmittel für Kartoffel - Einkellerung verkauft.

Die 3 Bilder zeigen Aufnahmen aus den frühen 50er Jahren, als die Mühle ihren wirtschaftlichen Höhepunkt hatte.

Seinerzeit waren dort beschäftigt
Mathias Klein, Müllermeister
Josef Maus, Müllermeister
Willi Geuer, Geselle
Toni-Günther Ruroth, Lehrling
Christoph Klein, Arbeiter

Im 4-Kinder Haushalt wurde teilweise eine Haushaltshilfe, bzw. eine Nichte als Kindermädchen beschäftigt, öfters half eine Tante aus, denn es wurde ja noch eingemacht und geschlachtet, wie es sich gehört, insbesondere zur Kirmes und zum katholischen Namenstag. Namen wie Heinrich, Christoph, Mathias, Maria, Johanna, Helene, Elisabeth, Margret kamen in mehreren Generationen jeweils vor.

Jedes Jahr kam ein oder zweimal die Schneiderin ins Haus. Zu besonderen Festen wie Hochzeiten kamen extra Köchinnen. An kirchlichen Festtagen, sowie zur Kirmes wurden die Fenster mit Fahnen geschmückt, zu Fronleichnam das doppelflügige Wohnzimmerfenster mit Blumen, Figuren und Bildern versehen, davor eine Stellage mit allen verfügbaren Blumen aufgestellt.

Besondere Beziehungen gab es zum Schmied, zum Bäcker, zum Lebensmittelgeschäft, zum Bauern fürs Milchholen und zur Post. Die Kirche spielte eine hohe Rolle im Sozialgefüge der Familie, so stellte die Familie in 2 Generationen den Küster.

Der alte Schumacher im Ort arbeitete solange er konnte in seiner Werkstatt, die fast den Anschein einer Museumswerkstatt hatte, später holte ein Schuster auf Anforderung die Schuhe per Auto ab.

Einen Stellmacher gab es auch, der ab und zu bemüht wurde, aber die Hauptholzarbeiten in einer Mühle verrichtete ein Mühlenbauer, der die Maschinen aufbaute und die notwendigen Kastenrohre und Voratsbehälter aus Holz erstellte.


Mathias Klein Kreuzweingarten vor seinem Walzenstuhl


Zwischen zwei geriffelten Eisenwalzen wurde der Schrot und später der Grieß zerkleinert. Die Walzen ließen sich nach Bedarf enger oder weiter aneinander einstellen. Hier war Berufserfahrung und technisches Geschick erforderlich; denn standen die Walzen zu eng, blieben sie stehen und der Riemen sprang ab, standen die Walzen zu weit, fand kein Zerkleinerungsprozeß statt. Die 2 schräg verlaufenden Rohre und der konisch zulaufende Trichter führen zu 3 Voratsbehältern im 1. Stock: Schrot, Gries, Feingries. Gut läßt sich in der Mitte der Schieber zum Verriegeln des Zulaufes erkennen. Das linke Holzgestell ist ein selbstgefertigter Antriebsschutz, der sich im Falle eines abspringenden Flachriemens schnell entfernen ließ.

Das Getreide oder Mehl wurde durch sogenannte Elevatoren nach oben befördert, durchlief die einzelnen Maschinen oder Vorratsbehälter und wurde schließlich zum Absacken wieder per Elevator in eine Mischmaschine gefüllt. Eine Mischung des Mehls war für eine gleichbleibende Qualität erforderlich, denn das Mehl des ersten Durchganges war heller als jenes des letzten Durchganges.

Eine weitere Möglichkeit des Transports in Mühlen waren Förderschnecken oder Fördergebläse, letztere meistens in der Futtermittelherstellung oder Getreidereinigung eingesetzt, waren wegen ihrer Lautstärke und Staubentwicklung nicht sehr beliebt, ebenso wie die Motten und Mehlwürmer, die oftmals zu größeren Reinigungsarbeiten führten. Eine relativ harmlose Plage wenn man sie beherrschte, waren die Mäuse, die an unzugänglichen Stellen unter oder an kleineren Zwischen- und Vorratssilos ihre Nester bauten. Zweckmäßigerweise wurden meistens eine oder zwei Katzen gehalten, die im Normalfalle den Einsatz von Mausefallen erübrigten.

So ergab sich auch eine Müllerweisheit, daß es sogenannte Mäusejahren gibt, in denen alle 7 oder 8 Jahre besonders viel Mäuse vorkommen. Viele solche Dinge wußte ein Müller und da ein Müller ja Tag und Nacht arbeitet, was damals in einem Dorfe ansonsten unüblich war, besaß er noch so manches älteres Wissen oder eine besondere Fähigkeit. Und handwerklich mußte ein Müller begabt sein, denn abspringende oder reißende Riemen oder undichte Förderrohre mußten unmittelbar repariert werden.


Geselle Willi Geuer und Lehrling Toni Günther Ruhrot mit Mathias Klein Anfang der 50er Jahre


Stolz präsentiert Mathias Klein seinen soeben erworbenen Opel - Blitz - Kleinlaster, der damals schon so etwas wie Wohlstand symbolisierte.


Das Fahrzeug wurde für die verschiedensten Zwecke eingesetzt. In der Billig - Rheder - Tour wurden Privathaushalte und Landwirtschaftsbetriebe mit Mehl und Fertigfutter beliefert. Von Kleinlandwirten oder Privatpersonen, die gegen ein paar Sack Roggen oder Weizen ihren Acker verpachtet hatten, wurde oftmals das Getreide abgeholt und in der darauffolgenden Woche als Mehl oder Schrot zurückgeliefert. Ebenso auf der Kalkar - Arloff - Kirspenich - Tour. Daneben wurden Bäckereien in den umliegenden Ortschaften beliefert. Kleine Ernten wurden gekauft. Manche Tour führte auch zum Neußer Getreidehafen oder zum Futtermittelhersteller. Zwei mal im Jahr fuhr der LKW nach Norddeutschland zum Ferkelkauf.

Interessant der kleine Tauschhandel, der sich nebenbei gebildet hatte: Mehl gegen Honig, Eier, Kirschen, Kartoffeln oder Wurst für den Privatbedarf. Viele Landwirte kamen mit ihren Traktoren und Anhängern, in den 50er Jahren mit Pferd und Karren. Während die Bauern auf das Futter oder ihr Saatgut warteten, gab es immer wieder eine Pause für ein kleines „Verzällcher“ am Rande, wo auch schonmal zum Abschluß eines guten Tages ein „Dornkaat“ oder „Jägermeister“ vom Mattes oder Mättes wie man ihn nannte, spendiert wurde.

Mit der Konkurrenz in den benachbarten Dörfern gab es relativ wenig Kontakte, aber auch keine großen Probleme. Auf jedem zweiten oder dritten Dorf war ein Müller, der seine umliegenden Dörfer belieferte. Dies hatte den Vorteil, daß mancher Kunde zwischen 2 Müllern wählen konnte. Im Dorf des anderen Müllers hatte man die wenigsten Kunden, und wenn, dann kamen diese oftmals selbst zur Mühle.

Mit dem Mühlensterben, der Konkurrenz der Großmüllerei und der allgemeinen Rezession in der Landwirtschaft, wurde die Mehlmüllerei, die in den 30er und 40er Jahren Tag und Nacht lief, ab den 60er Jahren nur noch fallweise betrieben, bis sie schließlich ganz aufgegeben wurde. Mit dem Rückgang der Kleintierhaltung in Privathaushalten und Umstieg der landwirtschaftlichen Betriebe auf Fertigfutter oder eigene Schrotmühlen fielen nach und nach weitere Kundenkreise weg.

Eine interessante Entwicklung war, daß viele Kleinkunden, die aus den Ostgebieten des alten Deutschlands und aus Polen stammten, die treuesten Kunden ab den 60er Jahren waren und die auch noch über die Zeit des damaligen Wirtschaftswunders hinaus noch an ihren Gänsen, Ziegen und Hühnern im Privathaushalt festhielten.

Aus der „Maggelszeit“ sind auch noch einige kleine Geschichten erhalten, als “Mattes“, auch „Kleens Mättes“ oder schonmal „Mattjööh“ genannt, sich für 4 Sack Mehl eine Zentralheizung in sein Haus einbauen ließ. Einige Mehlübergaben an Juden hat es gegeben. Kontrollen durch die Polizei auch. Mit den Hamsterern aus dem 50 km entfernten Köln tat er sich eher schwer, was sollte er schon mit Meißner Porzellantellern, Kronleuchtern und Suppenschüsseln mit Goldrand anfangen. Ansonsten hat sich der „Mattes“ treu und redlich mit seiner Schwerhörigkeit durch die Kriegszeit „gefuttelt“, da man feststellte, daß er manche Befehle ab einer gewissen Entfernung nicht mehr wahrnahm und so wurde er dann irgendwann nach Hause geschickt.

Neben dem alten Mühlenhandwerk starben auch ehemalige alte soziale Ordnungen und andere Handwerke, wie die des Stellmachers, Radmachers, Mühlenbauers oder Dorfschmiedes. Diese Berufe findet man immer weniger. Nach dem Krieg änderte sich ebenso das Bild der Dorfgemeinschaften oder der Familienzusammengehörigkeit. Statt eines Schusters gibt es den Mister Mint im Supermarkt, statt eines Müllers gibt es den großen städtischen oder ausländischen Mühlenkonzern.


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